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17.09.2025
Buchtipp: Italienische Eleganz
Gio Ponti. More than One
Das Pirelli-Hochhaus in Mailand werden die meisten Architekt*innen kennen. Allein mit diesem Werk hat sich Gio Ponti in die Architekturgeschichte eingeschrieben. Dass er allerdings nebenbei die bis heute herausgegebene Zeitschrift Domus begründet und viele Jahre geleitet hat, dürfte hingegen weitaus weniger bekannt sein. Auch seine Arbeit als künstlerischer Leiter eines Geschirrherstellers ist etwas in Vergessenheit geraten. Ein neues, kürzlich bei Lars Müller Publishers erschienenes Buch ist nun der gesamten Vielfalt seines Schaffens gewidmet. Es trägt den programmatischen Titel Gio Ponti. More than One.
Geboren wurde Ponti noch im 19. Jahrhundert, im Jahr 1891, nur ein paar Jahre nach Le Corbusier oder Mies van der Rohe. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er als Soldat gekämpft hatte, beendete er in Mailand sein Architekturstudium. In die folgenden Jahre fällt seine Arbeit für die Porzellanmanufaktur Richard Ginori. 1927 gründete er sein erstes Büro, 1928 die Zeitschrift Domus. Vom neoklassischen Novecento kam er zum Razionalismo und schließlich zu einer schweren Nachkriegsmoderne und weltweiter Bautätigkeit – etwas später vielleicht als einige seiner Zeitgenossen aus der Epoche der klassischen Moderne.
Das englischsprachige Buch ist nach den drei Haupttätigkeitsfeldern Pontis gegliedert. Es geht los mit seiner Arbeit auf Papier, als Publizist, Kritiker und Grafiker. Über 600 Artikel hat Ponti bis zu seinem Tod 1979 geschrieben. Der Architektur ist der mittlere Teil gewidmet, der letzte dem Produktdesign. Schnell wird jedoch deutlich, dass sich in seinem Werk die Sphären kaum trennen lassen. Von Buchillustrationen geht es zu Keramiken, von Zeitschriftentiteln zu Ausstellungen, von Besteck und Geschirr zu Möbeln und Gebäuden. Als Leser*in darf man rätseln, in welcher der Rollen Ponti den größten Einfluss ausübte. Mit Domus prägte er jedenfalls maßgeblich ein neues italienisches Lebensgefühl, dessen internationale Vermarktung in Form von Design er gleich mitübernahm.
Die Publikation ist kein klassischer Coffeetable-Band, wie man es angesichts des Gegenstands vielleicht erwarten könnte. Im Fokus steht eine systematische Aufarbeitung verschiedener Facetten des Gestalters, primär mit dem Mittel des Essays. Visuelle Bedürfnisse kommen aber natürlich trotzdem nicht zu kurz. Sowohl umfangreiches historisches Material inklusive vieler Zeichnungen als auch zeitgenössische Fotografien seiner Bauten sind zu entdecken. Deren Eleganz überzeugt noch heute, was Gio Ponti. More than One absolut empfehlenswert macht.
Text: Stephan Becker
Gio Ponti. More than One. Critic, Editor, Graphic Artist, Architect, Product Designer
Manfredo di Robilant and Manuel Orazi (Hg.)
288 Seiten
Englisch
Lars Müller Publishers, Zürich 2025
ISBN 978-3-03778-763-2
45 Euro
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Buchcover

Gio Ponti mit zwei seiner Superleggera-Stühle.

Skizzen verschiedener Glaswaren, um 1946.
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