https://www.baunetz.de/recht/_Das_uebersehen_eines_sichtbaren_Mangels_begruendet_nicht_schon_fuer_sich_genommen_ein_Organisationsverschulden_des_Architekten._843366.html


Das Übersehen eines sichtbaren Mangels begründet nicht schon für sich genommen ein Organisationsverschulden des Architekten.

Allein der Umstand, dass selbst bei einem wichtigen oder auch regelmäßig schadenträchtigen Baudetail eine ersichtlich fehlerhafte Ausführung von dem bauüberwachenden Architekten übersehen wird, begründet für sich betrachtet noch nicht den Anschein einer mangelhaften Organisation.

Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Haftungsansprüche gegen den Architekten verjähren.

Dauer, Beginn, Hemmungen und Unterbrechungen der Verjährung ist nach altem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht anders geregelt als nach neuem Recht.
Beispiel
(nach OLG Dresden , Urt. v. 11.08.2009 - 10 U 149/08)
Im Rahmen der Renovierung eines Hauses wurde die neue Gesimsverblendung fehlerhaft mit Gefälle zum Mauerwerk ausgeführt. Der bei dem Architekten angestellte, für die Bauleitung zuständige Architekt hat den Mangel übersehen. Erst Jahre später und nach Ablauf der Gewährleistungsfristen stellt der Bauherr aufgrund von Fassadenschäden den Mangel fest und nimmt den Architekten mit dem Vorwurf des Organisationsverschuldens in Anspruch.

Der Architekt wendet Verjährung ein. Im konkreten Fall hat er damit Erfolg. Das Organisationsverschulden wird mit der Arglisthaftung gleichgesetzt. Nicht ein jedes Übersehen, selbst nicht bei wichtigen und kritischen Bauteilen, führt zu einem Organisationsverschulden. Eine punktuelle Nachlässigkeit reicht für die Annahme von Organisationsverschulden nicht aus. Es kommt immer wieder zu Bauleitungsfehlern auch sorgfältig ausgewählter und erfahrener Bauleiter. Die Annahme des Organisationsverschuldens begründet genauso viel wie die Arglisthaftung grundsätzlich einen Ausnahmefall, der von der Regelhaftung mit der Regelverjährung abzugrenzen ist.

Hinweis
Bereits der BGH hatte entschieden, dass von schweren Mängeln nicht immer auf Organisationsverschulden geschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2008 -VII ZR 206/06-) . Die Rechtsprechung steuert gegen eine Verdrängung der normalen Gewährleistungsfälle durch das Organisationsverschulden. Die Entscheidung, ob ein Organisationsverschulden ausnahmsweise vorliegt und zu der regelmäßig günstigeren Verjährungsfolge für den Bauherrn führt, ist im Einzelfall zu entscheiden. Dabei ist nicht plakativ bloß auf die Schwere eines konkreten Mangels oder die Sichtbarkeit eines Mangels abzustellen, sondern auch auf weitere Umstände. Setzt der Architekt Personal ein, das schon während der Bauphase mehrfach Ausführungsfehler übersieht oder nicht ausreichend qualifiziert ist oder häufen sich gravierende oder auch sichtbare Mängel, dann wird im Einzelfall der Vorwurf des Organisationsverschulden zu Lasten des Architekten erhoben werden können.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck