Im Zuge der Bauwende, mit der sich auch das Klimafestival auseinandersetzt, ist ein neuer Umgang mit Bestandsbauten essenziell. Die Beschäftigung mit Nachhaltigkeit macht zugleich deutlich, wie widersprüchlich unsere Städte geworden sind. Während sich die Wohnungsnot weiter zuspitzt und die Suche nach bezahlbarem Wohnraum vielerorts zum Vollzeitjob wird, stehen in den Metropolen ganze Büroetagen leer. Besonders in Berlin hat die Pandemie hybride Arbeitsformen verankert. In der Folge liegt der Büroleerstand mittlerweile bei fast zehn Prozent – das sind mehr als 1,7 Millionen Quadratmeter ungenutzte Flächen.
Natürlich greift es zu kurz, einfach alle Büroprojekte zu stoppen und stattdessen Wohnungen zu bauen. Planungsrecht, lange Verfahren, bestehende Bebauungspläne und wirtschaftliche Rahmenbedingungen machen solche Forderungen weitaus komplexer, als es der öffentliche Diskurs vermuten lässt. Doch es wächst die Einsicht, Leerstand nicht länger als Randnotiz zu behandeln, sondern ihm aktiv entgegenzuwirken und scheinbar obsolet gewordene Bauten als Ressource zu verstehen.
Für dieses Themenpaket haben wir neun Projekte zusammengestellt, in denen ehemalige Bürogebäude auf verschiedene Weise zu Wohnraum transformiert wurden. Auffällig ist, dass einige dieser Umbauten in Hotels münden, was häufig mit Eigentumsverhältnissen und der weiterhin gewerblichen Einstufung großer Bestandsbauten zu tun hat. Doch gerade die räumliche Struktur vieler Bürohäuser bietet auch für Wohnnutzungen ideale Voraussetzungen: stützenbasierte Raster und eine damit einhergehende Grundrissflexibilität, großzügige Geschosstiefen, robuste Tragwerke.
Es ist faszinierend zu sehen, wie teils ikonisch wirkende Gebäude den Menschen durch Umnutzung ein Stück weit zurückgegeben werden. Ein Beispiel dafür findet sich in Paris: Ein Bürohochhaus aus den 1970er Jahren mit charakteristischer Kapselfassade wurde größtenteils in ein Wohngebäude mit Zwölf-Personen-WGs transformiert. Dass es auch unaufgeregter gehen kann, zeigt das umgebaute Landratsamt in Tübingen. Solche wenig inspirierten Behördenbauten finden sich in Deutschland vielerorts – und die erfolgreiche Umwandlung macht Mut: Selbst nüchterne Architektur lässt sich zu qualitätvollem Wohnraum transformieren. (gk)
Teaser: Sanierung und Umnutzung von CALQ und Bond Society in Paris. Foto: 11h45
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a_C | 20.11.2025 15:57 Uhr>>> "Scheinbar" trifft es gut! <<<
Das hat der Autor wohl nicht so gewollt, aber "scheinbar obsolet gewordene Bauten" trifft es gut:
Oft genug würde eine Ertüchtigung und Weiterverwendung der Bauten in ihrer ursprünglichen Nutzung mindestens genauso Sinn machen, aber die Immobilienindustrie hat nicht die Geduld und will ihre Problem-Grundstücke lieber heute zu Geld machen als morgen. Da trifft es sich gut, dass viele Kommunen einen Wohnraummangel haben und sich leichtfertig ihre Gewerbe- und Kerngebiete zerschießen als mit der gebotenen Um- und Weitsicht zu agieren.
Dann arbeiten wir eben alle in Zukunft im Home Office (weil das dann gar nicht mehr anders geht) und stellen die Nutzungsmischung, die die planende Verwaltung einfach nicht hinkriegt, eben in unseren eigenen vier Wänden her. So geht Stadtplanung (nicht).
PS: Ausnahmen bestätigen die Regel.