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Welcher Prüfungsumfang trifft den Architekten betreffend die Tragwerksplanung?


Sofern kein erkennbarer Anlass für eine Überprüfung besteht, darf der Architekt auf die Richtigkeit der statischen Berechnung des Tragwerksplaners vertrauen; er ist allerdings verpflichtet, die Berechnungen einzusehen und sich zu vergewissern, ob der Tragwerksplaner von den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen ist.


Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Sind neben dem Architekten noch weitere Beteiligte für einen Schaden verantwortlich, so bestimmt sich die Haftung eines jeden nach seinen ihn im Verhältnis zu den anderen treffenden Pflichten.

Zur Abgrenzung der Pflichten von Architekt und Statiker.
Beispiel
(nach OLG Karlsruhe , - Urteil vom 22.11.2019 – 15 U 73/19 (NZB zurückgenommen))
Einem Architekten werden für ein Bauvorhaben Architektur und Tragwerksplanung übertragen. Der Architekt subbeauftragt einen Tragwerksplaner mit den entsprechenden Leistungen. Später stellt sich heraus, dass die Tragwerksplanung eine Vielzahl von Planungsfehlern aufweist, u.a. hatte der Tragwerksplaner die Erdbebenzone I. nicht konsequent in die Planung umgesetzt und Innenwände, die aus 10 cm starken Porenbetonwänden bestanden, zur Lastabtragung herangezogen. Nachdem die Haftpflichtversicherung des Architekten gegenüber dem Bauherrn Schadensersatz geleistet hat, verlangt sie nunmehr vom Tragwerksplaner bzw. dessen Versicherung Erstattung. Von dort aus wird eingewandt, der Architekt müsse sich ein Mitverschulden zurechnen lassen, da er die Tragwerksplanung nicht überprüft habe.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe gibt der Klage der Versicherung vollständig statt. Soweit kein erkennbarer Anlass für eine Überprüfung bestehe, dürfe der Architekt auf die Richtigkeit der statischen Berechnung des Tragwerksplaners vertrauen. Den Objektplaner treffe keine fachspezifische Kontrollverpflichtung in Bezug auf das vom Sonderfachmann geschuldete und zu verantwortende Werk. Dies gelte auch dann, wenn der Sonderfachmann vom Architekt als Subplaner beauftragt werde. Der Architekt sei allerdings verpflichtet, die statischen Berechnungen einzusehen und sich zu vergewissern, ob der Tragwerksplaner von den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen sei; nur insoweit sei der Architekt zu einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet.


Hinweis
Das Urteil bestätigt die hergebrachte Rechtsprechung. Danach kann ein Architekt sich grundsätzlich auf die spezielleren Kenntnisse des Statikers verlassen und braucht dessen Berechnungen nicht im einzelnen nachzuprüfen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.03.1987). Allerdings muss sich der Architekt vergewissern, dass der Statiker von den richtigen tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 16.03.1990). Unterstellt die Statik bei der Berechnung der erforderlichen Einbindetiefe von Fundamenten ausdrücklich bestimmte Bodenverhältnisse, so hat der Architekt bei der Gründung zu überprüfen, ob die unterstellten Bodenverhältnisse den tatsächlichen entsprechen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.09.1993). Bodenuntersuchungen zu veranlassen (vgl. Landgericht Aachen, Urteil vom 16.01.1985), sowie der Brandschutz (OLG Celle, Urteil vom 04.01.2012) sind Sache des Architekten, nicht des Tragwerksplaners. Die Anordnung von Dehnungsfugen stellt wiederum Standardwissen des Architekten dar; deshalb haften in diesem Fall Architekt und Statiker dem Bauherrn gesamtschuldnerisch (KG, Urteil vom 13.12.2005).



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