Das recht junge Phänomen ästhetisch inszenierter Weinproduktionsstätten ging mit einem Wahrnehmungswandel des vergorenen Getränks einher. Bei den Römern und im Mittelalter gehörte der Konsum des Rebensafts zum Alltag. Hergestellt wurde er in Kelteranlagen, Klöstern und vereinzelt auf Adelsgütern, deren beeindruckende Räumlichkeiten vorwiegend der Statuswahrung dienten. Erst mit dem Erstarken des Bürgertums im Zuge der Aufklärung wurde der „edle Tropfen“ zum Prestigeobjekt, und die ersten repräsentativen Châteaux entstanden in Frankreich.
Spätestens seit Eröffnung der Dominus Winery von Herzog & de Meuron im kalifornischen Napa Valley vor 28 Jahren zählt die Architektur für eine Vielzahl von Winzerbetrieben zur Marketingstrategie. Sie soll den Charakter des jeweiligen Terroirs unterstreichen und neben Räumen zum Maischen, Keltern und Lagern auch der Verkostung und dem Verkauf ein stimmungsvolles Ambiente bieten. Viele Weingüter laden zudem zur Übernachtung – durchaus sinnig im Hinblick auf den Alkoholgehalt von Riesling, Merlot und Co. In oft malerischer Lage, unweit der Weinstöcke, deren Trauben unter den letzten Sonnenstrahlen reifen, werden sie mit Beginn des Herbstes zum Sehnsuchtsort.
Vor fünf Jahren blickte das Themenpaket auf neun Architekturen für den Wein, seitdem sind einige neue im BauNetz-Archiv dazugekommen: vom archaisch wirkenden Stampflehm-Gehöft über rotweinrot eingefärbte Betonbauten bis zum Glashaus reicht die neuerliche Auslese. Auch für junge Architekt*innen scheint die Bauaufgabe geeignet, finden sich doch zwei Erstlingswerke aus Luxemburg und der Steiermark in unserer Auswahl. Bei so viel Bandbreite ist wohl, ähnlich wie beim Weingenuss, für jeden Geschmack etwas dabei. (kms)
Teaserbild: Weingut in der Lombardei von Studio Pizzi. Foto: Francesca Iovene