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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Grundsteinlegung_fuer_Lesesaal_der_Berliner_Staatsbibliothek_-_mit_Kommentar_23520.html

24.04.2006

Aufklärerisches Licht

Grundsteinlegung für Lesesaal der Berliner Staatsbibliothek – mit Kommentar


Ein Jahr nach dem ersten Spatenstich wird am 24. April 2006 in Berlin der Grundstein für den Umbau der Staatsbibliothek Unter den Linden gelegt. Nach fast drei Jahren für die vorbereitenden Abriss- und Baumaßnahmen (BauNetz-Meldung vom 6. 5. 2004) kann nun mit dem Bau des neuen zentralen Lesesaals nach den Plänen des Architekten HG Merz (Berlin/Stuttgart) begonnen werden.

Durch das „Schaufenster“, das auf der großen Treppe den Blick auf die Baustelle freigibt, konnte der Besucher der Staatsbibliothek beobachten, wie diffizil und schwierig sich die Gründungs- und Abfangungsarbeiten für den neuen Lesesaal, der den 1945 zerstörten Kuppelsaal ersetzt, gestalteten.
Der Saal mit seinen knapp 39 Metern Durchmesser war das Herzstück der 1903-14 von Hofarchitekt Ernst von Ihne erbauten Anlage. Nach dem Weg durch Portikus und Durchgang, Innenhof, erstes Foyer, Vortreppe und großes Foyer sollte er der Höhepunkt des Gebäudes sein, was jedoch schon Zeitgenossen als zu bombastisch und pompös erschien.

Der Entwurf von HG Merz bricht mit der von Ihne intendierten Gebäudedramaturgie, indem er diesen Weg in einem klaren, kubischen Baukörper münden lässt, der ringsum von opaken Glaswänden erleuchtet wird. Der Lesesaal, der den Freihandbestand mit 125.000 Bänden beherbergen soll, präsentiert sich als Lichtkörper auf einem Sockel von hohen Bücherwänden, die mit warmroten Holz verkleidet werden. HG Merz setzt, so die Pressestelle des Bundesbauministeriums, „dem wilhelminischen Prunkbau ein aufklärerisches Licht auf“.

Die Kosten für Abriss und Neubau betragen knapp 350 Millionen Euro. Die Eröffnung ist für das Jahr 2011 geplant.

Kommentar der Redaktion

Der Kontrast zwischen dem wilhelminischen Prachtbau und dem einfachen Glaskubus mag manchem zu drastisch erscheinen, die zurückhaltende Gestaltung des Lesesaals mag für einige zu bescheiden wirken und als verpasste Chance, sich mit einem repräsentativen Lese-Pantheon in die Reihe großer Nationalbibliotheken wie in London oder Paris zu stellen.

Doch das kafkaeske Labyrinth von Fluren, Gängen, Treppen, Lesesälen, Büros und Depots, das der Lieblingsarchitekt Kaiser Wilhelms II. hier aufgeführt hat, braucht dringend ein beruhigendes und den Bau ordnendes Zentrum – und das kann nicht einfach genug sein. Der wilhelminischen Großmannssucht ein reinigendes Element, der erdrückenden Schwere und Dunkelheit ein fast schwebendes Volumen entgegenzustellen, wird das große gestalterische Verdienst des Merz-Baus sein.
Durch diese zurückhaltende, nüchterne Gestaltung wird der Bau „preußischer“, im Sinne von disziplinierter und konzentrierter, als er einmal war.

Arne Winkelmann


Zu den Baunetz Architekt*innen:

hg merz


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Über zwei Tiefgeschossen mit Tresormagazinen erhebt sich der Lesesaal mit seinem Lichtkubus

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