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10.10.2022

Berliner Guggenheim-Spirale

Neues Leben in den Kant-Garagen


Ihr Schicksal schien besiegelt: Noch 2013 sollten die Kant-Garagen in Berlin-Charlottenburg trotz Denkmalschutz abgerissen werden, der damalige Eigentümer Christian Pepper hatte seinen Antrag beim Bezirksamt bereits gestellt. Damit hätte Berlin nicht nur seine erste Hochgarage und das einzige noch erhaltene Exemplar aus der Zwischenkriegszeit verloren, sondern auch die weltweit einzige Hochgarage mit gläserner Vorhangfassade.

Letztlich wurde das Gebäude durch einen Eigentümerwechsel an Dirk Gädeke von der Immobilienfirma Gädeke & Co gerettet. Und nun ist tatsächlich fertig, was 2016 noch eine Planvorstellung war: Am 6. Oktober wurden die Kant-Garagen als Geschäfts- und Ausstellunghaus neu eröffnet. Zum Paket gehört auch ein schmaler Hotelneubau nebenan. Die Pläne für Um- und Neubau stammen von Johanne Nalbach, Nalbach+Nalbach (Berlin).

Die ehemalige Garage ist in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz saniert worden. Das betrifft sowohl die Fassaden zur Straße und zum Bahndamm, als auch das Innere mit seiner spektakulären Doppelrampe für Ein- bzw. Ausfahrt. Zur Straße strahlt die Fassade wieder mit zwei vertikalen Feldern aus sandgrauen Klinkerriemchen, die mittig, darüber und seitlich von breiten Streifen aus Drahtglasfenstern flankiert werden. „Die Filigranität der Profile der Einfachverglasung“, schreiben Nalbach+Nalbach, „wurde vollkommen erhalten“, da dahinter eine zweite Glasfassade eingesetzt wurde, die alle heutigen Anforderungen übernimmt. Die bemerkenswert liebevolle, geschwungene Glasfassade auf der Rückseite, die viel Licht ins Innere ließ, musste hingegen vollständig ersetzt werden. Allerdings konnten die filigranen Details der originalen Konstruktion größtenteils übernommen oder weiter entwickelt werden, sodass der Eindruck von innen und außen dem Original sehr ähnlich ist. Auch das offene Fluchttreppenhaus an der Hofseite konnte beibehalten werden, es ist lediglich mit einem neuen Stahlnetz umhüllt.

Im Inneren galt es, so Nalbach+Nalbach, „die alten Funktionen ablesbar zu erhalten und dennoch neues Leben in einer neuen Funktion zu ermöglichen“. Die Rampe dient weiterhin, auch ohne Autos, als zentrale Erschließung und „Art Walk“. Der Stahlskelettbau mit seinen gerade elf Zentimeter starken Decken ist mit Mauerwerk ausgefacht und im ganzen Haus sicht- und ablesbar. Aus Brandschutzgründen wurden die tragenden Elemente mit zwei Zentimeter Betonputz versehen, die ehemalige Befahrbarkeit aller Geschosse bleibt durch große Glastüren und -wände nachvollziehbar.

Die erneuerten Böden zeigen die ursprüngliche Farbgebung, auf den Rampen blieb das alte Pflaster erhalten. Einbauten wie Sanitär- und Serverbereiche liegen als Trockenbau entlang der nordöstlichen Brandwand, so bleiben die Stützen und Unterzüge sichtbar. Ebenso unauffällig eingefügt sind zwei Aufzüge, während die neue Haustechnik offen auf den Betondecken verlegt ist. Die alten Brandschutztore sind zwar mit den aktuellen Anforderungen nicht mehr vereinbar, blieben aber an den Eingängen zu jeder Etage wie Artefakte erhalten. Im Auge der Rampe wurden neue, oktogonale Räume eingefügt, die für Konferenzen oder kleine Ausstellungsfläche genutzt werden können.

Zum Eröffnungswochenende durchstöberten Neugierige die alte Garage, in der nun das Einrichtungshaus „Stilwerk“ als Hauptmieter eingezogen ist. Stilwerk betreibt auch das benachbarte Hotel als ökonomische Stütze. Die Firma versteht sich außerdem als Kuratorin des Hauses, auf dessen Etagen Kunstausstellungen sowie andere „Händler, Hersteller und Servicedienstleister aus Design, Kunst, Lifestyle und Gastronomie“ Flächen mieten. Die fünfte Etage wird als 1.500 Quadratmeter umfassender Veranstaltungsraum vermietet, darüber entstand ein Penthouse. So soll sich die ungewöhnliche Immobilie mit insgesamt 9.500 Quadratmetern wirtschaftlich tragen. Derzeit scheinen die Produkt- und Möbelpräsentationen mit den weiten, überraschend lichten Flächen noch ein wenig zu fremdeln. Aber das kann ja noch kommen.

Johanne Nalbach jedenfalls ist stolz auf den Umbau und die Rettung des Gebäudes. Die Doppelhelix nennt sie liebevoll „Guggenheim-Rampe“. Sie weist darauf hin, dass ihr Büro etliche Nutzungsvarianten durchgespielt hat, darunter auch Büro- und Kaufhausnutzungen oder im Erdgeschoss eine Food Hall wie die Markthalle Neun in Kreuzberg. All das ist hier nun grundsätzlich möglich. Die Gegenwart als Einrichtungskaufhaus muss also nicht das letzte Leben dieses erstaunlich gut umnutzbaren Hauses sein. (fh)

Fotos: Ken Schluchtmann/die photodesigner


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