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Wird die 5jähige Gewährleistungsverjährung in Zukunft die Ausnahme sein?

Nach bis zum 31.12.2001 geltendem Recht gründeten sich Haftungsansprüche gegen Architekten in der Regel auf § 635 BGB. Sie verjährten entsprechend § 638 BGB grundsätzlich in 5 Jahren (jetzt § 634a: auch grds. fünf Jahre); allerdings nahmen die Ausnahmefälle, in denen die Rechtsprechung § 638 BGB nicht anwendete, zu.
Hintergrund
Schadensersatzansprüche, die gegen den Architekten geltend gemacht werden, stützten sich nach altem Recht in der Regel auf § 635 BGB. Gemäß § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB verjährten entsprechende Haftungsansprüche nicht in der alten Regelverjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195 BGB), sondern in der verkürzten Frist von 5 Jahren. Die Verjährung began mit der Abnahme des Werkes des Architekten (sofern der Architekt auch die Leistungsphase 9 übertragen bekommen hat, beginnt die Verjährung entsprechend nach VOB/B erst etwa 4 (früher 2) oder nach BGB etwa 5 Jahre nach Fertigstellung des Bauwerkes zu laufen; vgl. Haftung/.../Verjährung 10 Jahre nach Baufertigstellung ). Im Ergebnis konnte der Architekt bei einer Verjährung gemäß § 638 BGB damit rechnen, dass er - sofern ihm auch die Leistungsphase 9 übertragen wurde - spätestens etwa 10 Jahre nach Baufertigstellung mit Gewährleistungsansprüchen nicht mehr zu rechnen brauchte.

Festzustellen bleibt allerdings, dass die oben beschriebene Verjährung von in der Regel etwa 10 Jahren nach Bauwerkfertigstellung zunehmend durch Ausnahmen ausgehöhlt wurde. Die Rechtsprechung "fand" - wie es scheint - immer häufiger Gründe, den § 638 BGB mit seiner verkürzten Verjährungsfrist nicht anzuwenden. Dies führte ohne weiteres zurück zur Regelverjährung von 30 Jahren.

Nach der zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsreform hat sich das Verjährungsrecht erheblich geändert, u.a. beträgt die Regelverjährungsfrist nun nur noch drei Jahre ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Anspruchs. Ob und inwieweit die Tendenz der Rechtsprechung zur Zeiten des alten Rechts, die kurze Verjährung von fünf Jahren "auszuhöhlen", auch unter neuem Recht fortgeführt wird, muss abgewartet werden [vgl. zum neuen Recht Schuldrechtsreform 2002 sowie Haftung / Verjährung / neues Recht]

Unter anderem folgende Sachverhalte hatten die Rechtsprechung bisher veranlasst, § 638 BGB nicht anzuwenden:

- Die vom Architekten zu erbringenden Leistungen sind in der Regel dem Werkvertragsrecht zuzuordnen. Rein beratende Tätigkeiten, insbesondere auch, wenn diese gesondert beauftragt oder erbracht werden, sind allerdings dem Dienstvertragsrecht zuzuordnen. Die Zuordnung zum Dienstvertragsrecht führt grundsätzlich zu einer 30jährigen Verjährung gemäß § 195 BGB (vgl. Haftung/.../isolierte Beratung ).

- Der Architekt ist verpflichtet, den Bauherrn über selbst verursachte Mängel, die sich hieraus ergebenden Ansprüche gegen ihn selbst und deren Verjährung aufzuklären; unterlässt er diese Aufklärung, haftet er für die unterlassene Aufklärung, der Bauherr ist im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als wenn die Verjährung seiner Gewährleistungsansprüche nicht eingetreten wäre. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen unterlassener Aufklärung über eigene Fehler verjährt seinerseits in 30 Jahren (vgl. Haftung/.../Verjährung bei fehlender Aufklärung über selbst verursachte Mängel, bestätigt erneut durch BGH, Urt. v. 06.07.2000 - VII ZR 82/98 -; ZfBR 2000, 544).

- Nach herrschender Rechtsprechung war § 635 BGB (und damit auch § 638 BGB) nicht anwendbar, wenn Haftungsansprüche wegen sog. entfernterer Mangelfolgeschäden (z.B. Wasserschaden an einem Einrichtungsgegenstand) geltend gemacht werden; solche Ansprüche sind dem Haftungsinstitut "positive Vertragsverletzung" zuzuordnen, sie verjähren in der Regelverjährungszeit von 30 Jahren (vgl. Haftung/.../Mangelfolgeschäden). Nach neuem Recht dürfte dieser Ausnahmetatbestand entfallen sein.

- Gemäß § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB läuft die verkürzte Verjährung von 5 Jahren nur, "sofern nicht der Unternehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat". Nach einer Anfang der 90iger Jahre begründeten - oder jedenfalls belebten - Rechtsprechung soll die Anwendbarkeit von § 638 BGB nicht nur beim arglistigen Verschweigen von Mängeln entfallen, sondern auch, wenn er nicht die organisatorischen Voraussetzungen schafft, um sachgerecht beurteilen zu könne, ob das fertiggestellte Werk bei Ablieferung keine Fehler aufweist, und sich mithin unwissend hält. Diese unter dem Stichwort "Organisationsverschulden" bekannte und zunächst nur auf Bauunternehmer bezogene Rechtsprechung wurde zwischenzeitlich auch auf Architekten angewandt (vgl. Haftung/.../Organisationsverschulden).

- Einen weiteren Akzent setzte der BGH mit seinem Urteil vom 30.09.1999. Der Hintergrund: die verkürzte Verjährungsfrist von 5 Jahren beginnt gemäß § 638 Abs. 1 BGB mit der Abnahme des Werkes zu laufen und setzt damit eine Abnahme voraus; die Rechtsprechung hat die Verweigerung der Abnahme der Abnahme gleichgesetzt. Bei fehlender Abnahme oder Abnahmeverweigerung läuft die 30jährige Regelverjährung gemäß § 195 BGB. Bei dem zu Grunde liegenden Fall hatten die Bauherren nach Fertigstellung des Bauvorhabens Mängel gerügt, ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet, eine Klage auf Vorschuss eingereicht und diese schließlich auf Schadensersatz umgestellt. Während die Vorinstanz in diesem Verhalten eine Verweigerung der Abnahme sah, befand der BGH, dass weder eine Abnahme noch eine Verweigerung der Abnahme vorliege. Daher gelte die 30jährige Verjährungsfrist (vgl. Haftung/.../30jährige Verjährung bei fehlender Abnahme ) (vgl. nun auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.02.2007).

- Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass interne Regressansprüche zwischen mehreren Haftungsbeteiligten gemäß § 426 BGB nach altem Recht in 30 Jahren, nach neuem Recht grds. in 3 Jahren nach Kenntnis, ohne Kenntnis nach 10 Jahren, (vgl. im einzelnen § 199 BGB) verjähren. Nimmt beispielsweise ein Bauherr wegen eines Schadens, den sowohl der Bauunternehmer als auch der Architekt zu vertreten haben, den Bauunternehmer auf Mängelbeseitigung oder Schadensersatz in Anspruch, so steht dem Bauunternehmer ein anteiliger Regressanspruch gegen den Architekten gemäß § 426 BGB zu u.U. auch dann noch zu, wenn der Schadensersatzsanspruch des Bauherrn gegenüber dem Architekten bereits verjährt ist.
Hinweis
Unter Berücksichtigung obiger Ausführungen kann dem Architekten folgendes - auch unter neuer, ab 01.01.2002 geltender Rechtslage - empfohlen werden:

- Der Architekt sollte - soweit möglich - dafür sorgen, dass eine Abnahme oder eine mögliche Verweigerung der Abnahme seiner Architektenleistungen ausreichend zum Ausdruck kommt und dokumentiert wird, ggf. durch entsprechende Schreiben des Bauherrn; die mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen eingeführten "Abnahme-Gleichstellungen" gemäß § 640 Abs. 1 Satz 3 und § 641 a BGB werden dem Architekten letztlich bei dem Nachweis einer Abnahme nach diesseitiger Ansicht nur wenig helfen (vgl. Sonderthema/Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen).

- Der Architekt sollte sich gedanklich darauf einstellen, dass Gewährleistungsansprüche gegen ihn auch später als 10 Jahre nach Baufertigstellung geltend gemacht werden können. Der Architekt sollte daher davon Abstand nehmen, Unterlagen von Bauvorhaben bereits nach 5 oder 10 Jahren zu vernichten; er könnte sich hierbei eines wichtigen Entlastungsbeweises entledigen!

- Der Architekt sollte unbedingt Rücksprache mit seiner Versicherung nehmen, um zu gewährleisten, dass etwaige erst Jahre nach Berufsende oder Versicherungswechsel geltend gemachte Haftungsansprüche noch von der Versicherung, mit der zur Zeit einer etwaigen Pflichtverletzung ein Haftpflichtversicherungsvertrag bestand, getragen werden. Hintergrund ist eine Klausel in vielen Versicherungsverträgen, nach welchen der Versicherungsschutz Verstöße, die zwischen Beginn und Ablauf des Versicherungsvertrages begangen werden, nur dann umfasst, sofern sie dem Versicherer nicht später als 5 Jahre nach Ablauf des Vertrages gemeldet werden (vgl. BBR/ARCH A II. Ziffer 1).

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