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08.06.2016

Einfach angehoben

Karin Sander im Gespräch


Konzeptkünstlerin Karin Sander berührt mit ihren Skulpturen und Installationen vielfach das Terrain der Architektur, zuletzt etwa durch ihre Zusammenarbeit mit Christian Kerez am Schweizer Pavillon der aktuellen Biennale in Venedig. Seit 2007 ist die 1957 in Bensberg Geborene zudem ordentliche Professorin für Grundlagen des Gestaltens, Kunst und Architektur an der ETH Zürich. Ihre international ausgestellten Arbeiten entwickelt Sander im Dialog mit vorgefundenen Situationen und deren räumlichen und sozialen Hintergründen. So auch in der Johnen Galerie in Berlin, wo sie für Galerist Jörg Johnen die letzte Ausstellung gestaltet hat, bevor er seine Räumlichkeiten schließt.

Von Sophie Jung



Jörg Johnen schließt seine Berliner Galerie und Sie bauen ihm zum Abschied ein Podest und stellen einen Kartenständer in die sonst leeren Räumlichkeiten. Warum?

Das Podest ist ein Rückgriff auf eine Arbeit, die ich 1991 in New York gemacht habe. Damit blicke ich einerseits auf mein eigenes Werk zurück, andererseits ist die Skulptur wie gemacht für diese Räume. Eine zweite Arbeit, „Exhibition Record” in Kartenständern gibt einen Rückblick auf die Arbeit der Galerie Johnen, denn darin werden nun alle Ausstellungen dokumentiert, die in Köln und Berlin stattgefunden haben, einschließlich die Jetzige. Man sieht also 256 Ausstellungen rückblickend und eine gegenwärtige.

Stellt das Podest eine besondere Würdigung der Galerietätigkeit dar?

Vor allem geht es mir um die gegenwärtigen wie historischen Komponenten in der Arbeit. Die Bodenskulptur erhebt sowohl die Galerie mit ihren Mitarbeitern sowie ihre Besucher und zwar um 15 Zentimeter. Die Ausstellungsbesucher stehen also auf einer erhöhten Plattform, die durch alle Räume hindurchgeht und werden Teil der Arbeit, ja im Grunde Teil einer Performance.

Damals, als Sie 1991 in New York die Arbeit mit dem lakonischen Titel „Floor“ machten, ging es Ihnen auch um ein symbolisches Erheben?

Es geht mir nie um ein symbolisches Erheben. „Floor“ war und ist auch hier eine Skulptur im Raum, ein doppelter Boden, ein Plateau, ein Sockel, mit wiederum einem Abstand von 15 Zentimeter zur Wand. Eine Ebene, die durch die drei Räume zu schweben scheint und alles betont, was auf ihr stattfindet. 

Die Skulptur täuscht ein architektonisches Element vor, ist es aber nicht?

Sie ist ein architektonisches Element, ein Boden, der den Raumgrößen, dem vor- und rückspringenden Wandverlauf folgt. Alle drei Räume mit ihren unterschiedlichen Proportionen und Deckenhöhen werden mit der durchgezogenen Plattform nivelliert und miteinander gleichwertig verbunden. Diese neue Ebene ist durchgehend mit Beton übergossen, einer Ausgleichsmasse. Die Bodenfläche wirkt dadurch sehr massiv und zugleich im Raum undefinierbar leicht.

Als Sie gefragt wurden, die letzte Ausstellung in der Galerie Johnen zu machen, kam Ihnen da von Beginn an diese alte Arbeit aus New York in den Sinn?

Als ich mich mit der Ausstellung in der Johnen Galerie beschäftigte, musste ich immer wieder an diese Bodenarbeit denken, die hier genau das Bild trifft, das ich im Kopf hatte. Für mich ist es das erste Mal, dass ich auf eine so frühe Arbeit zurückgreife. Es ist schon eine ganz neue Erfahrung, mit einem Werk umzugehen, das vor 25 Jahren entstanden ist und nun in diesen Kontext neu zitiert und interpretiert wird.

Da, wo die Galerientätigkeit zu sehen ist – der Arbeitstisch, aber auch Ihre Kartenständer, auf denen Sie die über 200 Ausstellungen Jörg Johnens im Postkartenformat dokumentieren – da ist das Mobiliar eingesenkt und steht nicht auf dem Podest?

Das ist eine Trennung. Die Möbel berühren die Skulptur nicht. Der Tisch steht so, wie er immer stand, als hätte man ihn beim Errichten der Plattform vergessen wegzustellen, als wäre nichts geschehen.

Der Postkartenständer, ein Ready-Made?

Nicht wirklich.

Die Postkarten, eine Normierung von Jörg Johnens über 200 unterschiedlichen Ausstellungen auf 13 mal 18 Zentimeter?

Normierung ist ein schöner Gedanke. Tatsächlich habe ich alle Ausstellungen auf ein Druckformat gebracht, wie eine Einladungskarte. Jede Karte zeigt eine Ausstellungsansicht und auf der Rückseite die jeweiligen Namen der Künstlerinnen und Künstler, die Ausstellungsdaten und Namen der Fotografen. Es gibt vielleicht ein paar wenige Ausstellungen, die fehlen, zu denen Jörg Johnen im Moment keine Dokumentation finden konnte, die aber jederzeit noch ergänzt werden können. Manche Ausstellungen wiederum sind mit Ort, Name und Daten durch eine Karte in dem Ensemble repräsentiert, jedoch ohne Bild. So ist die Kartensammlung ziemlich vollständig.

Und jetzt blickt man auf einen Stapel Ausstellungsgeschichte?

Ja, die Karten repräsentieren die Geschichte der Galerie: Man kann sie herausnehmen, sich erinnern oder Vorstellungen zu den gezeigten Künstlerinnen und Künstlern und ihrer Arbeit entwickeln, ja auch Erinnerungslücken füllen. Diese letzte Ausstellung ist, wie gesagt, auch dabei und damit beschließt die Galerie ihre Arbeit an diesem Ort. Durchblättert man all diese Karten, dann blickt man auf ein weites Spektrum an Galeriearbeit, Geschichte und unterschiedlichste Ausstellungen zurück, auf kleine und große Präsentationen, mit bekannten und unbekannten Namen und Werken. Jede Karte, die nur einen kleinen Stein des Puzzles oder ein Fragment wiedergibt, eröffnet unterschiedliche Sichtweisen auf die Kunst, die ja letztendlich im Kopf entsteht.

Die Ausstellung von Karin Sander ist bis zum 8. Juli in der Johnen Galerie Berlin, Marienstraße 10, 10117 Berlin, zu sehen.


Zum Thema:

www.johnengalerie.de


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Karin Sander „Floor“ (1991/ 2016), Holz, Beton, variable Maße, Courtesy: die Künstlerin und Galerie Esther Schipper, Berlin

Karin Sander „Floor“ (1991/ 2016), Holz, Beton, variable Maße, Courtesy: die Künstlerin und Galerie Esther Schipper, Berlin

Karin Sander, Foto: © Andreas Meichsner, 2011

Karin Sander, Foto: © Andreas Meichsner, 2011

Karin Sander, „Floor“ (1991/ 2016), Holz, Beton, variable Maße, Courtesy: die Künstlerin und Galerie Esther Schipper, Berlin

Karin Sander, „Floor“ (1991/ 2016), Holz, Beton, variable Maße, Courtesy: die Künstlerin und Galerie Esther Schipper, Berlin

Karin Sander, „Floor“ (1991/ 2016) und „Exhibition Record (Johnen)” (2016), Chrome Pigmentdrucke, je 13 x 18 cm, 252-teilig, und Kartenständer je Höhe 190 cm, 50 cm, dreiteilig, Courtesy: die Künstlerin und Galerie Esther Schipper, Berlin

Karin Sander, „Floor“ (1991/ 2016) und „Exhibition Record (Johnen)” (2016), Chrome Pigmentdrucke, je 13 x 18 cm, 252-teilig, und Kartenständer je Höhe 190 cm, 50 cm, dreiteilig, Courtesy: die Künstlerin und Galerie Esther Schipper, Berlin

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