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20.08.2025
Buchtipp: Farbe in der Architektur
Colors und The Color Black
So etwas mag ich: Zwei Bücher, die sich völlig unabhängig voneinander und dennoch fast zeitgleich eines ähnlichen Themas annehmen – und zwar aus zwei völlig unterschiedlichen Richtungen. Gänzlich unabsichtlich ergänzen sich The Color Black und Colors hervorragend, was schon die Einbände erkennen lassen. Das eine Buch ist ein kompakter Ziegelstein mit weißem Softcover, auf dessen Vorderseite schlicht und farblos das Wort Colors eingeprägt ist. Das andere ist ein klassisches Handbuchformat mit matt-schwarzer Hardcover-Hülle. Ein leicht glänzendes Quadrat fungiert als Malevich-Anspielung, darin steht in Dunkelgrau der Titel: The Color Black.
Auch wenn sich außen Schwarz und Weiß ergänzen, so unterschiedlich sind sie im Inneren. Colors ist das Werk des Grazer Kollektivs Diskursiv – Verein für Architekturforschung. Dem Thema Farbe in der Architektur nähern sie sich mit einer vielstimmigen, vollen Breitseite: 20 Beiträge, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Alex Lehnerer widmet sich einem Film von Clint Eastwood, in dem eine Stadt im Wilden Westen von ihren Bewohner*innen rot gestrichen wird, um sich (vergeblich) vor einem Banditenangriff zu schützen. Maria Montresor analysiert die Farbgebung mittelalterlicher Sakralbauten in Florenz und Rom. Rafał Śliwa fragt, ob ein Raum Farbe vermeiden kann und betrachtet dabei Arbeiten von Sigurd Lewerentz und Christian Kerez. Wie man in der Stadt mit intensiven Farben und Grafiken Räume markiert, beschäftigt Francesco Caneschi. Und Julian Müller nimmt uns mit auf eine kleine Tour durch die farbkräftigen Filmräume, die der Produktionsdesigner Ferdinando Scarfiotti unter anderem für American Gigolo (1980) entworfen hat.
Das Ergebnis ist genauso bunt und wild, wie es sich anhört. Die Texte sind locker geschrieben und von erfrischender Kürze, wobei manche Themen durchaus mehr Raum verdient hätten. Das gilt insbesondere für die beiden Interviews mit Max Otto Zitzelsberger und Oda Pälmke. Aber offensichtlich will Colors lieber viele Themen rasch miteinander in Verbindung bringen, auf der Suche nach flotter Kreuzbestäubung. Am Ende ist das Buch so unterhaltsam und inspirierend wie ein gutes Magazin.
The Color Black geht da einen anderen Weg, denn Mohsen Mostafavi nähert sich als Herausgeber seinem Thema mit einer deutlich höheren Intensität. Wo Colors lässig an der Oberfläche surft, taucht The Color Black sofort ab in die dunklen Tiefen seines Themas.
Mostafavi schreibt, Schwarz habe ihn schon lagen interessiert. Aber die Idee für das Buch sei erst durch eine Reihe von Unterhaltungen mit dem Schweizer Architekten Peter Märkli entstanden. Der hätte ihm den Aufsatz „Die Farbe Schwarz: Zur materiellen Konstituierung der Form“ des deutschen Kunstkritikers und überzeugten Marxisten Max Raphael (1889-1952) empfohlen. Den Text gab es damals allerdings nicht in englischer Fassung und die mühsame, selbst übersetzende Lektüre von Raphaels Gedanken habe erst die ganze Faszination des Themas vor Mostafavi entfaltet.
So entstand das Buch The Color Black, das aus drei Teilen besteht: Im ersten schreibt Mostafavi selbst einen äußerst lesenswerten Essay über die Farbe Schwarz, deren Spuren er zuerst in der Kunst, dann in der Architektur folgt. Wie eine Spinne auf Speed knüpft Mostafavi rasch ein immer dichteres Netz mit Fäden von Malevich zu Rothko, von Judd zu Pollock, von Mies zu Märkli oder von Celsing und Ferriss zu Krischanitz und Fujimori. Einen chronologischen Abriss oder eine wissenschaftlich fundierte Übersicht mit Anspruch auf Vollständigkeit darf man nicht erwarten. Es geht um Assoziationen.
Dem folgt im zweiten Teil Raphaels Essay, der nun erstmals offiziell in englischer Sprache vorliegt. Sofort merkt man, wie sehr Mostafavis Formulierungen von Raphaels´ Schreibstil beeinflusst ist. Letzterer rast in ähnlichem Tempo durch Epochen und Stile, immer auf der Suche nach der nächsten dunklen Farbfläche. Jetzt geht es von Rembrandt zu Ghirlandaio, von Frans Hals zu Hans Memeling, um Schwarz als Hinter- oder Vordergrund, als „Farbe der Kleidung“, „Farbe der gesellschaftlichen Repräsention“ oder um „Dunkle Figuren auf dunklem Grund“. Das ist streckenweise ein berauschender Strudel. Gemeinsam zeigen Raphael und Mostafavi den unendlichen Reichtum des Themas.
Abgeschlossen wird das Buch im dritten Teil mit zwei Gesprächen, in denen sich Mostafavi konzentriert erst mit Märkli und dann mit dem Konzeptkünstler Theaster Gates über ihre jeweilige jahrzehntelange Beschäftigung mit der Farbe Schwarz austauscht. Als lockere Konversationen runden diese Dialoge das Buch ab – und wirken dabei wiederum wie ein Verweis auf das bunt-flirrende Colors mit seiner Vielzahl an Stimmen, Beteiligten und Formaten. Beide Bücher sind eine Empfehlung, ob nun für sich genommen oder in wunderbar schwarz-weißer Kombination nebeneinander.
Text: Florian Heilmeyer
The Color Black: Antinomies of a Color in Architecture and Art
Mohsen Mostafavi (Hrsg.), Max Raphael
156 Seiten, Hardcover
Mack Books, London 2024
ISBN 978-1-915743-63-3
45 Euro
Diskursiv No. 2: Colors
Diskursiv (Hrsg.)
384 Seiten
Jovis, Berlin 2024
ISBN 978-3-98612-136-5
28 Euro als Broschur, 28 Euro als E-Book
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Philipp Schaerer, aus der Serie Bildbauten: Bildbau No. 17, Montage

The Color Black: Antinomies of a Color in Architecture and Art

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