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03.07.2017

Den Hof machen

Amanda Levete erweitern das V&A in London


Wer sich dem Londoner Victoria and Albert Museum (V&A) von der Exhibition Road näherte, stand bisher vor einer mit einer zwei Meter hohen Mauer geschlossenen Kolonnade. Der Architekt des 1909 fertiggestellten Museumshauptgebäudes, Sir Aston Webb, hatte hier zwar ursprünglich den Haupteingang mit dahinterliegendem Garten vorgesehen, doch während des Baus kam alles anders. Das Geld wurde knapp, die Heizkesselanlage musste außerplanmäßig im Hof untergebracht und durch besagte Mauer vor den Blicken der Passanten versteckt werden. Der Eingang entstand stattdessen um die Ecke in der Cromwell Road.

Mehr als 100 Jahre später wird Webbs Idee nun doch noch Realität: Im Rahmen der bisher größten Erweiterung des Museums, dem Exhibition Road Quarter, wurde die Mauer entfernt und die Besucher können das V&A sowie seinen auf spektakuläre Weise neu aktivierten Hof seit dem 30. Juni durch den Säulengang betreten. Die Planung stammt von AL_A (London), die 2011 einen internationalen Wettbewerb gewonnen hatten, der nach dem gescheiterten Anlauf von 1996 ausgeschrieben worden war.

Um ein Haar wäre die Maueröffnung am Denkmalschutz gescheitert – die hier sichtbaren Zerstörungen von Bombensplittern aus dem Zweiten Weltkrieg sollten erhalten bleiben. Doch der Blick ins Archiv und auf Webbs ursprüngliche Pläne für diesen Gebäudeteil konnte die Denkmalbehörde zu einem Kompromiss bewegen: Im Zuge des Umbaus wurde die Kolonnade Stein für Stein abgetragen, vermessen und ohne die Mauer wieder aufgebaut. Nun verschließen des Nachts perforierte Aluminiumtore den Eingang, die Weltkriegsspuren wurden an den ursprünglichen Stellen in sie eingearbeitet und sind so noch immer anwesend.

Zudem schafft der Eingriff eine neue, bessere Zugänglichkeit und die lange vermisste Verbindung zwischen Straße und Museumsgelände. Der einst von außen nicht zu betretende Sackler Courtyard ist nun tagsüber ein öffentlicher Platz – noch dazu ein sehr außergewöhnlicher: AL_A haben ihn komplett mit 11.000 weißen und farbig glasierten Porzellankacheln fliesen lassen – eine Bezugnahme auf die Sammlung des Kunstgewerbe- und Designmuseums. Die Neugestaltung des Hofes ist zugleich eine Geste der „Sichtbarmachung des Unsichtbaren“, wie Amanda Levete es audrückt, nämlich ein direkter Verweis auf die neue Ausstellungshalle, die Sainsbury Gallery.

Diese liegt 18 Meter unter dem Hof verborgen, seine Beschaffenheit – das Muster, in dem die Kacheln angeordnet sind, und die Höhenunterschiede in seinem Verlauf – resultiert aus der Geometrie ihres Daches und zeichnet dessen Struktur nach. Die unterirdische Halle, mit der sich die Ausstellungsfläche des Museums um 1.100 Quadratmeter vergrößert, kommt völlig ohne Stützen aus. 38 Meter wurden mithilfe einer Stahlstruktur überspannt, deren im Dreieck gefaltete Träger eine dramatisch zerklüftete Deckenskulptur formen. Sie beeindruckt nicht nur von unten, sondern auch von oben: Rot eingefärbt als Referenz auf den roten Samt vieler Museumsvitrinen ist sie partiell durch eine große Fensteröffnung sichtbar, die in den Boden des Vorplatzes eingelassen wurde und die Galerie mit Tageslicht versorgt.

Ein ebenfalls mit Fliesen gedeckter, pavillonartiger Anbau auf der Nordseite des Hofes nimmt ein Café und einen Museumshop auf. Direkt gegenüber der Kolonnade liegt der neue Haupteingang des Museums, die Blavatnik Hall. Sie trennt den Sackler Courtyard vom zentralen Innenhof, dem John Madejski Garden, großzügige Verglasungen auf beiden Seiten schaffen erstmals eine visuelle Verbindung zwischen diesen Anlagen. Von hier aus führt eine große Treppe hinunter zur Sainsbury Gallery. Anfangs erlaubt ein Oberlicht Blicke auf die historische Bausubstanz des Aston-Webb-Baus und den Henry-Cole-Flügel sowie eine hier befindliche Sgraffitto-Fassade. Derartige Verknüpfungen zwischen Altem und Neuem zu schaffen, war den Architekten besonders wichtig, wollten sie doch explizit die Geschichte des Museums neu erzählen. Je weiter die Besucher nach unten steigen, desto mehr nimmt das Tageslicht ab. Und umso leuchtender erscheint das Rot des wuchtigen Tragwerks der Halle und des Platzes, das hier offenliegt. Die architektonischen Interventionen von AL_A erweitern das Museum nicht nur räumlich, sondern ergänzen auch dessen Sammlung um einige ingenieurtechnisch meisterhafte Exponate. (da)

Fotos: Hufton + Crow, AL_A


Zum Thema:

Die Einweihung des Exhibition Road Quarters wird derzeit vom V&A gebührend gefeiert – mit einem einwöchigen, noch bis zum 7. Juli dauernden Festival. Unter dem Motto „Reveal“ gibt es Musik, Mode, Kunst und Illuminationen zu sehen: www.vam.ac.uk/exhibitions/reveal


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