Crystal Talk
Text: Oliver HerwigFotos: Florian Holzherr

Arbeiten

Arbeiten Allmann Sattler Wappner

WILLKOMMEN IM E-HOME
Das Haus der Gegenwart zelebriert das nomadische Wohnen

Am Rande von München-Riem. Hinter Hecken blitzt Metall. Ein Prototyp: das Haus der Gegenwart. Wo andere einen Eingang haben, besitzt es drei, wo eine Terrasse steht, schieben sich gleich drei Plattformen mit je 40 Quadratmetern nach Süden, Osten und Norden, und wo die meisten Familien unter einem Dach leben, verfügt es gleich über vier. Das Haus besteht aus vier separaten Boxen, drei davon ebenerdig, mit einer schwebenden Gemeinschaftsplattform darüber. Die erste Annäherung ist ambivalent. Stahlfassaden, riesige Fenster und scharfe Kanten, um die sich ein Buchenhain windet wie in einem Barockgarten. Der grüne Vorhang verbirgt Bäder und Schlafzimmer, lediglich die Gemeinschaftsbox mit ihren quadratischen Fenstern überragt die Hecke. Intimität und Extrovertiertheit im Wechsel. Das ist der Schlüssel des Projekts.

Das Haus in Holzständerbauweise verbindet als E-Home Elektronik und Wohnen, es bietet eine flexible Hülle, die sich allen Wünschen anpasst. Es gibt nur einen Schönheitsfehler. Es lebt da niemand. Das Haus wird von der gemeinnützigen HDG (Haus der Gegenwart) GmbH betrieben, hinter der Bayerische Hausbau, Fördergesellschaft Landespflege Bayern e.V. und Magazin Verlagsgesellschaft Süddeutsche Zeitung mbH stehen. Derzeit läuft dort die Ausstellung "Weltmeister - Design Deutschland" (bis 15. Sept. 2006).

















 

DIE TOR MACHT WEIT…!
Die Herz-Jesu-Kirche in München

München-Neuhausen, nahe dem Rotkreuzplatz: Eine unspektakuläre, bürgerliche Altbaugegend. Hier lässt es sich wohnen. Doch auf einmal weicht die Lachnerstraße zurück, weitet sich zum Platz. Hier steht er, der Container Gottes: eine komplett verglaste Kiste schlichtester Geometrie und ausgefeiltester Lichtführung. Allmann Sattler Wappner haben mit diesem Bau ihren ganz großen Durchbruch inszeniert. Liturgisch konservativ als klassische Wegkirche konzipiert, ist sie strunzmodern in Material und Konstruktion.
Zwei enorme, 14 Meter hohe blaue Tore, fast gebäudehoch, lassen sich hydraulisch ausklappen, schweben dann über dem Vorplatz und geben den Blick zu einer loggiaartigen Vorkirche frei. Das eigentliche Kirchenschiff aus Holzlamellen sitzt - mit Fuge zu allen Seiten, die einen umgangsartigen Kreuzweg ermöglicht - innerhalb der äußeren Glashülle. Je weiter man zum Altar kommt, desto größer und gleichzeitig undurchsichtiger wird die Verglasung. Hier wird Glas nicht zur falschen Metapher für Transparenz umgedeutet, sondern mit Wucht zu einem raumbildenden Körper verdichtet.














 

HEAVY METAL
Das Haus von Südwestmetall zwischen Mimikry und Revolution

Reutlingen. Mitten in Schwaben wird die Moderne auf den Kopf stellt, stahlhart. Tausende floraler Metallplatten winden sich um drei Metallhäuser mit bravem Satteldach, Sitz von Südwestmetall. In die quadratischen Stahlblechplatten haben Allmann Sattler Wappner Blätter und Stiele schneiden lassen und sie über den Vorplatz gestreut. Ein irritierender Anblick: Flora trägt perfekte Körper, Monolithen aus Stahl, die ein Material vom Sockel bis zum First abrollen, als seien sie noch Teil eines Computerprogramms. "Nur in der schäbigsten Ausführung erträglich", nannte Adolf Loos das Dekor, wahrhaft unästhetisch aber, wenn es im besten Material und der höchsten Sorgfalt ausgeführt werde. Genau das aber ist Ziel der Aktion. Ornament wird tragender Teil des Hauses, aber mit einem Augenzwinkern. Eine Revolte gegen banale Bauvorschriften. Fünf Millimeter Stahl trennen die Klone von den geduckten Häusern der Umgebung. Und setzten ein Statement im urbanen Kontext, das nicht auf Oberflächen und Effekte aus ist, sondern selbstironisch sagt: Stadt und Konventionen - kommt darauf an, was man daraus macht.