Crystal Talk
Text: Axel SimonFotos: Hertha Hurnhaus, Mageritha Spiluttini

Profil

Profil delugan


Jüngst gewannen sie, wie so häufig, einen Wettbewerb: ein Hotelhochhaus am Münchner Olympiapark, das selbst die BMW-Welt daneben lahm aussehen lässt. Es überrascht, dass gerade diese Architekten mit Sozialem Wohnungsbau groß geworden sind.

Sie haben es nicht nötig, mit einem schrillen Büronamen auf sich aufmerksam zu machen, wie man es gerade in Wien so liebt. Lautmalerisch entsprechen die beiden Hälften des Namens ziemlich genau dem, was das Büro umtreibt: Delugan = flüssig, fließend, weich; Meissl = messerscharf und zackig unterwegs. Die expressiven Baukörper des Büros sind eine Melange der frühen Zaha Hadid mit der späten, sind fliegende Bauten und fliehende Räume – Räume, die oft eigentlich nur ein Raum sind und die demjenigen, der sich in ihnen aufhält, das Gefühl geben, er sei zu kurz auf der Welt, um alles zu erleben.

Seit vier Jahren heißt das Büro Delugan Meissl nun DMAA (Delugan Meissl Associated Architects). Die neue Formel ist zwar weder in den eigenen, noch in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, ist aber Zeichen von Verjüngung, Vergrößerung und damit Erfolg: 2004 traten die drei langjährigen Mitarbeiter Dietmar Feistel, Martin Josst und Christopher Schweiger als neue Partner an die Seite von Elke Delugan- Meissl und Roman Delugan, die 1993 das Büro gegründet hatten, damals erst 34 respektive 30 Jahre jung.


Pole Position

Der Mischek-Tower, noch immer höchstes Wohnhaus Österreichs, war damals nicht nur ihr erstes Bauwerk, er war auch ihr „Waterloo“: Ihre engagierte Suche nach innovativen Wohnungen zerschellte an der harten Investorenrealität und ging am Ufer der Donau baden. Im Innern des Hochhauses in der Donaucity findet sich außer der ungewohnt großen Raumhöhe von 2.70 Metern ab der zehnten Etage und dem repräsentativen Eingangsbereich des Hauses nichts mehr aus der Feder der Architekten. Dem kurz vorher fertig gestellten «Balken» daneben, einem von Stützen hoch gewuchteten, mächtigen Wohnriegel, erging es etwas besser: Die Raumaufteilung der (geförderten) Wohnungen bestimmten Delugan Meissl. Prägend bei diesen beiden ersten Bauten des Büros sind zwei Themen, die es bis heute umtreiben: der sich vom Boden lösende Baukörper und das grafische Behandeln der Fassaden mittels aufgedruckten Mustern.


In den ersten Jahren des Büros bestimmte das Reiben ihrer Ideen am Faktischen die Arbeiten – kein Wunder, handelt es sich doch beinahe ausschließlich um Gebäude des Sozialen Wohnungsbaus. Bemerkenswerte Bauten, trotz allem, denn die Architekten verstanden es, Teile ihrer Intention in die gebaute Wiener Wirklichkeit zu retten. So findet sich zum Beispiel unter dem «Hut» des Wohnhauses am Paltramplatz – einem Raum greifenden Volumen aus perforiertem Blech – ein veritabler Gemeinschaftsbereich mit Sauna, Dachterrasse und phantastischem Ausblick. Hinter dem Wohnhaus an der Wimbergergasse findet sich hofseitig eine «Landschaft» sich verschränkender Büroriegel mit Licht- und Erschließungsschluchten und grünen Dachhängen. Bei den City-Lofts am Wienerberg schließlich entwickelten die Architekten aus einem niedrigen Schlafbereich, einem höheren Wohnbereich und unterschiedlich breiten Einheiten 47 Wohnungen, bei denen keine der anderen gleicht. Scheinbar allzu progressive Ideen, wie Autoaufzüge zu den Wohnungen, Lofts oder Multifunktionsmöbel, blieben bei diesen «reality checks» auf der Strecke – doch es scheint nur eine Frage der Zeit, wann sie zum Einsatz kommen.



Turning Point

Im Jahre 2003 stellten Elke Meissl und Roman Delugan ihre eigene Wohnung fertig. Sie bildet das neue Dach des Bürohauses, das ihrem eigenen Büro gegenüber liegt. Mit den flüssigen Räumen, den sausenden Kanten und dem gewagtem Schnitt ihres Penthouses formulierten sie ihr Ideal von Architektur. Eine «Wohnung als Plattform für einen nomadischen, individualistischen Lebensstil», nannte es Bart Lootsma, als „irgendwas zwischen Barbarella und John Lautner“, schilderte es mir ein Freund, bevor mich Roman Delugan in sein Reich führte. Keine Architektur die brennt, aber eine, die kurz davor ist abzuheben! Eine Alu-Brüstung wölbt sich hoch und wird zur Dachschürze, ein schmaler Pool trennt die Dachterrasse vor dem Abgrund und durch einen (statisch tragenden!) Glasschlitz unter der schwarzen Lederlandschaft blickt man hinunter Richtung Straße. Der Boden wird Rampe wird Boden und das eingebaute schneeweiße Bett der Architekten steht mit dem Fußende so nah am Glas und damit am Panorama von Wien, dass es wohl eine gehörige Portion Selbstbewusstsein braucht, hier gut zu träumen. Gemütlich, so meinte einst der Wiener Karl Kraus, bin ich selber.

Ihr Haus, genannt «Ray 1», bedeutete für Delugan Meissl auch einen exponentiellen Sprung in der medialen Wahrnehmung. Kaum ein internationales Lifestylemagazin, in dem sich nicht ein Bild der Wohnung fand. Die Neue Zürcher Zeitung sah in ihr „typisch wienerisch“ eine „humoristische Komponente“, während der Standard aus Wien eher Schweizerisches konstatierte, nämlich den „unbedingten Wille zur Perfektion, noch im allerletzten Detail“. Und auch wenn man meint, in der Komplexität der Schnittfigur ein spezifisches Element der Wiener Moderne zu entdecken: Die Architektur von Delugan Meissl ist weniger Adolf Loos verpflichtet als einer internationalen, ja universellen Vorstellung von Moderne. Die Erscheinung des Materials, der Konstruktion, des Gebrauchs – alles wird weit gehend neutralisiert, in den Dienst des Raumes gestellt, auf das sich dieser umso deutlicher entfalten kann. Alltag, so scheint es, lassen diese Räume zwar zu. Lieber aber wäre ihnen wilder Sex und fliegende Messer – filmreifes Leben eben.

Stealthbomber

Was für den Raum gilt, gilt für die Baukörper umso mehr. Auch hier spielen tektonische Themen selten eine Rolle: Wie etwas gefügt ist, soll niemanden belasten. Dass viele Werke des Büros von einer ähnlichen Formensprache geprägt sind, ist ebenso offensichtlich wie die Vorliebe für Weiß und Schwarz. Das „Haus RT“, der Tisch „Dark Star“ und die Türklinkenserie für Hewi entsprechen jeder für sich dem, was der Beschlaghersteller „dynamisch gefaltete Silhouette“ nennt: eine schwarze Oberfläche, gebildet aus dreieckigen Facetten. Zufall? Wohl eher der forcierte Versuch, Formen in Bewegung zu versetzen. Jedenfalls sei es kein bewusstes Branding der Marke „Delugan Meissl“, sagen die Urheber.



Schaut man auf die Bilder der momentan im Entstehen begriffenen Projekte von Delugan Meissl – und es gibt derer viele – so lässt es sich nicht von der Hand weisen: Bewegung ist eines ihrer Hauptthemen, und das betrifft Objekt genauso wie Raum: Das Porsche Museum in Stuttgart-Zuffenhausen (Ende des Jahres soll es fertig sein) ist eine Ode an die Geschwindigkeit, auch wenn (oder vielleicht gerade weil) die Autos des Konzerns nur noch selten so sausen können, wie auf den Renderings des Projekts. Das Museum, in dem es nicht um sich bewegende Boliden, sondern um bewegte Bilder geht, soll nächstes Jahr die Tore öffnen: das Filmmuseum in Amsterdam, eine Skulptur «intense repose», wie die Architekten selber sagen – und wie sie auch ihre Ausstellung nannten, die 2006/07 durch Europa tourte. Übersetzen könnte man das wohl am ehesten mit «spannungsvoller Ruhe». Diese beiden im Bau befindlichen Kulturhäuser sind – trotz gewichtigem Auftragsportfolio mit Projekten wie dem Winterfestspielhaus Erl oder dem FH Campus in Wien – die mit Spannung erwarteten Hauptwerke von Delugan Meissl, die wohl für einen nochmaligen Ligawechsel des Büros sorgen werden.