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Zielfindungsphase nicht abgeschlossen: Kein weiteres Honorar für den Architekten!

Nach Ansicht des OLG Frankfurt kann ein Architekt eines nach dem 01.01.2018 geschlossenen Architektenvertrages Honorar für über die Zielfindungsphase hinausgehende Leistungen nur unter der Voraussetzung beanspruchen, dass er die mindestens erforderlichen Ergebnisse jener Phase dem Auftraggeber zur Prüfung vorgelegt und hierzu eine klare Billigungserklärung erhalten hat.
Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Legt ein Planer zum Ende der Zielfindungsphase eine Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung, obgleich gegebenenfalls gemäß § 650p II BGB erforderlich, nicht vor, wird er nach wohl herrschender Meinung wegen fehlender Freigabe durch den Bauherrn einen Honoraranspruch für weitergehende Leistungen nicht begründen können.
Beispiel
(nach OLG Frankfurt , Urt. v. 16.05.2022 - 29 U 94/21 (Revision wurde zugelassen))
Im April 2019 wird ein Architekt mit den Leistungsphasen 1-4 für die Umwandlung einer Scheune in ein Mehrfamilienhaus beauftragt. Der Architekt erbringt daraufhin Leistungen der Leistungsphasen 1-3. Der Auftraggeber schließlich bricht das Bauvorhaben nach Mitteilung von erhöhten Kosten ab, weil seine Bank eine Finanzierung nicht zur Verfügung stellt. Der Architekt macht Honorar für die Leistungsphasen 1-3 in Höhe von rund € 35.000,-  geltend. Der Bauherr zahlt € 3.500,- und verweigert weitere Zahlungen.

Die Zahlungsklage des Architekten scheitert beim Oberlandesgericht Frankfurt. Der Senat verweist auf das für den (nach dem 01.01.2018 geschlossen) Vertrag geltende Recht §§ 650p ff. BGB und die in diesem Zusammenhang erforderliche Zielfindungsphase hin. Honorar für Leistungen, die ein Architekt über die Zielfindungsphase hinaus erbringe, seien vergütungspflichtig nur unter der Voraussetzung, dass die mindestens erforderlichen Ergebnisse der Zielfindungsphase dem Auftraggeber zur Prüfung vorgelegt und dieser hierzu eine klare Billigungserklärung abgegeben habe.

Die neue Zielfindungsphase diene in den Fällen der unklaren Planungs- und Realisierungsmöglichkeiten zur Klärung der Aufgabenstellung, insbesondere dazu, ob das beabsichtigte Projekt unter den örtlichen Bedingungen nach den Vorstellungen des Auftraggebers mit dem vorgesehenen Finanzrahmen realisiert werden könne oder nicht. Hierzu bedürfe es einer Planungsgrundlage und einer Kosteneinschätzung. Entsprechende Leistungen lägen hier nicht vor. Es fehle auch an einer Billigung etwaiger Ergebnisse der Zielfindungsphase. Eine Billigung werde jedenfalls nicht abgegeben durch den Abruf weiterer Planungsleistungen. Denn dem Auftraggeber habe – wie gesagt – das vollständige Ergebnis der Zielfindungsphase zu keinem Zeitpunkt zur Zustimmung vorgelegen; dies sei aber die gesetzlich vorgesehene Voraussetzung für eine wirksame Zustimmung und damit für einen Übergang von der Zielfindungsphase zum nachfolgenden Planungsauftrag. Mehr als Euro 3500 als Vergütung für die im Rahmen der Zielfindungsphase erforderlichen Leistungen könne der Architekt hier entsprechend nicht erhalten.
Hinweis
Etwas unklar bleibt zunächst, auf welcher rechtlichen Grundlage das Gericht zu dem ausgeurteilten Ergebnis kommt. Tatsächlich dürfte wohl eine Pflichtverletzung des Architekten vorliegen, da dieser Planungsunterlage und Kosteneinschätzung nicht erstellt bzw. den Bauherrn nicht über das Erfordernis der Zustimmung zu diesen Unterlagen und über sein Kündigungsrecht gemäß § 650r BGB aufgeklärt hatte. Die Pflichtverletzung begründet einen Schadensersatzanspruch des Bauherrn. Der Schadensersatzanspruch entsteht in der gleichen Höhe, in welchem dem Architekent für weitere Leistungen Honorar zusteht und bringt entsprechend den Honoraranspruch wieder zum Erlöschen.

Das Gericht stellte in seiner Begründung im Übrigen nicht unwesentlich darauf ab, dass der Vertrag, den die Parteien schriftlich abgeschlossen hatten, selber auf die Vorschriften der Zielfindungsphase § 650p BGB verweise. Nach wohl allgemeiner Ansicht dürfte dies – ein Verweis auf die Zielfindungsphase in einem etwaig schriftlich geschlossenen Vertrag – aber keine Voraussetzung für das vom Gericht gefundene Ergebnis sein. Denn die Zielfindungsphase ist ja gesetzlich vorgegeben. D. h. das Erfordernis einer Zielfindungsphase gilt, soweit die Voraussetzungen des § 650p Abs. 2 BGB vorliegen, auch für mündliche Architektenverträge.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck