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Sind bei größeren Bauvorhaben Leistungen des Architekten ohne vertragliche Vereinbarung "allgemein üblich"?

Die Rechtsprechung wird nicht müde zu behaupten, dass bei größeren Bauvorhaben Leistungen des Architekten ohne vertragliche Vereinbarung "allgemein üblich" seien und als Akquise-Leistungen nicht zu vergüten seien. Eine Vermutung dahingehend, dass umfangreiche Architekten- und Ingenieurleistungen nur im Rahmen eines Vertrages erbracht werden würden, gäbe es nicht.
Hintergrund
Haben Architekt und Bauherr einen Vertrag geschlossen, prägt dieser wesentlich das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien.

Fraglich ist zunächst, ob ein Vertrag tatsächlich zwischen Architekt und Bauherr zustande gekommen ist.

Von dem Zustandekommen eines Vertrages ist nicht auszugehen, wenn der Architekt seine Leistungen lediglich akquisitorisch erbracht hat.
Beispiel
(nach OLG Jena , Urt. v. 19.12.2014 - 1 U 509/14, BGH, Beschluss vom 08.10.2015 - VII ZR 18/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen))
Die Parteien verbindet ein Stufenvertrag über Architekten- und Ingenieurleistungen im Zusammenhang mit dem Umbau und Sanierung eines Bestandsgebäudes. Der Architekt erbringt die erste  Leistungsstufe und rechnet sie ab. Im Hinblick auf die zweite Leistungsstufe beginnend mit Leistungen der Leistungsphase 5 erfolgt kein ausdrücklicher Abruf dieser Leistungen durch den Auftraggeber. Die Parteien steigen aber schon weit in die Details der Ausführungsplanung und der Leistungsverzeichnisse ein. Der Architekt erbringt Ausführungsplanungen und erstellt Ausschreibungsunterlagen. Er übergibt sie auch dem Auftraggeber. Im Verlaufe der weiteren Bemühungen werden Unterlagen teilweise auch vom Auftraggeber korrigiert. Der Auftraggeber nimmt dann aber von dem weiteren Projekt Abstand und reicht die Unterlagen zurück. Der Architekt rechnet die erbrachten Leistungen auch der Leistungsphasen 5 und 6 mit gut Euro 60.000,00 ab. Der Auftraggeber bestreitet das Zustandekommen eines Vertrages über diese Leistungen. Das Gericht folgt ihm. Zur Annahme eines Vertragsschlusses reiche die Tatsache nicht aus, dass Planungsleistungen erbracht und entgegengenommen worden seien. Eine Vermutung dahingehend, dass umfangreiche Architekten- und Ingenieurleistungen nur im Rahmen eines Vertrags erbracht werden würden, gäbe es nicht. Zu berücksichtigen sei, dass bei größeren Bauvorhaben Leistungen des Architekten ohne vertragliche Vereinbarung "allgemein üblich" seien.
Hinweis
Architekten können sich bei der Betrachtungsweise sehr selten auf eine stillschweigende Vertragsvereinbarung berufen. Woher die Annahme "allgemein üblicher" Akquise kommt, ist nicht klar. Belegt wird das in der Regel nicht. Der vorliegende Fall zeigt, dass selbst im Rahmen eines Stufenvertrages und der Problematik des Abrufes der zweiten Stufe die so genannte Akquisitionsthematik von der Rechtsprechung angewandt wird. Vermutlich wird gerade durch die Vielzahl der Urteile in diese Richtung erst die Aussage, Architekten könnten Leistungen bewusst umsonst erbringen wollen, erst richtiger. Architekten werden gehalten sein, Vertragsabschlüsse zu bestätigen und entsprechend darauf zu bestehen.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck