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Voreiliger Baubeginn: Wann haftet der Architekt wegen mangelnder Koordination?

Beginnt der Bauherr sein Bauvorhaben trotz Widersprüchlichkeit der Baugenehmigung unmittelbar nach ihrer Erteilung, so kommt eine Haftung des Architekten in Betracht, wenn dieser den Bauherrn nicht über die Risiken der widersprüchlichen Baugenehmigung ausreichend aufgeklärt hat und das Vorhaben später auf Grund eines Nachbarwiderspruches wieder stillgelegt wird.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Im Hinblick auf einen reibungslosen Ablauf der Bauvorhabens obliegt dem Architekten eine Koordinierungspflicht.
Beispiel
(nach BGH , Urt. v. 25.10.1985 - III ZR 80/83, NJW 1985, 1692)
Ein Architekt hatte für das Bauvorhaben seiner Ehefrau eine Baugenehmigung erwirkt. Diese Baugenehmigung war allerdings im Hinblick auf eine Abstandsfläche zum nachbarlichen Grundstück widersprüchlich und rechtswidrig. Die Bauherrin begann nach Erteilung der Baugenehmigung mit der Durchführung des Bauvorhabens. Die Nachbarn legten Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein, in einem Verwaltungsgerichtsverfahren wurde schließlich die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung festgestellt und das Bauvorhaben endgültig stillgelegt. Die Bauherrin nimmt die Baugenehmigungsbehörde wegen Erteilung der rechtswidrigen Baugenehmigung in Haftung. Im Gerichtsverfahren ist wegen der nur subsidiaren Haftung der Baubehörde (vgl. Haftung / weitere Beteiligte / Baugenehmigungsbehörde) zunächst die Frage einer Haftung des Architekten zu klären.

Das Gericht geht davon aus, dass unter Berücksichtigung seiner Koordinierungspflichten eine Haftung des Architekten grundsätzlich in Betracht komme. Der Architekt habe die Baugenehmigung prüfen und die Bauherrin darüber aufklären müssen, dass die Baugenehmigung widersprüchlich und möglicherweise rechtswidrig sei. Der Architekt habe die Bauherrin weiter darüber aufklären müssen, dass nach einem Nachbarwiderspruch und ggf. nach einer entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung eine Baustillegung drohe, mithin ein beträchtliches Risiko bestünde, mit den Bauarbeiten zu beginnen, bevor die Frage der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung endgültig geklärt sei. Vorliegend - so stellt das Gericht aufgrund unstreitiger Tatsachen fest - sei allerdings die hier vom Architekten gegenüber seiner Ehefrau zu fordernde Aufklärung vollständig erfolgt. Damit habe der Architekt seinen Pflichten Genüge getan, es obliege dem Architekten nicht, den Bauherrn trotz Aufklärung von der Durchführung eines rechtlich bedenklichen Vorhabens abzuhalten.
Hinweis
Nicht selten wird es vorkommen, dass Bauherren vom Architekten eine Planung fordern, die die Bebaubarkeit des Grundstückes bis an die Grenzen des rechtlich Zulässigen ausnutzen. Hier wird es - gerade im Hinblick auf Abstandsflächen - oftmals zu problematischen Abgrenzungsfällen kommen und damit zum Risiko, dass - ggf. auf einen Nachbarwiderspruch hin - die Baugenehmigung als rechtswidrig aufgehoben wird. Der Architekt, der im Auftrage des Bauherrn entsprechend planen soll, muss diesen nicht nur im Hinblick auf das Risiko der fehlenden Genehmigungsfähigkeit der Planung (vgl. Haftung / Lph. 1-5 Planungsfehler / genehmigungsfähige Planung) aufklären, sondern insbesondere auch über die Möglichkeit der späteren Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung, insbesondere auf einen Nachbarwiderspruch hin.

In diesem Zusammenhang muss der Architekt den Bauherrn darauf aufmerksam machen, dass es ein erhebliches Risiko darstellt, mit dem Bau zu beginnen, solange dem Nachbarn noch die Möglichkeit eines Nachbarwiderspruches eingeräumt ist. Insoweit hat er darauf aufmerksam zu machen, dass Nachbarn - wenn diese nicht bereits vor Genehmigung im Rahmen einer Zustimmung auf Ihr Widerspruchsrecht verzichtet haben - i. d. R. ihr Recht zum Widerspruch erst ein Monat nach Bekanntgabe der Baugenehmigung ihnen gegenüber unter Befügung einer vollständigen Rechtsbehelfsbelehrung verlieren. I. d. R. stellt allerdings die Baugenehmigungsbehörde den Nachbarn die Baugenehmigung überhaupt nicht oder ohne Rechtsmittelbelehrung zu. Insoweit kann es sich im Einzelfall lohnen, die Behörde zu veranlassen, die Baugenehmigung gleichzeitig mit Zustellung an den Bauherrn auch mit Rechtsbehelfsbelehrung an die Nachbarn zuzustellen, damit die Monatsfrist zu laufen beginnt.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck