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Welche Honorarbestandteile sind für die Prüfung einer Mindestsatzunterschreitung anzusetzen?

Bei der Prüfung, ob eine Mindestsatzunterschreitung vorliegt, findet eine isolierte Ermittlung, ob einzelne in der Honorarordnung vorgesehene Abrechnungseinheiten unterhalb der Mindestsätze honoriert sind, nicht statt; Vergleichsmaßstab ist lediglich das für die vertraglichen Leistungen insgesamt vereinbarte Honorar.
Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Ist die HOAI anwendbar, ergibt sich das Honorar des Architekten in erster Linie aus einer im Rahmen der HOAI-Vorschriften getroffenen Honorarvereinbarung.

Voraussetzung einer wirksamen Honorarvereinbarung ist u.a. die Einhaltung der Mindestsätze und Höchstsätze.
Beispiel
(nach BGH , Urt. v. 09.02.2012 - VII ZR 31/11)
Ein Ingenieur wurde mit der Erstellung einer Tragwerksplanung Lph 1 bis 6 für eine Sport- und Feuerwehrgerätehalle mit Hausmeisterwohnung sowie Doppelgarage beauftragt. Die Vergütung sollte nach Honorarzone II Mitte erfolgen; für die Objektüberwachung, die ebenfalls beauftragten Leistungen der thermischen Bauphysik sowie für die Nebenkosten waren jeweils Pauschalbeträge vereinbart. Später machte der Ingenieur gegenüber seinem Auftraggeber ein höheres, nach den Mindestsätzen berechnetes Honorar geltend. Hierbei trennt er unter anderem zwischen der Feuerwehrgerätehalle und der Sporthalle als einzelnen Gebäuden und ordnet die Sporthalle der Honorarzone III zu; ebenso ermittelt er für die Leistungen der thermischen Bauphysik den Mindestsatz.
 
Der BGH widerspricht der durch den Ingenieur vorgenommenen Ermittlung des Mindestsatzes. Eine Mindestsatzunterschreitung liege nur vor, wenn das für die vertraglichen Leistungen insgesamt vereinbarte Honorar unterhalb des nach den Mindestsätzen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ermittelten Honorars liege; eine isolierte Prüfung, ob einzelne in der Honorarordnung vorgesehene Abrechnungseinheiten unterhalb der Mindestsätze honoriert würden, sei nicht zulässig.
 
Leider ist dem Urteil nach Ansicht des Unterzeichners nicht vollständig eindeutig zu entnehmen, welche Honorarbestandteile nunmehr genau als Vergleichsmaßstab für den ermittelten Mindestsatz herangezogen werden sollen:

  • Relativ klar ist, dass der Ingenieur nicht für die Feuerwehrgerätehalle wird Honorarzone II Mitte abrechnen können, während er für die Sporthalle Honorarzone III Mindestsatz verlangt. Diese Aussage ist auch in dem zitierten Leitsatz des BGH relativ klar enthalten: "eine isolierte Prüfung, ob einzelne in der Honorarordnung vorgesehene Abrechnungseinheiten unterhalb der Mindestsätze honoriert werden, ist nicht zulässig".
  • Nicht eindeutig ist dem Urteil zu entnehmen, ob sich der Ingenieur auch das Honorar für die besondere Leistung Objektüberwachung als auf die Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 6 gemäß § 64 HOAI gezahltes Honorar wird anrechnen lassen müssen (mit der Folge, dass er dann für die besondere Leistungen kein Geld erhielte);
  • Gleiches gilt für die Zahlung auf die vereinbarte Nebenkostenpauschale.

In seinem Urteil v. 08.03.2012 hat der BGH zur Einbeziehung von solchen Honorarbestandteilen Stellung genommen, die infolge des Überschreitens der Tafelhöchstewerte aus der HOAI rausfallen und deshalb nicht preisgebunden sind.
Hinweis
Das Urteil ist voraussichtlich von einiger Bedeutung. In mehr oder weniger jedem Auftrag – und zunehmend – dürfte es neben preisrechtlich geregelten – und damit der Mindestsatzfiktion unterliegenden – Leistungen auch preisrechtlich ungeregelte Leistungen, das heißt solche, für die man gegebenenfalls wirksam auch eine Entlohnung von € 0 vereinbaren könnte, geben. Wenn man das BGH-Urteil so auslegen wollte, dass der Planer sich in Zukunft alle Zahlungen, auch soweit diese nach der Vereinbarung ausdrücklich auf preisrechtlich ungeregelte Leistungen entfallen, als Zahlungen auf die preisrechtlich geregelten Leistungen anrechnen lassen muss (wie es offenbar manche Autoren befürworten), so würde dies die Mindestsatzfiktion der HOAI nach diesseitiger Ansicht erheblich entwerten.

Auftraggeber hätten es in der Hand, durch Beauftragung einer Kombination von preisrechtlich geregelten und preisrechtlich ungeregelten Leistungen das Honorar der Planer erheblich zu drücken, ohne in Gefahr einer Mindestsatzunterschreitung für alleine die preisrechtlich geregelten Leistungen zu kommen. Die Frage, wie das Urteil auszulegen ist, hat entsprechend auch besondere Bedeutung für Generalplaner, die auch die preisrechtlich nicht mehr geregelten Beratungsleistungen der HOAI 2009 (vgl. Anlage 1) übernehmen.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck