Crystal Talk
Text: Norman KietzmannFotos: Asymptote Architecture

Profil

Profil Rashid


Dass Architektur weit mehr sein kann als physische Präsenz, haben Hani Rashid und Lise Anne Couture mit ihren Projekten bereits früh gezeigt. Im beruflichen wie im privaten Leben ein Paar, arbeiten sie und ihr New Yorker Büro Asymptote an der Überschneidung von realem und virtuellem Raum. Waren ihre Entwürfe anfangs noch weit von einer konkreten Bauaufgabe entfernt, planen sie derzeit eine Vielzahl von Großprojekten rund um den Globus. Der Sprung vom Maßstab eines Wolkenkratzers auf den einer Armbanduhr gelingt ihnen dabei mühelos.

Hani Rashid und Lise Anne Couture haben bereits gebaut, als sie noch gar nicht bauen durften. Mit ihren Entwürfen eines virtuelles Handelsparketts für die New Yorker Börse oder eines virtuellen Guggenheim Museums haben sie Architekturen entwickelt, die einzig für den virtuellen Raum gedacht waren. Die Konventionen „normaler“ Architektur, von den Gesetzen der Schwerkraft und der Statik bis hin zu Fragen der Materialität und des Budgets wurden von ihnen bewusst außer Kraft gesetzt. Das Zeitliche, das Veränderliche sowie das Spiel mit der menschlichen Wahrnehmung wurden stattdessen zu den Parametern ihrer medial geprägten Bauweise.

Die ersten Schritte auf dem Gebiet der Architektur begannen dabei sowohl für Hani Rashid als auch für Lise Anne Couture auf theoretischer Ebene. Rashid, der 1958 in Kairo als Sohn einer Britin und eines Ägypters geboren wurde, wuchs in England und Kanada auf, wo er an der Carleton University in Ottawa seinen Bachelor in Architektur absolvierte und schließlich an der Cranbrook Academy of Art in den USA seinen Master erhielt. Bereits 1989, als er zusammen mit Lise Anne Couture eine Bürogemeinschaft mit dem Namen Asymptote in New York gegründet hatte, übernahm er einen Lehrauftrag an der Columbia Universitity und entwickelte für diese 1992 ein Programm und 1995 eine Initiative für digitales Design. Nach Gastprofessuren und Vorlesungen an der Royal Danish Academy in Kopenhagen, dem Southern California Institute of Architecture in Los Angeles, der Lund University in Schweden sowie dem Berlage Institut in Rotterdam übernahm er 2007 den Kenzo Tange Lehrstuhl der Harvard Graduate School of Design sowie eine Professur an der ETH in Zürich. Lise Anne Couture, die 1959 in Montreal geboren wurde und in Yale Architektur studierte, erhielt ebenfalls mehrere Gastprofessuren an den Universitäten Princeton, Harvard, Columbia und Yale.



Waren die Anfangsjahre fast ausschließlich von theoretischen oder virtuellen Projekten geprägt, wurde 2002 mit dem HydraPier Pavillon im niederländischen Haarlemmermeer schließlich ihr erstes Gebäude fertig gestellt. Mit seiner organisch weichen Formensprache sowie einer gleichzeitig sehr technisch futuristischen Anmutung sorgte der direkt an einem See gelegene Pavillon international für Aufmerksamkeit und brachte ihnen in der Folge weitere Aufträge ein. Der Durchbruch gelang schließlich 2006, als sie den Wettbewerb für das „World Business Center“ im südkoreanischen Busan für sich entscheiden konnten, mit einer geplanten Höhe von 560 Metern künftig das höchste Gebäude im asiatischen Raum. Der markante Entwurf, bestehend aus drei unterschiedlich hohen „Fingern“, variiert in seiner Gestalt je nach Blickwinkel des Betrachters und lässt sich nie aus einer einzigen Perspektive vollständig einfangen. Bereits ein Jahr später konnten Hani Rashid und Lise Anne Couture den Wettbewerb für das „Global City Center“ im malaiischen Penang gewinnen, einen zusammenhängenden Gebäudekomplex aus Wohnen, Arbeiten, Hotel und Kulturbauten, der sich mit seiner futuristischen Erscheinung betont von der üppigen Vegetation seiner Umgebung abhebt. Mit dem „Strata Tower“, einem luxuriösen Apartmentturm mit markanter seitlicher Drehung, errichten Asymptote nun auch ein Gebäude in Abu Dhabi. Wirkt dieser von seiner Gestalt so weich, als wäre er vom Wind geformt, wirkt das derzeit in New York im Bau befindliche Apartmentgebäude „166 Perry Street“ mit seinen Fassaden aus geneigten gläsernen Scheiben wie ein geschliffener Kristall.




Erreichen Gebäude wie das „Busan World Business Center“ Höhen jenseits eines halben Kilometers, gelingt ihnen andererseits der Sprung auf den Maßstab fingergroßer Produkte. So entwarf Hani Rashid eine Reihe von Büroaccessoires und Armbanduhren für die italienische Designschmiede Alessi sowie eine futuristische Interpretation des klassischen Kristallkronenleuchters für die Firma Zumtobel. Bei ihrem für die britische Möbelmarke Meta entworfenen Tisch „Ivo_03“, einer Kombination aus einem in Wellen geschlagenen, metallenen Sockel und einer gläsernen Tischplatte, kamen sogar Verarbeitungsmethoden aus dem 18. Jahrhundert zum Einsatz, die mit der futuristischen Formensprache des Entwurfs einen spannenden Kontrast erzeugen. Immer wieder haben Hani Rashid und Lise Anne Couture ihre Arbeiten auch im Kontext von Museen und Ausstellungen gezeigt wie 2007 auf der Documenta oder 2008 auf der Architekturbiennale in Venedig. Ihre dort gezeigte Installation „Prototyping the Future: Three Houses for the Subconsious“ besteht aus mehreren modularen Objekten, die einerseits Assoziationen an Knochen und andere organische Formen wecken, zugleich aber ihren High-Tech-Charakter nicht verbergen.

Dass trotz der immer größer werdenden Bauaufgaben das Interesse an solch „kleinen“ Projekten weiter besteht, ist betont Programm. Schließlich gilt es im kleinen Maßstab Formen, Strukturen und Mechanismen zu erkunden, die als Vorbilder für tatsächliche Gebäude dienen können. Nicht alle Projekte folgen daher immer einem konkreten Auftrag sondern sind häufig auch rein experimenteller Natur. Erst im August dieses Jahres haben Hani Rashid und Lise Anne Couture ihr altes Büro am Broadway verlassen und sind weiter westlich in Richtung Hudson River gezogen. Dort steht für das mittlerweile auf über 70 Mitarbeiter angewachsene Team genügend Platz zur Verfügung, damit der gewünschte Werkstattcharakter auch weiterhin erhalten bleibt. Man darf gespannt sein, was dort in den kommenden Jahren noch entstehen wird.

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