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09.12.2015

Elsässer Gesamtkunstwerk

Erweiterung des Musée Unterlinden von Herzog & de Meuron


Von Karin Leydecker

Colmar im Elsass. Die Kleinstadt mit pittoreskem Mittelalter-Ambiente wagt den großen Sprung mit Herzog & de Meuron. Beim internationalen Wettbewerb (im Jahr 2009) zur Erweiterung des Musée Unterlinden überzeugten die Schweizer Architekten mit einem städtebaulich, architektonisch und museologisch gleichermaßen klugen Gesamtkonzept: Es schenkt der Stadt ein neues Herz und gleichzeitig ein faszinierendes Museumsquartier. Die Kosten von 44 Millionen Euro werden von der Stadt Colmar, dem Departement, dem französischen Staat, der Schongauer-Gesellschaft und privaten Stiftern gezahlt. Am 12. Dezember 2015 wird der vielgliedrige Museumscampus nun eröffnet.

„Wir wollten einen Ort schaffen, der für Colmar wichtig ist und zu dem jeder gerne geht, auch wenn er nicht das Musée Unterlinden besuchen will“, beschreiben Herzog & de Meuron die Herausforderung. Dazu wurde unter ihrer Regie das Museumsgebäude – ein gotisches Kloster aus dem 13. Jahrhundert – umgebaut und mit einem durch eine unterirdische Galerie angegliederten dreigeschossigen Neubau erweitert. Trotz Denkmalschutz konnte der Haupteingang zum Museum sinnfällig verlegt werden. Eingebettet sind diese Baukörper in einen durch Rückbau neu geschaffenen Platz. Dieser wird vom freigelegten Sinn-Kanal durchflossen und orientiert sich wieder an der historischen Situation um 1900. Das neue Ausstellungshaus, das im Inneren die Atmosphäre eines gotischen Kirchenschiffs zaubert, trägt eine von schmalen Lichtschlitzen sparsam geöffnete Schuppenhaut aus gebrochenem Klinker und Kupfer.

Typisch für Herzog & de Meuron ist hier das souveräne Spiel mit edlen Materialien. Der trutzige Körper des Neubaus schmiegt sich sanft an die Rückfront der umgebauten historischen Schwimmhalle aus dem Jahr 1906 an. Dieses prachtvolle Jugendstilbad ist ebenfalls in das Ensemble integriert und wird künftig für die Präsentation von Skulpturen und Installationen genutzt. Kunstgriff und Eyecatcher zugleich ist das „Kleine Haus“, das formal an ein typisches Colmarer Altstadthaus erinnert. Dieses Häuschen mit der exponierten Dachmütze versorgt die unterirdische Galerie zwischen dem alten Kloster und dem Neubau mit Tageslicht und ist zugleich ein spektakulär inszenierter, numinoser Ausstellungsraum für drei emblematische Werke des Museums.

Das Musée Unterlinden kann nun auf 8.000 Quadratmetern seine Schätze ausbreiten: Die alte Kunst mit dem prachtvollen Isenheimer Altar und die französischen Meister des 19. und 20. Jahrhunderts, die Grafik und die fotografische Sammlung sowie die kunstgewerblichen Meisterstücke mit Daum und Gallé. Herzog & de Meurons faszinierendes Gesamtkunstwerk mit der rhythmischen Abfolge dreier Raumeinheiten aus drei verschiedenen Epochen mit Kloster, Schwimmhalle und Neubau ist ein unschätzbarer Gewinn für die Stadt: Im harmonischen Kontext mit dem Wasserlauf, dem Park und den Elementen der historischen Denkmalzone Colmars ist es gelungen, den Ort stimmig weiterzubauen. Ein seltener Glücksfall.

Fotos: Ruedi Walti


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