Crystal Talk
Text: Axel SimonFotos: Hertha Hurnhaus, Mageritha Spiluttini

Interview

Interview delugan

Die Darstellung von Geschwindigkeit spielt bei euren Projekten eine wichtige Rolle. Woher kommt dieser Wunsch nach Dynamik?


Roman Delugan: Wir mögen’s in unserem Leben generell gerne „dynamisch“. In unseren Projekten, unserer Arbeit versuchen wir das Zukünftige einzubeziehen - auch das impliziert Bewegung. Diese spielt in unserer Architektur zweifellos eine große Rolle, ist aber nicht der einzige Entwurfsparameter. Erst in der Kombination mit einem statischen, ruhenden Raum kann sich Dynamik wirklich ausdrücken. Diese Dualität ist uns wichtig. Zum Beispiel das Konzerthaus in Erl: Von außen ein dynamisch konzipiertes Volumen zweier ineinander greifender Körper. Das Übertreten der Schwelle, der Eintritt ins Innere ist voller Spannung, im Konzertraum selbst findet man Ruhe und Konzentration, für die Aufführungen – auch das muß qualitätsvolle Architektur leisten. Es gibt kein Markenzeichen: Delugan Meissl = dynamisch.


Dietmar Feistel: Ein wesentlicher Aspekt ist sicher die Erscheinung unserer Gebäude. Man sollte Dynamik aber nicht auf etwas rein Formales beschränken. Unsere Projekte im Sozialen Wohnbau sind keine gestapelten Einheitsschachteln, die Auslegung von Dynamik ist vielmehr eine generelle Haltung gegen starre Systeme.

Auf eurer Website nennt ihr Architekten, die ihr aus verschiedenen Gründen schätzt. Sieben von Neun sind aus dem angelsächsischen Raum, d.h. fast alle gehören einer anderen Tradition an als ihr.

Elke Delugan-Meissl: Wir schätzen die Arbeit dieser Kollegen, machen sie uns aber nicht zu Eigen. John Lautner, Oscar Niemeyer … geben Inspirationen. Völlig unabhängig davon bündeln sich in unserer Arbeit die verschiedensten Kräfte - Sequenzen und Momentaufnahmen ganz anderer Zusammenhänge - auch Emotionen.





Roman Delugan: Ich finde es wenig spannend, sich in einem begrenzten Segment zu bewegen. Es gibt viele, oft sogar chaotische Einflüsse, die man nicht immer konkret benennen kann. Fahrzeuge, Landschaften oder andere Images haben natürlich Einfluss auf die Entwurfsarbeit. Die Arbeit als offenes System zu betrachten, sich keiner Schule oder Gruppierung zuzuordnen, entspricht unserer Herangehensweise.

Elke Delugan-Meissl: Wir folgen ja keinem Trend, sondern haben, wie Du schon gesagt hast, den Anspruch, alle Möglichkeiten zuzulassen.

Nicht das was ist, interessiert euch, sondern das was kommt?


Elke Delugan-Meissl: Wir sind natürlich nicht in der Lage allumfassend zu wissen, was kommt und versuchen, z.B. im Wohnbau mit unseren Konzepten auf jetzige und sich verändernde Lebensformen zu reagieren.

Das heisst, ihr sucht nicht Formen, die bewusst aus dem Heute heraus weisen?

Elke Delugan-Meissl: Formen und Lebensräume zu generieren, die in der Zukunft Bestand haben, ist unser Ziel. Modern versus modisch.

Christopher Schweiger: Ich denke wenn es um Formen geht, streben wir nach einem starken zeitlosen Statement. In Bezug auf die Zukunft geht es um Funktionales – womit wird man angesichts der rasanten Entwicklungen etwa in zwei Jahren konfrontiert sein? Wohin bewegt sich die Gesellschaft? Wohnen der Zukunft, Museum der Zukunft: das kitzelt, das ist eine Herausforderung. Formal gibt es eher Eigenständigkeit, Zeitlosigkeit.

Gibt es zeitlose Formen? Oder kommen bei dem Versuch, die Gebäude aus Zeit und Konvention hinaus zu heben nicht Formen heraus, die irgendwo zwischen Futurismus und Retro angesiedelt sind, wie z.B. bei Oscar Niemeyer?


Dietmar Feistel: Jetzt haben sie von Konventionen gesprochen – das ist der richtige Begriff! Eine unkonventionelle Form entspricht ja nicht per se einer futuristischen Form.

Elke Delugan-Meissl: Sprechen wir doch nicht nur über Formen sondern vielmehr über Inhalte. Was sind die Ziele, die wir anstreben? Atmosphäre, spezifisch erlebbare Räume, die nutzeradäquat konzipiert sind, aber auch zukünftigen Nutzungen gerecht werden. Die Entwurfspriorität liegt nicht darin, Volumina zu konzipieren, die möglichst dynamisch und gefaltet sind. Der Entwurfsprozess unterliegt einer intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung. Die Formensprache ist ein Resultat dieser Überlegungen.

Ihr redet von Experiment, davon, dass ihr jede Aufgabe neu angeht. Trotzdem haben eure Projekte eine starke formale Verwandtschaft untereinander. Ist das nicht ein Widerspruch?

Roman Delugan: Die Wiedererkennbarkeit ist nicht Programm unserer Arbeit, aber durchaus ein Faktum. Wir verändern uns ja nicht tagtäglich. Nichtsdestotrotz sind die Projekte bei genauer Analyse verschieden, reagieren auf die konkreten Anforderungen unter Beibehaltung einer gemeinsamen Sprache.


Martin Josst: Innerhalb dieser Sprache hat ja in den 15 Jahren des Büros eine starke Transformation stattgefunden. Ich weiß nicht, wie die Projekte in den nächsten fünf Jahren aussehen. Vielleicht ist in dieser Zeitspanne wieder eine Ähnlichkeit ablesbar, aber es findet eine Entwicklung, ein Prozess statt. Im Vordergrund steht eine konkrete Lösung, für eine konkrete Aufgabenstellung entwickeln und nicht, dass wir uns in einen formalen Überbau einordnen.

Es gibt Büros, bei denen sieht jedes Projekt anders aus. Und es gibt Büros – und ich glaube, ihr gehört zu diesen – bei denen es einen starken, verbindenden Faden gibt. Bei euch gibt es den sogar zwischen den verschiedenen Maßstäben. Eine Türklinke ähnelt einem Tisch, ähnelt einem Wohnhaus…

Dietmar Feistel: Ob Wohnhaus, Porsche- oder Filmmuseum – überall stand die Idee des Experimentes im Mittelpunkt. Die Form, die daraus entstanden ist, ist Resultat dieser Überlegungen. Das Experiment bestand nicht darin, noch nie da gewesene Formen zu entwickeln. Es ist die Idee des Gebäudes selbst, der Inhalt ist das Experiment.




Delugan Meissl gibt es jetzt 15 Jahre. Vor vier Jahren kamen zu den beiden Partnern drei weitere hinzu. Was bedeutete das für das Büro?

Elke Delugan-Meissl: Wir können die Kräfte besser bündeln, können breiter gefächert agieren. Die Zusammenarbeit mit den drei Partnern besteht schon wesentlich länger. Die Inhalte unserer Arbeit haben sich nicht verändert.

Die Spanne von euren Aufträgen ist gross: Vom Bodenständigsten, dem Sozialen Wohnungsbau, bis zum exklusiven Museum für Porsche. Wo liegt euer Herz?




Elke Delugan-Meissl: Wir sind nicht auf ein einziges Thema oder eine Sparte fixiert, wollen das Spektrum möglichst offen halten und sehen im Produktdesign den gleichen Lustgewinn, wie im Entwurf eines Museums. Es gibt noch viele Aspekte der Architektur, die uns interessieren und mit denen wir uns zukünftig auseinandersetzen möchten.


Dietmar Feistel: Beides hat seinen Reiz: Dinge, die man schon mal gemacht hat, neu anzudenken oder einem völlig neuen Thema zu begegnen. Wir sind wohl nicht ohne Grund Architekten geworden, weil wir die Welt eben genauso sehen: möglichst weit gefasst.



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