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01.08.2012

Balnea. Architekturgeschichte des Bades

Bücher im BauNetz


Thermen der römischen Antike – das ist eine bekannte Kulisse bei der Lektüre von Asterix. Das Frigidarium, Tepidarium und Caldarium mit ihren unterschiedlichen Luft- und Wassertemperaturen werden dort besucht; der Ort diente nicht nur der Entspannung und Reinigung sondern auch als Nachrichtenbörse.
Das antike Bad ist seit rund 2000 Jahren Vorbild für die Bäderarchitektur. Und nicht nur dafür: Palladio studierte die Relikte sehr genau und übertrug einzelne Elemente auf seinen Villenbau. Piranesi feierte in seinen Radierungen die römische Antike und polemisierte gleichzeitig gegen die griechische. Etienne Du Pérac ging analytischer vor und stellte die ursprüngliche Situation der rekonstruierten gegenüber. Andere schufen romantisierende Zeichnungen überwucherter Ruinen. Diese Untersuchungen halfen dabei, die Archäologie im 19. Jahrhundert als wissenschaftliche Disziplin zu verankern.

Mit der antiken Therme im Gepäck entstanden im Lauf der Jahrhunderte unzählige Varianten von Badehäusern: Als Hygiene-Tempel, als verwunschene Grotte inmitten künstlicher Felsen, als je nach Mode orientalisch, chinesisch oder ägyptisch ausgeschmücktes Lustschloss… „inszenierte Badewannen“ heißt es in einem der sehr lesenswerten Beiträge. Von erstaunlich vielen Privat-Bädern beim Hochadel ist die Rede, die nicht nur Repräsentationszwecken sondern tatsächlich auch der Reinigung dienten, sodass man sich fragt, ob das Parfümieren-statt-Waschen am Hof Ludwig XIV ein Vorurteil ist.

Neben den privaten Bädern entstanden ab dem 17. Jahrhundert die Kurbäder. Als eines der ersten nutzte Bad Pyrmont seine Heilquellen. Sie sprudeln noch heute im (mehrfach rekonstruierten) Brunnenhaus. Zur Kur ging, wer es sich leisten konnte. Das waren neben dem Adel zunehmend auch gut betuchte Bürger: Das Kurbad als Bühne für die Durchmischung der Stände ist eine interessante soziologische Begleiterscheinung. Neben den Anwendungen diente der Aufenthalt am Kurort in erster Linie dem Sehen und Gesehenwerden. Alleen, Ballsäle, sogar die ersten Museen entstanden zur Zerstreuung der Gäste.
Seebädern – man hat automatisch die Buddenbrooks vor sich – ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Um ins Wasser zu gelangen, wurden Badekarren erfunden, die zum Meer hin eine Treppe sowie ein ballonförmiges Zeltdach besaßen, damit man beim Untertauchen einigermaßen unbeobachtet blieb. Denn bis Ende des 19. Jahrhunderts die Nudisten eine Gegenbewegung starteten, fand das Baden streng nach Geschlechtern getrennt und verschämt statt.

Das Baden und Schwimmen für die breite Bevölkerung ist eine junge Erscheinung. Die letzten Beiträge des locker chronologisch aufgebauten Buchs behandeln die Typologie des Badeschiffs, seit einigen Jahren in manchen Städten wiederentdeckt, und das Entstehen von Volksbädern. Letztere entstanden aus zunächst werkseigenen Arbeiterbrausebädern für die rasant wachsende Arbeiterschaft mit der Industrialisierung. Eine rein menschliche Geste war die Einrichtung durch die mächtigen Firmenpatriarchen selten: Die „sittliche und moralische“ Erziehung spielte hier mit, das Abhängigkeitsverhältnis wurde eher verschärft. Oscar Lasser, ein echter Reformer, forderte mit seinem berühmten Ausspruch „ein warmes Reinigungsbad per Woche“ Volksbäder für Alle. Bis Privatbäder zur Normalität wurden, war es noch ein großer Schritt.

Balnea von Susanne Grötz, gleichzeitig Projektleiterin der gleichnamigen Ausstellung, und Ursula Quecke zeichnet die Jahrhunderte der Bäder-Architektur mit ihren teils skurrilen Eigenheiten sehr anschaulich nach. Heute absurd klingende Badeverordnungen oder Abbildungen abenteuerlicher Rettungsgeräte machen die Lektüre lebendig, wie auch die Vielzahl historischer Pläne und Zeichnungen und vor allem aufwendig fotografierte Architekturmodelle.
Diese liebevoll von Studenten gebauten Modelle touren mit der Ausstellung seit 2006. Sie macht noch bis 30. August im Musterraum der Bauakademie am Schinkelplatz Berlin Station. (cg)

Balnea. Architekturgeschichte des Bades
Susanne Götz, Ursula Quecke (Hrsg.)
Jonas Verlag, 2006
208 Seiten, gebunden
155 Abbildungen
29 Euro

www. jonas-verlag.de



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