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Zu geringes Honorar und zu wenig Zeit: tragfähige Einwände gegenüber Inhaftungnahme?

Gegenüber einem Schadenersatzanspruch wegen eines Planungsmangels kann ein selbständiger Architekt nicht einwenden, der Auftraggeber habe das in keinem Verhältnis zum Honorar stehende Kalkulationsrisiko auf ihn abgewälzt, i.d.R. ebensowenig, ihm habe zu wenig Zeit für die Erledigung seiner Aufgabe zur Verfügung gestanden.

Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Eine Haftung des Architekten kann aufgrund besonderer Umstände eingeschränkt oder ausgeschlossen sein.

Eine Einschränkung oder ein Ausschluß der Haftung kann sich ergeben aufgrund eines Mitverschuldens des Bauherrn.

Beispiel
(nach OLG Naumburg , Urt. v. 27.05.2011 - 4 U 1/11; BGH, Beschluss vom 25.10.2012 - XII ZR 158/11 (NZB zurückgewiesen))
Eines der größten deutschen Bauunternehmen errichtet für einen Bauherrn als GU ein Einkaufszentrum für rund € 25 Mio.. Das Bauunternehmen beauftragt eine kleine Ingenieurgesellschaft mit der Ermittlung der Rohbaumassen inklusive Angaben zu möglichen Optimierungen zu einem vereinbarten Pauschalhonorar in Höhe von € 3.500,00. Es herrscht unstreitig erheblicher Zeitdruck, die Ingenieurgesellschaft veranschlagte einen Aufwand von 50-70 Stunden, tatsächlich wurde die Mengenermittlung innerhalb von 1 Woche vorgenommen. Später nimmt das Bauunternehmen die Ingenieurgesellschaft wegen Ermittlungsfehlern zu den Rohbaumassen in Höhe von € 660.000,00 in Haftung. Hätte er die höheren Massen gekannt – so der Bauunternehmer –, so hätte er seinerseits einen entsprechend höheren Pauschalpreis vereinbaren können.

 

Nach dem Vergleichsgespräche zwischen den Parteien gescheitert waren, holt das OLG Naumburg in II. Instanz ein Sachverständigengutachten (für € 92.000,00) ein, welches feststellt, dass die Ingenieurgesellschaft 265 t Baustahl, 20,4 t Spannstahl und 824 Ankerteile zu wenig berechnet habe, woraus sich ein Schaden in Höhe von rund € 260.000,00 ergebe. Der Sachverständige benötigte für die seine Ermittlung mindestens 225 Stunden. Die Ingenieurgesellschaft wendet nun ein, jedenfalls müsse sich das Bauunternehmen ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen, denn es habe ein in keinem Verhältnis zur Vergütung stehendes Kalkulationsrisiko auf sie abgewälzt. Das Bauunternehmen habe zudem erkennen können, dass die Ingenieurgesellschaft mit geringem Personalbestand die erforderlichen Leistungen in dem vorhandenen Zeitdruck nicht habe erbringen können.

 

Das OLG Naumburg verurteilt die Ingenieurgesellschaft in voller Höhe ohne Anerkennung eines Mitverschuldensabschlages. Gegenüber einem Schadensersatzanspruch wegen eines Planungsmangels könne jedenfalls ein selbständiger Architekt nicht einwenden, dass der Auftraggeber das in keinem Verhältnis zum Honorar stehende Kalkulationsrisiko auf ihn abgewälzt habe. Auch habe die Ingenieurgesellschaft nicht nachweisen können, dass dem Bauunternehmen bekannt war, dass der Auftrag mit dem zur Verfügung stehenden Personal innerhalb einer Woche nicht ordnungsgemäß zu bewältigen war; der Sachverständige habe hier zudem ausgeführt, dass in einem solchen Fall ggf. freie Mitarbeiter verpflichtet würden.

Hinweis
Dass zu geringe Entlohnung kein trefflicher Einwand gegen einen Schadensersatzanspruch wegen Planungsfehler ist, dürfte einsehbar sein; Folge aus dieser Erkenntnis wird auch nicht sein können, bei niedrigem Honorar keine Fehler mehr zu machen, sondern höheres Honorar zu vereinbaren. Anders könnte es sich mit dem weiteren Einwand verhalten: wenn im Einzelfall für den Bauherrn offensichtlich ist, dass die übertragene Aufgabe in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu bewältigen ist, kann sich hieraus durchaus einmal ein – allerdings schwierig nachzuweisender – Mitverschuldenseinwand ergeben.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck