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13.08.2025

Buchtipp: Living Cities

Drei Jahrhunderte Parksysteme


Mit dem kürzlich erschienen Band Living Cities. Three Centuries of Park Systems hat Matthew Skjonsberg eine Art kulturgeschichtliches Good Practice-Kompendium für eine am Gemeinwohl orientierte Stadt- und Landschaftsplanung („Civic Design“) vorgelegt. Wie beim Verlag Park Books üblich, sind sowohl die Gestaltung als auch die reiche Bebilderung mit historischen Plänen, Karten, Fotos und Zeichnungen exzellent. 

Skjonsberg forscht und lehrt in Lausanne beziehungsweise Zürich zu nachhaltigen Landschaften und Siedlungsstrukturen im Kontext von Public Health, unter anderem am Future Cities Laboratory Global der ETH. In 22 chronologisch geordneten Kapiteln präsentiert er Parksysteme – durchgestaltete, netzwerkartig verbundene Park- und Landschaftsräume – seit der Aufklärung um 1700 bis in die 1960er Jahre. Das Buch umfasst Beispiele aus Deutschland, Schweiz, Schottland, natürlich aus England und vor allem aus den USA. Darüber hinaus bietet der Band einen Ausblick auf aktuelle Projekte weltweit, die insbesondere den Klimawandel fokussieren.

Die Darstellung widmet sich im Wesentlichen dem ökologischen sowie gesellschaftlichen Gebrauchswert von Parksystemen. Sowohl im landschaftlichen als auch im städtischen Gefüge verbanden sie bereits im 18. Jahrhundert Naturschönheit und botanisches Interesse mit Erholung und Begegnung. Im Zuge fortschreitender Industrialisierung traten Gesundheit und Bewegung in den Vordergrund, Spiel- und Sportplätze entstanden. Heute bilden zeitgenössische Parksysteme grüne Netzwerke in den Metropolregionen. Dabei werden unterschiedliche Parktypen und -größen zu weitläufigen Lebensräumen verbunden – von Stadtplätzen bis kleinen Nachbarschaftsgärten, Sportanlagen, baumbestandenen Park- oder ruralen Naturflächen, durch Infrastrukturen wie Passagen, Brücken, Alleen, Fuß- oder Radwege.

Die zahlreichen seit Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland entstandenen Volksparks mit ihren nutzerbezogenen Konzepten sind ein hervorragendes Beispiel für eine an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierte Planung. Leider wurden sie nicht in den Band aufgenommen. Dafür wird Johann Wolfgang von Goethes Park an der Ilm in Weimar (1778) als frühes Parksystem vorgestellt. Nach dem unmittelbaren Vorbild des Wörlitzer Parks, entstand er im Stil eines sentimentalen, also die Sinne anregenden englischen Landschaftsgartens mit Sichtachsen, Parkarchitekturen, Obstwiesen und seltenen Baumarten entlang des Flüsschens Ilm. Er wurde sowohl für den öffentlichen Gebrauch sowie als Verbindung angelegt, als „ökologischer Korridor“ zwischen den beiden Schlossparks Tiefurt und Belvedere. 

Als Musterbeispiel des frühen englischen Landschaftsgartens gilt die durch Charles Bridgeman und John Vanbrugh gestaltete Parkanlage in Stowe (1713), die die starre Regelmäßigkeit des Barockgartens überwand. Stattdessen schufen sie durch mäandernde Wegesysteme eine neue Freiheit im Umgang mit Topografie, Baumbeständen, Wasser und Architekturelementen. Als wichtiges Gestaltungselement gilt das Konzept „Ha-ha“, das sich aus dem lautmalerischen Ausruf des Erstaunens ableitet. Es bezeichnet Gräben oder versenkte Mauern, die als unsichtbare Grenze Wild- und Nutztiere fern halten. Gleichzeitig verwoben sie den Park in Stowe optisch mit dem umgebenden, im Zuge der frühen Industrialisierung bereits intensiv genutzten Acker- und Weideland.

Als Verbindung von Parkfragmenten entwarf John Nash die Londoner Regent Street (1806) als „Kulturkorridor“ – eine Planung, die für die Vorstadtentwicklung maßgeblich werden sollte. Am Beispiel von Thomas Telfords Bonar Bridge (1812) führt Skjonsberg die Brücke als „missing link“ und Schlüsselelement ins Infrastrukturrepertoire des Parksystems ein. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstehen in den US-amerikanischen Großstädten – etwa durch Frederick Law Olmstedt und Calvert Vaux – ausgedehnte Parkareale, Boulevards und Uferpromenaden, die mit Blick auf die schnell wachsende Bevölkerung bereits wesentlich auf gesundheitspolitischen Überlegungen basieren.

Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg und in Folge des Eisenbahnbaus sowie der fortschreitenden Besiedelung des Westens wurden auch die großen Naturräume erschlossen. Auf Initiative des Landschaftsarchitekten Olmstedt, der strenge Regulierungen für den Landschaftsschutz forderte, wurden ab 1872 die ersten großen Nationalparks Yellowstone und Yosemite gegründet. Man machte sie für die Öffentlichkeit zugänglich, um die Schönheit der geschützten Natur zu vermitteln.

Selbstverständlich gibt es ein Kapitel über Ebenezer Howards Gartenstädte (1898). Ein interessantes Projekt der Jahrhundertwende ist zudem der Bycycle Highway in Los Angeles (1900), eine aufgeständerte Fahrradstraße als frühes Mobilitäts- und Transportsystem. Ein Kapitel widmet sich der 1909 an der Universität Liverpool gegründeten School of Civic Design, dem ersten Studiengang für Stadtplanung, dessen Programm maßgeblich auf den schottischen Biologen Patrick Geddes zurückging. Er erkannte, dass durch gezielte Gestaltung der räumlichen Umwelt soziale Prozesse initiiert und das menschliche Zusammenleben beeinflusst werden.

Insbesondere in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte das am Gemeinwohl orientierte Civic Design in den USA auch in der Freiraumplanung eine Blütezeit. Einen Markstein bildete 1916 die National Conference on City Planning in Cleveland, die Themen von Sozialreformern und der Bürgerrechtsbewegung aufgriff. Unter den zahlreichen vorgestellten Projekten des 20. Jahrhunderts sind besonders die Frank Lloyd Wrights zu nennen. Bereits in seinen frühen Planungen für Chicago, später Taliesin Valley (1947) oder Los Angeles (1962) verband er Ökologie und Gemeinschaftlichkeit – und erhob die Harmonie zwischen Mensch und Natur zum Prinzip.

Text: Ulrike Alber-Vorbeck

Living Cities. Three Centuries of Park Systems
Matthew Skjonsberg
Englisch
288 Seiten
Park Books, Zürich 2025
ISBN 978-3-03860-363-4 
58 Euro


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