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Schadensersatzanspruch wegen Baukostenüberschreitung scheitert, wenn Baukosteninformation vom Architekten nicht abgewartet wird

Schließt der Auftraggeber einen Kaufvertrag über eine zu errichtende Wohnung mit dem Versprechen der Errichtung ab, ohne zuvor vom Architekten eine verlässliche Ermittlung zu den Kosten der Errichtung erhalten zu haben, steht ihm gegenüber dem Architekten ein Schadensersatzanspruch auch dann nicht zu, wenn  der Verkaufspreis die Kosten der Errichtung nicht deckt.


Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Ein Sonderbereich der Architektenhaftung stellt die Haftung für Bausummenüberschreitungen dar.

Steht eine Haftung des Architekten wegen Bausummenüberschreitung dem Grunde nach fest, so bereitet die Feststellung des Schadens oft Probleme.
Beispiel
( - LG Hamburg, Urteil vom 23.03.2015 – 328 O 24/06, OLG Hamburg, Beschluss vom 28.06.2019 – 13 U 43/15, BGH, Beschluss vom 19.05.2021 – VII ZR 176/19 NZB zurückgewiesen)
Eine Bauträgerin erwirbt ein Bestandsgebäude. Es ist eine Sanierung des Bestandsgebäudes und eine Aufstockung mit der zusätzlichen Schaffung von mindestens einer Dachgeschosswohnung beabsichtigt. Ein Architekt wird zunächst mit den Leistungsphasen 1, 3 und 4 beauftragt. Auftragsgemäß erstellt der Architekt einen Bauantrag, eine Baugenehmigung wird erteilt. Kurze Zeit später veräußert die Bauträgerin eine Dachgeschosswohnung unter Bezugnahme auf eine vom Architekten gefertigte Baubeschreibung. Eine belastbare Kostenermittlung wird erst etwa zwei Monaten nach Veräußerung der genannten Dachgeschosswohnung vorgelegt.

Die Bauträgerin nimmt später den Architekten auf rund Euro 560.000,00 Schadensersatz in Anspruch. Das gesamte Vorhaben sei für sie wirtschaftlich gescheitert, weil der Architekt im Rahmen seiner Leistungen erhebliche kostenauslösende Maßnahmen übersehen und im Übrigen nicht hinreichend über die Baukosten informiert habe. Wäre die Bauträgerin richtig informiert gewesen, hätte sie von dem Verkauf der Dachgeschosswohnung und von dem gesamten Projekt Abstand genommen. Die Bauträgerin ermittelt ihren Schaden, indem sie die (angeblich) aufgewandten Gesamtkosten dem Gesamtertrag gegenüberstellt.

Der Architekt verteidigt sich unter anderem mit dem Vortrag, er habe mit den Kosten des Projekts nichts zu tun gehabt, entsprechende Leistungen seien von ihm nicht erwartet worden, selbst im Hinblick auf die etwa zwei Monate nach Verkauf der Dachgeschosswohnung vorgelegte Kostenermittlung seien ihm die Zahlen weitgehend von der Bauträgerin selbst vorgegeben worden.

Das Landgericht Hamburg weist die Klage der Bauträgerin ab, die Entscheidung wird durch das Oberlandesgericht Hamburg in 2. Instanz gehalten. Das Landgericht beschäftigt sich zunächst mit den Behauptungen der Bauträgerin, der Architekt habe in größerem Umfange kostenauslösende Maßnahmen übersehen. Es kommt hier zu dem Ergebnis, dass die Planung einer Stahlkonstruktion, die für die beabsichtigte Aufstockung des Gebäudes erforderlich wurde, tatsächlich durch den Architekten nicht erfolgte; die bereinigten Mehrkosten ermittelt das Gericht in Höhe von rund Euro 100.000,00. Im Weiteren führt das Gericht aus, weshalb die Bauträgerin nicht schlüssig dargelegt habe, dass sie wegen den genannten Mehrkosten in Höhe von rund Euro 100.000,00 das Bauvorhaben insgesamt abgebrochen hätte.

Im Übrigen weisen Landgericht und Oberlandesgericht darauf hin, dass ein Schadensersatzanspruch eines Auftraggebers wegen unzureichender Informationen über Baukosten dann ausscheide, wenn der Auftraggeber einen Kaufvertrag über eine zu errichtende Wohnung abschließe, ohne überhaupt zuvor vom Architekten eine verlässliche Kostenermittlung erhalten zu haben. Dabei wird u. a. auch abgestellt auf die Bauerfahrung der Bauträgerin sowie weitere Umstände, die darauf schließen ließen, dass tatsächlich von dem Architekten Kosteninformationen in größerem Umfange nicht erwartet worden waren.


Hinweis
Eine möglicherweise knappe, im Ergebnis aber wohl richtige Entscheidung. Entscheidend dürfte hier tatsächlich die Eigenschaft der Auftraggeberin als Bauträgerin gewesen sein; d. h. auch, dass das Urteil auf Laien-Auftraggeber nicht ohne weiteres übertragbar ist. Bei Laien-Auftraggebern hätte der Architekt von vornherein viel umfangreicher ein Baubudget abfragen bzw. über entstehende Kosten im Rahmen der Kostenermittlungen, unter anderem Kostenberechnung, informieren müssen.

Für Architekten gibt das Urteil Anlass, über eine haftungsvermeidende Vertragsgestaltung nachzudenken: Werden Architekten von Bauträgern beauftragt, sind sie nicht selten ganz oder teilweise von der Kostenermittlung und -verfolgung entbunden. Solches muss natürlich im Vertrag mit dem Bauträger klar und deutlich (und ggf. unter Inkaufnahme von entsprechenden Honorarabzügen) festgehalten werden. Anderenfalls wird sich immer die Frage stellen, warum denn der Architekt nicht rechtzeitig genug das Budget abgefragt und die Kosten des Vorhabens sachgerecht ermittelt hat.


Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck