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Text: Friederike MeyerFotos: Torsten Seidel, Kurt Hörbst, Ziegert Roswag Seiler

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„Mit Lehm kann man doch kein Geld verdienen.“ An diesen gut gemeinten Ratschlags eines Professors, damals in Leipzig während des Diploms, erinnert sich Christof Ziegert (Jg. 70) gern zurück, wenn er heute in Abu Dhabi auf der Baustelle steht, als promovierter Bauingenieur und Vorstandsmitglied des Dachverbands Lehm. Die Aufträge aus dem Ausland unterhalten mittlerweile einen Großteil des Büros, das er 2003 mit dem Architekten Eike Roswag (Jg. 69) und dem Bauingenieur Uwe Seiler (Jg. 66) gegründet hat und das derzeit 16 Mitarbeiter beschäftigt. In der Oasenstadt Al Ain, zwei Autostunden entfernt von Dubai haben sie gerade ihr bisher größtes Projekt fertig gestellt: den Umbau der historischen Festungsanlage Al Jahili zum Besucherzentrum mit einer Dauerausstellung über den britischen Reiseschriftsteller und Fotografen Wilfred Thesiger.

Die Kulturbehörde des Emirats, die Abu Dhabi Authority for Culture and Heritage (ADACH), hatte das für seine Erfahrung mit Lehmbauten bekannte Berliner Büro um fachliche Unterstützung gebeten. Denn Al Jahili ist einer von rund 60 historischen Lehmbauten in der Region und vermutlich die berühmteste Festungsanlage der Vereinigten Arabischen Emirate. Sein runder Wachturm dient als Logo eines Trinkwasserherstellers, als Illustration des 50 Dirham Geldscheins, und er hat damals auch dem UAE-Pavillon auf der Expo in Hannover Modell gestanden. Mit dem Umbau der Anlage will die ADACH ein Paradebeispiel für die Potentiale des Lehmbaus schaffen, denn die dicken Lehmwände und Dachbalken aus geviertelten Palmenstämmen stehen für die Bautradition der Wüste. Auf dieser Basis soll ein neuer Tourismus entstehen, jenseits von Shoppingmalls und klimatisierten Phantasiewelten wie sie in den Küstenstädten zu finden sind.


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Die Strategie der Architekten und Ingenieure, die lokalen Baustoffe wieder zu verwenden (Lehm für Wände und Böden, Palmstämme und -Blätter für das Dach) und durch Notwendiges für die neue Nutzung zu ergänzen und alles mit handwerklicher Präzision umzusetzen, führte zum Erfolg. Sheikh Sultan bin Tahnoon Al Nahyan, der Direktor von ADACH, kam mit großer Entourage und vier Kamelen zur Eröffnung. Er schien zufrieden mit dem Ergebnis, ein Folgeauftrag ist schon in Sicht.

Ziegert, Roswag und Seiler sind deutsche Ingenieure – verbindlich, gründlich, diszipliniert. Nicht nur diese typisch deutschen Eigenschaften werden im Ausland geschätzt. Auch die Fachkunde, die auf ihre handwerkliche Vorgeschichte zurück geht: Roswag hat vor dem Studium als Tischler, Seiler und Ziegert haben als Maurer gearbeitet. Da gab es die ersten Kontakte mit Lehm.

Mit ihrer Überzeugung vom Bauen mit nachwachsenden Materialien und ihrer Vorliebe für den alten, beliebig oft wieder verwendbaren Baustoff Lehm standen Ziegert Roswag Seiler lange Zeit gegen den Trend. Eike Roswag erinnert sich an die lächelnden Gesichter an der TU Berlin, als er Häuser aus Lehm entwarf, und an sein wenig interessiertes Umfeld, als er vor sieben Jahren Hals über Kopf nach Bangladesch fuhr, um mit der österreichischen Architektin Anna Heringer gemeinsam eine Schule zu bauen.

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Dort ging es um die Verbesserung der lokalen Lehmbauweise, die den jährlichen Überschwemmungen nicht standhält. Heringer und Roswag lernen von den einheimischen Handwerkern und entwickeln mit Ziegert und Seiler neue Details. Als sie erfüllt von der Wärme der Menschen nach Deutschland zurückkehren, ordnet man ihre Erfahrungsberichte als Selbsterfahrungstrip ein, bis die „School handmade in Bangladesh“ im Jahr 2007 den Aga-Khan-Preis für Architektur erhält. Schlagartig gilt Eike Roswag als anerkannter Lehmbau-Architekt, sitzt auf Podien, in Jurys und vor den Mikrofonen der Journalisten. Dem staunenden Publikum erzählt er von eigentlich ganz selbstverständlichen Dingen: vom Respekt und vom Miteinander.

Roswag ist derjenige, der die Haltung des Büros für die Öffentlichkeit in Worte fasst, und ist als Architekt verantwortlich dafür, den Bauten ein angemessenes Gesicht zu geben. Uwe Seiler hingegen rechnet und tüftelt lieber im Stillen. Und Christof Ziegert, der Lehmbaufachmann, ist zur Stelle, wo immer in Deutschland Lehmbauten entstehen, mal als Planer, mal als Schadensgutachter. Professurangebote hat er aus Furcht vor der zeitraubenden bürokratischen Hochschulstruktur bisher abgelehnt. Wichtiger ist ihm, die Projekte des Büros persönlich betreuen zu können. Die Stampflehm-Schule in Marokko, die gerade geplant wird, die Bauten in mosambikanischen Dörfern und nicht zuletzt die Häuser in Deutschland: In der Märkischen Schweiz neben einer Feldsteinscheune zum Beispiel haben sie Lehmwände für ein Wohnhaus gestampft, in Zusammenarbeit mit Guntram Jankowski aus der früheren Bürogemeinschaft und Partnerschaftsgesellschaft einem anderen Haus in Berlin ein schilfrohrgedämmtes Obergeschoss aufgesetzt und im brandenburgischen Neuseddin ein Feuerwehrgerätehaus in Holz konzipiert.

Nicht nur entwerfen, sondern auch selber bauen können, lautet eine Devise des Büros, zwei andere heißen: das Teilen von Wissen ist keine Einbahnstraße und Bauen ein gemeinschaftlicher sozialer Akt. Sie sehen sich eher als Partner denn als Helfer, und glauben, dass sie von den Menschen viel mehr mitnehmen, als sie ihnen geben können. In Abu Dhabi ermöglichen sie den indischen Lehmbauern derzeit, den Einsatz von Maschinen zu erproben, und sorgen dafür, dass diese nach wenigen Wochen zurück in die Heimat zu ihren Familien fahren. Demnächst wollen sie Englisch- und Lehmbauunterricht geben und im Austausch dafür Arabisch lernen. Das nächste Projekt, ein luxuriöses Oasenrestaurant, ist gerade in Planung.

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