- Weitere Angebote:
- Filme BauNetz TV
- Produktsuche
- Videoreihe ARCHlab (Porträts)
01.10.2025
Buchtipp: Augmentiert und automatisiert
Architecture in the Age of Artificial Intelligence
Laut Neil Leach brauchte es zwei sogenannte Sputnik-Momente – ein Turnier im Brettspiel Go zwischen Mensch und Maschine in Südkorea 2016 und die Markteinführung von ChatGPT 2022 –, um KI in unser aller Bewusstsein zu rücken. Heute durchdringt die Technologie bereits unsere Lebens- und Arbeitswelten. Was das für die Architekturkultur und -praxis bedeutet, erläutert Leach in seinem Buch Architecture in the Age of Artificial Intelligence, das im Mai dieses Jahres in einer zweiten, aktualisierten Auflage im Verlag Bloomsbury Publishing erschien.
Mit zahlreichen Veröffentlichungen und kuratierten Ausstellungen zu digitalem Design gilt Neil Leach als ausgewiesener Experte in diesem Bereich. Er unterrichtet aktuell unter anderem an der Harvard University GSD in den USA, der European Graduate School in der Schweiz sowie der Tongji-Universität in China. Seine Einschätzungen ergänzt er um vielfältige Expert*innen-Stimmen aus der Softwareindustrie, Forschung und Architekturpraxis, die in ihrer Gegenüberstellung die Frage aufwerfen: Wer bestimmt den KI-getriebenen Wandel in der Architektur? Steuern Architekt*innen das metaphorische Auto oder fahren sie nur mit?
Leach resümiert und schließt sein Buch mit zehn Thesen, die prognostizieren, was bis 2030 technisch möglich sein wird. Eine seiner Annahmen beruht auf einem grundlegend veränderten Berufsprofil von Architekten und Architektinnen. Denn obwohl der Vergleich in der Vergangenheit gezogen wurde, verhält es sich mit KI nicht wie mit der Einführung von CAD-Programmen. Es geht nicht primär um eine effizientere Darstellung von Entwürfen, sondern um veränderte Entwurfs- und Herstellungsmethoden: augmentiert, datengesteuert und automatisiert.
In den ersten Kapiteln führt der Autor detailliert durch die technische Entwicklung von KI ebenso wie durch ihre gesellschaftliche Rezeption und leitet mit Fragen nach Kreativität, Urheberrecht und Plagiarismus in die Architektur über. Anschaulich wird es im Kapitel sechs mit einem Einblick in die KI-Anwendungen dreier „high profile architectural practices“: Coop Himmelb(l)au (Wien), Zaha Hadid Architects (London) und Foster + Partner (London). Alle drei setzen die Technologie unterschiedlich ein: In Form eigener oder externer Software, zur Visualisierung und Generierung von Wettbewerbsideen oder zur Beschleunigung der Arbeitsabläufe.
Diese Betrachtung zeigt Potenziale und Vorteile von KI in der Architekturpraxis auf, auch weil die Planer*innen hier die Kontrolle behalten. Allerdings handelt es sich um große, international agierende Büros mit entsprechenden Ressourcen wie Fachkräften, Daten oder Kooperationen. Doch was ist mit mittelgroßen und kleinen Akteuren? Und können bürointerne Entwicklungen wirklich Schritt halten mit rasanten technologischen Neuerungen und hochqualifizierten ebenso wie hochfinanzierten Tech-Startups, die sich auf die Entwicklung von Software spezialisieren?
Vor diesem Hintergrund gestaltet sich das folgende siebente Kapitel für alle Architekt*innen interessant. Anhand der Programme XKool und Forma verweist Leach über deren technische Möglichkeiten hinaus auf die übergeordnete ökonomische Komponente. Er benennt die Wirtschaft als Haupttreiber des Wandels, der progressive Ästhetik und Experimente hintenanstellt. Bauherr*innen, die die Nutzung von KI bei Architekt*innen zur Voraussetzung machen, um im nächsten Schritt ihre Honorare in Frage zu stellen, ist nur eines von Leachs provozierenden Szenarien. So gelingt ihm eine kurzweilige und detaillierte Erzählung zwischen dem unübersehbaren Potenzial von KI und ihren alarmierenden Risiken für die Architektur.
Neben der Berufspraxis stellt sich auch die Frage nach der gebauten Architektur. Wie werden sich unsere Gebäude und Städte verändern? Neben erwartbarer Standardisierung und individualisierter Massenfertigung besteht die Möglichkeit neuartiger architektonischer Formen. Doch Leach führt durch ein anderes Szenario, in dem unsere Städte kaum mehr Raum für neue, stadtbildprägende Architektur bieten. Stattdessen geht es um den Umgang mit dem Bestand, um Smart Cities und das eigene Agieren in einer stetig intelligenter werdenden Umwelt, beispielsweise mittels KI-gestützter Geräte wie Smartphones.
Text: Sophie Marthe
Architecture in the Age of Artificial Intelligence. An Introduction to AI for Architects
Neil Leach
319 Seiten
Englisch
Bloomsbury Publishing, London, New York, Dublin 2025
ISBN 978-1-350-43874-3
22 Euro
Zum Thema:
Mehr zu Künstlicher Intelligenz auf BauNetz Wissen
Kommentare:
Meldung kommentieren










