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Schriftform gemäß § 5 Abs. 4 HOAI bei besonderen Leistungen gemäß Treu und Glauben entbehrlich?

Auf das Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung im Sinne des § 5 Abs. 4 HOAI kann es u. U. nach Treu und Glauben nicht mehr ankommen, wenn der Auftraggeber den Architekten ausdrücklich um die Erbringung der besonderen Leistungen bittet und den entstandenen Mehraufwand zumindest lange Zeit nicht bestritten hat.

Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Steht fest, daß die HOAI anwendbar ist und liegt eine nach der HOAI wirksame Honorarvereinbarung nicht vor, ermittelt sich das Honorar des Architekten direkt nach den Vorgaben der HOAI.

Hat der Architekt besondere Leistungen ohne Honorarvereinbarung erbracht, so erhält er hierfür kein Honorar.

Beispiel
(nach OLG Koblenz , Urt. v. 28.01.2008 - 12 U 1107/06, BGH Beschluss v. 24.04.2008 - Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen.)
Bei einem Bauvorhaben wird kurz vor Fertigstellung ein Baustopp angeordnet. Der Bauherr bittet den für ihn tätigen Architekten, die Absicherung des Bauvorhabens und des Inventars zu betreuen und zu kontrollieren. Der Architekt rechnet später seinen Betreuungsaufwand nach Stunden ab. Der Bauherr erhält ihm u. a. eine fehlende schriftliche Honorarvereinbarung gemäß § 5 Abs. 4 HOAI vor.
 
Das Gericht folgt dem Argument des Bauherrn nicht. Es sieht zwar die Tätigkeit des Architekten als eine besondere Leistung an. Angesichts der Art der geforderten Tätigkeit und deren Umfang seien die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 hier gegeben. Die Abrechnung sei nach den aufgeführten Stunden und den entstandenen Nebenkosten erfolgt. Auf das Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung im Sinne des § 5 Abs. 4 HOAI könne es aber nach so langer Zeit und mit Rücksichtnahme auf die in der Rechnung aufgestellte und unbestritten gebliebene Behauptung, die angefallenen Mehrkosten seien dem Bauherrn in mehreren Schreiben und Aufstellungen zur Kenntnis gebracht worden, nach Treu und Glauben nicht mehr ankommen. Dies gelte umso mehr, als der Bauherr in eigenen Schreiben das Tätigwerden des Architekten erbeten und eingeleitet hatte.

Hinweis
Ob es sich bei der hier streitgegenständlichen Tätigkeit – Betreuung von Absicherungsmaßnahmen eines Bauvorhabens wegen Baustillstandes – um eine besondere Leistung im Sinne der HOAI handelt, dürfte möglicherweise gar nicht so eindeutig sein (vgl. Urteil des KG Berlin vom 21.12.2004). Sollte es sich nicht um eine besondere Leistung handeln, wäre ebenfalls eine Abrechenbarkeit ohne schriftliche Honorarvereinbarung gegeben.
 
Erfreulich ist, dass das Gericht – wenn man eine besondere Leistung unterstellt – dem Bauherrn die Berufung auf die fehlende Schriftform gemäß Treu und Glauben verwehrt (vgl. zu ähnlichen Beispielen unter "Sind Ausnahmen vom Schriftformerfordernis bei besonderen Leistungen denkbar?").

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck