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11.12.2025

Treppenwucher hinter Mucha

Nachverdichtung von Heatherwick Studio in der Prager Altstadt


In der Prager Altstadt wird so gut wie nie neu gebaut. Denn sie steht fast vollständig unter dem Welterbeschutz der UNESCO. Wer hier einen ganzen Stadtblock entwickelt, muss der genehmigenden Behörde einen architektonisch äußerst sensiblen Entwurf vorgelegt haben. Zurückhaltung war allerdings noch nie die Sache von Heatherwick Studio (London/Shanghai), die für die Gesamtplanung des gemischt genutzten Komplexes namens Savarin verantwortlich zeichnen.

Der Ort, an dem Heatherwick planen, liegt direkt am Wenzelsplatz und umfasst eine Fläche von 15.000 Quadratmetern. Namensgebender und wegbereitender Teil des Projektes ist der sogenannte Savarin-Palast, auch bekannt als Sylva-Taroucca oder Piccolomini-Palast. Die unterschiedlichen Namen des Barockbaus, der auf Pläne von Kilián Ignác Dientzenhofer um 1750 zurückgeht, weisen auf seine bewegte Geschichte hin. 

Ursprünglich diente er als Adelssitz (erst Piccolomini, später Sylva-Taroucca), zwischenzeitlich dem Ethnografischen Museum, zu Beginn des 20. Jahrhunderts richtete die Stadt ein soziales und kulturelles Zentrum ein, 1925 öffnete das Savarin Café. Nachdem ab 1948 das kommunistische Regime das Grundstück genutzt hatte, wurde es 1989 privatisiert. In den letzten Jahren fand man hier ein Spielcasino, im Erdgeschoss hausten Filialen von McDonalds und einer Süßwarenkette. All das hinterließ seine Spuren. Die zwischen den höher ragenden Nachbarn eingeklemmte, opulent geschmückte, aber charmant niedrige Straßenfassade samt der drei Hinterhöfe war sichtlich in die Jahre gekommen. Bauzeitliche Statuen von Ignác František Platzer waren abgenommen worden, Stuck und Fresken teils unter Putz und Farbe verschwunden. 

Neustart für den Barockpalast

Was den Savarin-Palast angeht, kann man an diesem Punkt der Geschichte davon sprechen, dass die richtigen Akteure zum richtigen Zeitpunkt zusammentrafen. Denn der vormalige Besitzer wollte die rückwärtigen Flügel zugunsten eines Verwaltungsbaus abreißen. Dem zuvor kam 2015 der tschechische Entwickler Crestyl, der die Immobilie samt weiterer Bauten im Block und dem weitverzweigten Innenhof kaufte. Natürlich will auch Crestyl das Filetgrundstück kommerziell entwickeln. Doch sicherten sie der Stadt zu, die historischen Gebäude zu restaurieren und kulturelle Nutzungen einzuplanen. 

Hier kommt die Mucha Foundation in Spiel. Seit langem sucht diese einen geeigneten Standort, um das Œuvre von Alfons Mucha auszustellen. Wer mit dem Werk des Jugendstilkünstlers nicht vertraut ist, braucht sich lediglich in aktueller Popkultur umzusehen. Marvel-Superhelden, japanische Mangas, League-of-Legends-Videospiele oder die Eiskönigin in Disney’s Frozen – all das ist laut deren Machern teils direkt von Mucha inspiriert. 

Anfang 2025 ist die Stiftung mit Teilen ihrer Sammlung in den Savarin-Palast gezogen. Dazu hatte Crestyl den denkmalgeschützten Bau für über 20 Millionen Euro von jakub cigler architekti (Prag) restaurieren und als Museum anpassen lassen. Die Dauerausstellung gestaltete die tschechische Architektin Eva Jiřičná mit ihrem Büro AI Design (Prag). Die 2024 abgeschlossene Restaurierung bildet den ersten Schritt innerhalb der Gesamtplanung von Heatherwick Studio, die sich über den kompletten Block erstreckt. Crestyl hatte das Londoner Büro direkt beauftragt und Thomas Heatherwick so zu seinem ersten Projekt auf europäischem Festland verholfen. Vor kurzem kam die Baugenehmigung für das 400 Millionen Euro schwere Vorhaben.

Tauschhandel mit dem Denkmalschutz


Zweimal komplett durch den Block zieht sich das Projekt und schafft Querverbindungen von der Passage Na Příkopě zur gegenüberliegenden Straße Jindřišská und von der Straße Panská zum Wenzelsplatz. Dem Projektentwickler gelang dabei eine Art Tauschhandel mit den Denkmalbehörden. Im Gegenzug für die historisch gerechte Wiederherstellung aller Bauten an den Blockaußenseiten sowie des Stallgebäudes im Hof gab man Heatherwick im Blockinneren (wo sich zuletzt unter anderem ein Biergarten befand) nahezu freie Hand, wie Crestyl-CEO Simon Johnson durchblicken lässt.

So zeigen die Visualisierungen eine typische Formensprache des Architekten – zahllose Treppen, die an den Hoffassaden empor wuchern. Dahinter sollen vor allem Büroflächen entstehen. Klar, wer im 21. Jahrhundert derart viele Dächer und Terrassen plant, hat doch sicher Begrünung und Photovoltaik im Sinn. So weit gingen die Zugeständnisse des Denkmalschutzes dann allerdings doch nicht, erklärt Johnson. Da man den Block von der Prager Burg jenseits der Moldau sehen kann, soll Heatherwicks Dachlandschaft in das terrakottafarbene Bild der Prager Dachlandschaft einblenden. 

In die Erdgeschosse ziehen Geschäfte und Restaurants. Gleiches gilt für das alte Stallgebäude aus dem 17. Jahrhundert, das die Architekt*innen öffnen und gewissermaßen aushöhlen. Unter dem Bau fand man einen Nebentunnel der Metro. Dieser soll für eine neue Bahnverbindung und Station ausgebaut werden. Ein Luftraum soll von dort bis unter den freigelegten Dachstuhl reichen. Wer hinauf möchte, wird sich dann allerdings erstmal durch zwei unterirdische Geschosse voller Geschäfte und Food Hall arbeiten müssen. 

Auf diesem Weg wird man auch zum Opus Magnum von Alfons Mucha gelangen, dem Slawischen Epos. Dieses gigantische Werk, bestehend aus 20 Gemälden auf jeweils circa sechs mal acht Meter großen Leinwänden, hatte der Künstler der Stadt Prag vermacht. Bislang existierte jedoch kein geeigneter Ausstellungsort, weshalb man es bis dato im Schloss Moravský Krumlov besichtigen kann. Geplant ist nun, im Untergeschoss des Innenhofs einen Saal eigens für das Slawische Epos zu errichten. Die Fertigstellung des gesamten Projekts ist ambitioniert auf 2029 terminiert. (mh)

Unser Autor war auf Einladung von Crestyl und der Mucha Foundation im Rahmen einer Pressereise für BauNetz vor Ort.


Zum Thema:

Den bisher letzten Neubau in der Prager Altstadt entwarf das Team um Ricardo Bofill – ein vergleichsweise unscheinbares Wohngebäude in einer versteckten Nebenstraße.


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