Crystal Talk
Text: Oliver HerwigFotos: Florian Holzherr

Interview

Interview Allmann Sattler Wappner

GELASSENHEIT IST UNSERE HAUPTQUALITÄT.

Markus Allmann über Qualität(en) und Strategie des Büros Allmann Sattler Wappner

Hat es Sie nie gereizt, ein Label zu entwickeln?
Wir haben unsere Themen, und wir zitieren uns auch selbst, aber Labelarchitektur würde uns stark langweilen. Es kann nicht sein, dass wir einfach Gewissheiten, die wir über den Kontext erworben haben, über Bord werfen.


Wettbewerbsgewinne waren der Schlüssel Ihres Erfolgs. Ginge das heute genauso?
Unser Büro gäbe es nicht ohne sie. Junge Architekten, die sich auf Wettbewerbe verlassen, haben heute keine Chance zu prosperieren. Die müssen vieles populärer formulieren, um Wirkung zu erzielen. Das Entscheidende am Wettbewerb war ja, eine stabile Basis gegenüber dem Bauherren zu haben. Sinn machen Wettbewerbe aber nur, wenn es auch etwas zu gewinnen gibt, und nicht nur das Grundstück aufgewertet werden soll.

Und nach dem Gewinn auch zu bauen.
Wir haben in den letzten Jahren zwölf erste Preise, die nicht gebaut worden sind. Das war eine schwierige Zeit. Wir mussten sehr viel flexibler werden. Wir arbeiten im Moment wie eine Werbeagentur, mit kleineren Auftragsvolumen und kürzeren Leistungsphasen.

Hat Ihre Begeisterung für Wettbewerbe darunter gelitten?
Gerade die schönsten Projekte sind nicht gebaut worden, das ist wie ein Geburtsprozess, der nicht ins Leben kommt, das führt zu Enttäuschungen und auch dazu, das Ganze etwas distanzierter zu sehen. Wir haben eine ziemlich große Distanz zu diesen Phänomenen - Häuser bauen, bejubelt werden, wieder eingebremst werden, - eine gelassenere Betrachtung, wo früher bedingungslose Euphorie herrschte. Heute ist es eher eine zurückgenommene Euphorie.

Dazu kommt, dass der Bauherr heute ungreifbarer denn je ist - als Persongibt es ihn ja kaum noch. Oft sind Sie mit einem Gremium konfrontiert, wo es früher einen Entscheider gab.
Das ist richtig. Große Projekte werden fast nur noch über Fonds abgewickelt oder über Konstellationen, in denen der Bauherr seine Rolle abgibt - und damit auch das vitale Interesse, einen Beitrag zur Baukultur zu leisten. Diese Distanz führt oft dazu, dass in Gremien relativ bedenkenlos entschieden wird, was der Baukultur nicht unbedingt förderlich ist. Denn nach wie vor hat gute Architektur immer etwas mit einem guten Bauherren zu tun.

Sprechen Sie von Widerstand, den Sie überwinden müssen, um Qualität zu erreichen?
Beim guten Bauherren gar nicht. Der fordert, dass wir Qualitäten bringen. Wir haben Bauherren gehabt, wo wir schon Zufriedenheit erlangt hatten und er das Gefühl hatte, es müsse noch weitergehen ...


... zum Beispiel?
Bei Südwestmetall in Reutlingen. Da hat der Bauherr gespürt, dass noch Potential in gewissen Dingen steckt. Er hat uns immer wieder angeregt, das Grundthema zu forcieren, bis es so radikalisiert worden ist, wie es jetzt da steht.

Sprechen Sie nun von Detailarbeit, von den kleinen Dingen, die zum Gelingen beitragen?
Wenn man ein so starkes Konzept entwickelt hat, dass es verbal formulierbar ist, dann hat man einen gewissen Prozentsatz an Qualität gewonnen. Um die letzten Prozente herauszuholen, die das Projekt wirklich verständlich, lesbar und stark werden lassen, ist eine sehr intensive Detailarbeit erforderlich. Manche Projekte - wie Südwestmetall - sind so angelegt, dass das Detail grundlegend ist und über gut oder schlecht entscheidet. Andere Projekte sind von der Raumbildung so überzeugend und so dicht, dass das Detail eher hinderlich ist.


Aber Details sind doch immer nötig, sprechen Sie nun vom speziell ausgearbeiteten Detail?
Genau. Es gibt ein Projekt, die Modellbauwerkstatt in Wolfratshausen, sehr klein, aber mit der richtigen Detailarbeit. Es ist sehr lapidar, fast provozierend lapidar gefügt. Und diametral zu Südwestmetall, das erst durch die forcierte Detailarbeit an Qualität gewinnt.

Das Lapidare hat eine Qualität ...
... eine ungeheure. Wir versuchen, alle überflüssigen Dinge zu vermeiden. Gelassenheit sollte die Hauptqualität unserer Projekte sein. Das war schon früher so, wobei es uns nicht immer so gelungen ist. Aber heute nehmen wir immer mehr Elemente weg, um die Grundaussage zu unterstützen.

Klingt nach gewollter Ambivalenz.
Eines unserer Hauptthemen ist, dass man Gewissheiten prüft aber sich klar wird, dass man permanent im Ungewissen arbeitet. Gewissheit gilt nur für die Projektzeit.



Dann steht das Haus ...
... und die Ungewissheit ist wieder da. Das eine Projekt führt nicht dazu, dass man weiß, dass das nächste genauso gemacht wird. Klassische moderne Architektur zielte auf Ordnung. Unsere reflexive Moderne lässt auch Chaos zu. Ambivalenzen sind das, was uns heute umtreibt und beschreibt.

Und als nächstes kommt der Nutzer dazu. Und Architekturpublikationen ohne Menschen.
Wir jedenfalls haben viele Publikationen gemacht, in denen Menschen eine große Rolle spielen. Wir würden unsere Bauten auch nie schützen lassen, damit auf 30 Jahre keine Veränderung stattfindet. Wer das tut, hat nicht begriffen, in welcher Zeit wir leben.

Zusammengefasst: Einerseits sprechen Sie von Fortschritt, andererseits leugnen Sie gerade die Übertragbarkeit von Erkenntnissen?
Vielleicht kann man sagen, dass wir für die Formulierung von Projekten eine Methodik haben, die sich ständig entwickelt. Eine Technik um Intuition in die Analyse hineinzubringen, Chaos in die Ordnung. Pro Projekt entscheiden wir, ob es mehr von der einen oder von der anderen Seite bedient wird. Es gibt immer neue Personen, immer neue Kontexte, deshalb verändert sich unsere Sprache. Der Grundton bleibt aber der gleiche.



Wie sieht eigentlich Ihr idealer Entwurfsprozess aus?
Am Anfang wird alles gesammelt, was mit dem Projekt zu tun hat. Das Sammeln ist wie ein Rettungsanker, um nicht das Gefühl zu haben, irgendetwas nicht berücksichtigt zu haben. Welche analytischen Ergebnisse in den Entwurfsprozess einbezogen werden, ist eine rein intuitive Frage. Es ist eine Ignoranz zuweilen gegenüber der eigenen Analyse, eine bewusste Ignoranz, wenn man das Gefühl hat, das Projekt muss aber diese Aussage bekommen. Dann versucht man weiter zu überprüfen, ob das intuitive Handeln auch wirklich Qualität bringt. Es gibt Projekte, die entstehen komplett aus dem Bauch, die gerade durch ihre Befremdlichkeit, das Handeln eines einzelnen, ihre Stärke entwickeln. Andere entstehen rein aus der Analyse. Diese Projekte sind auch im Repertoire unseres Büros, sehr schön, aber bewegen tun sie uns nicht.

Und wie steht es mit dem Zusammenspiel der Projekte?
Im Jahr gibt es immer drei, vier Schlüsselprojekte, die den nächsten größeren Schritt machen, die anderen Projekte verarbeiten das, was wir bisher gemacht haben. Wenn es eine tragfähige, kommunizierbare Idee erlangt hat, kommt das Handwerk.


Sagten Sie nicht mal, Brüche trieben Sie voran?
Ja, Brüche ermöglichen den Einstieg in das Projekt. Die klassische Definition von Ästhetik bietet das nicht, es muss aber etwas geben, was den Betrachter reizt, dass er versucht, dieses Projekt zu verstehen. Das ist bei einer glatten, perfekten, abweisenden Schönheit nicht gegeben.

Es klingt fast wie ein Spiel, das Sie da betreiben. Und die Qualität dabei?
Es gibt Regeln, feste Gegebenheiten bei jedem Projekt. Manchmal ist der Bauherr Mitspieler, manchmal nur der Architekt und die Ingenieure. Das Spiel ist so gut oder schlecht, wie die Akteure mit sich und den Regeln zurecht gekommen sind. Es gilt also, das Regelwerk zu interpretieren, auszuweiten - oder auch ganz in Frage zu stellen.

Weiter Weiter zu den Arbeiten