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Schadensminderungspflicht: Muss öffentlicher AG Rechtsbehelf gegen Widerrufsbescheid des Zuwendungsgebers einlegen?

Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht eines öffentlichen Auftraggebers wegen Verzichts auf einen Rechtsbehelf gegen den Widerrufsbescheid des Zuwendungsgebers besteht nur dann, wenn für den Rechtsbehelf hinreichende Erfolgsaussichten bestanden.

Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Eine Haftung des Architekten kann aufgrund besonderer Umstände eingeschränkt oder ausgeschlossen sein.

Eine Einschränkung oder ein Ausschluß der Haftung kann sich ergeben aufgrund eines Mitverschuldens des Bauherrn.
Beispiel
(nach OLG Naumburg , Urt. v. 16.12.2022 - 7 U 40/22)
Eine kleinere Stadt beabsichtigt die Erneuerung eines Dachs des Dorfgemeinschaftshauses und erhält hierfür öffentliche Fördermittel in Höhe von rund Euro 35.000 für Bauleistungen bewilligt. Da die Stadt keine eigene Vergabestelle besitzt, beauftragt die Stadt einen Planer u. a. mit den Leistungsphasen 6 und 7 Objektplanung Gebäude. Nach Durchführung des Vorhabens deckt der Zuwendungsgeber erhebliche Mängel im Vergabeverfahren auf (vgl. auch Parallelbesprechung). Er widerruft den Förderbescheid und verlangt die Fördermittel zurück. Die Stadt zahlt die Fördermittel zurück und verlangt entsprechend Schadensersatz vom Planer. Der Planer wendet ein, die Stadt müsse sich ein überwiegendes Mitverschulden zurechnen lassen, auch weil die Stadt keinen Rechtsbehelf gegen den Widerruf des Zuwendungsbescheides eingelegt habe.

Dem Argument des Planers folgt das Oberlandesgericht Naumburg nicht. Richtig sei, dass den öffentlichen Auftraggeber ein Mitverschulden trifft, wenn ihm hinsichtlich der Pflichtverletzungen eines Planers im Vergabeverfahren bei einer sorgfältigen Durchsicht des Angebotes des Bestbieters dieselben Feststellungen – die zum Widerruf des Zuwendungsbescheides führten – möglich gewesen wären, wie später dem Zuwendungsgeber. Insoweit sei ein Mitverschuldensanteil der Stadt i.H.v. 25 % anzusetzen, welchen die Stadt aber im Rahmen der Klage schon berücksichtigt habe. Hingegen sei ein Mitverschulden der Stadt nicht deswegen festzustellen, weil die Stadt gegen den Widerrufsbescheid des Zuwendungsgebers keinen Rechtsbehelf eingelegt habe. Denn Rechtsbehelfe müsse ein Geschädigter nur einlegen, soweit dafür hinreichende Erfolgsaussichten bestünden (vgl. auch OLG München, Urteil vom 07.04.2020). Daran fehle es aber hier – so das Gericht nach Prüfung der seitens des Zuwendungsgebers vorgebrachten Beanstandungen.

Hinweis
Die Frage, ob ein geschädigter Bauherr im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht Rechtsbehelfe gegen belastende Bescheide einlegen muss, ist sicherlich für jeden Einzelfall zu betrachten. Soweit die Aussichten eines Rechtsbehelfs für den Bauherrn – anders als vielleicht im vorliegenden Fall – schwer kalkulierbar sind, erscheint ein vorsorglich eingelegter Rechtsbehelf idR. jedenfalls dann sinnvoll, wenn der gegenüber dem Planer infolge des negativen Bescheides geltend gemachte Schadensersatz der Höhe nach die Kosten eines Rechtsbehelfsverfahrens erheblich übersteigt.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck