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Ungewöhnlich niedrige Angebots-Preise lösen nicht immer eine Hinweispflicht des Architekten aus

Auch unter Berücksichtigung einer grundsätzlichen Pflicht des Architekten, im Rahmen der Bewertung von Angeboten den Bauherrn auf etwaige Spekulationsangebote hinzuweisen, kann eine solche Hinweispflicht – wenn sich die Preise nicht als völlig unrealistisch darstellen – im Einzelfall entfallen.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In den Leistungsphasen 6 und 7 schuldet der Architekt eine ordnungsgemäße Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe.
Beispiel
(nach OLG Dresden , - Urteil vom 07.12.2017 – 10 U 245/17, BGH, Beschluss vom 14.05.2020 – VII ZR 5/18 NZB zurückgewiesen)
Ein Bauträger projektiert ein größeres Bauvorhaben und beauftragt einen Architekten mit den Leistungsphasen 1- 8. Im Rahmen der Vergabe geben deutsche Unternehmen Angebote über rund 7.300.000,00 Euro ab. Um die Kosten zu senken, wird ein empfohlenes polnisches Unternehmen um ein Angebot gebeten, das Angebot lautet in der Folge auf rund 6.000.000 Euro. Aufgrund von offenbar wirtschaftlichen Schwierigkeiten werden im Rahmen der Errichtung des Bauvorhabens dem beauftragten polnischen Unternehmen nach und nach Gewerke entzogen, schließlich stellt das polnische Unternehmen die Arbeiten ein. Der Bauträger ist gezwungen, das Bauvorhaben mit Drittunternehmen fertig zu stellen, die endgültigen Kosten liegen nach seinen Angaben bei rund 8.100.000,00 Euro. In Höhe der Differenz zwischen den Angeboten der deutschen Unternehmen und den endgültigen Kosten nimmt der Bauträger den Architekten in Haftung mit der Begründung, der Architekt habe Ihnen aufgrund seiner Prüfungspflicht von einer Beauftragung des polnischen Unternehmens abraten müssen.

Das OLG Dresden weist die Schadensersatzklage des Bauträgers gegen seinen Architekten ab. Grundsätzlich sei ein Architekt zwar verpflichtet, die Angebote der Bauunternehmen auf Richtigkeit der in ihnen aufgeführten Preise und Mengen sorgfältig zu überprüfen. Im Rahmen der Prüfung und Bewertung von Angeboten könne ein Architekt zu dem Hinweis verpflichtet sein, dass ein am Bau Beteiligter ein Spekulationsangebot abgegeben hat, welches im Ergebnis nicht mit anderen Angeboten kompatibel ist (vgl. für eine öffentliche Auftragsvergabe OLG Hamm, Urteil vom 29.04.2008). Allerdings sei hier das Angebot der polnischen Baufirma nicht so gering kalkuliert gewesen, dass die Preise völlig unrealistisch gewesen wären.

Außerdem sei von dem Architekten nicht zu erwarten gewesen, dass er in der Lage wäre, dass auf der Grundlage der in Polen üblichen Preise kalkulierte Angebot vollständig zu überprüfen. Dass im Übrigen das Angebot der polnischen Firma die in Deutschland üblichen Preise deutlich unterschritt, sei für den Geschäftsführer des Bauträgers ebenso erkennbar gewesen. Entsprechend musste auch dem Geschäftsführer bewusst sein, dass es aufgrund der extremen Reduzierung der Kosten gegenüber den Angeboten deutscher Konkurrenzfirmen bei der Bauausführung zu Problemen kommen könnte. Da auch der Bauträger sich nicht um eine weitere Aufschlüsselung und um weiteren Nachweis im Hinblick auf das Angebot kümmerte, könne er – so das OLG Dresden – das Risiko, dass mit der Beauftragung eines extrem günstigen Bauunternehmers verbunden war, nicht auf den Architekten verlagern.


Hinweis
Das Rechtsverhältnis zwischen einem Bauträger und einem Architekten ist in der Regel – im Vergleich insbesondere zu einem privaten Bauherrn – ein besonderes: Bei der Vertragsgestaltung zu beachten ist ggf. insbesondere der Wunsch des Bauträgers, möglichst bald mit dem Vorhaben in den Vertrieb gehen zu können; ggf. ist zu klären, ob und inwieweit dem Architekten das Kosten- und Zeitmanagement obliegt oder ob der Bauträger dies an sich zieht.


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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck