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Rücknahme erteilten Dispenses: Planungsfehler!

Die Rücknahme eines Dispenses – Befreiung von einer baurechtlichen Vorschrift – führt zu einem Planungsfehler und zur Haftung des Architekten; nach dem OLG Hamm selbst dann, wenn die Entscheidung zur Erteilung des Dispenses ermessensfehlerfrei war und der Bauherr sich gleichwohl klaglos der Rücknahmeandrohung beugt.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In den Leistungsphasen 1 - 5 führen Planungsfehler zu einer Haftung des Architekten.

Ein besonderes Haftungsrisiko trifft den Architekten bei der Erstellung einer genehmigunsfähigen Planung.
Beispiel
(nach OLG Hamm , Urt. v. 05.08.2004 - 21 U 1/04)
Ein Architekt wurde beauftragt, Planungsleistungen im Hinblick auf die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage zu erbringen. Die Baugenehmigung wurde unter anderem unter Befreiung der nach der Garagenverordnung-NRW, § 3 Absatz 1 GarVO-NRW, geforderten Mindestlänge von 3 Metern der Garagenzufahrt erteilt. § 3 Absatz 1 Satz 2 GarVO-NRW sieht ausdrücklich vor, dass Ausnahmen zugelassen werden können.

Nach Errichtung der Garage änderte die Behörde ihre Ansicht und drängte auf Versetzung der Garage. Den alternativen Androhungen insbesondere einer Abrissverfügung beugte sich der Bauherr, indem er die Garage beseitigen ließ, an anderer Stelle neu errichteten ließ und einen entsprechenden Nachtrag zum Bauantrag stellte.
Die damit einhergehenden Kosten in Höhe von rund € 40.000,- verlangte der Bauherr vom Architekten ersetzt.

Das Oberlandesgericht gab dem Bauherrn recht. Der Architekt schuldet eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Bei Ermessensentscheidungen sei der Architekt nach Ansicht des Gerichtes auf das Ermessen der Behörde angewiesen. Trifft die Behörde zunächst eine Entscheidungen zugunsten der Planung des Architekten und nimmt sie dann wieder zurück, so soll dies auch dann noch zu Lasten des Architekten gehen. Dem Bauherrn könne nach Ansicht des Gerichtes nicht zugemutet werden, einen Rechtsstreit mit der Behörde zu führen. Die Pflicht zur fehlerfreien Planung solle den Bauherrn auch vor Nachteilen und Risiken rechtlicher Auseinandersetzungen mit den Baubehörden schützen. Geschuldeter Erfolg sei eine nicht rücknehmbare Baugenehmigung.

Der Bauherr hatte im übrigen auch zunächst versucht, von der Stadt (Bauamt) die Kosten für die Beseitigung der alten Garage und die Errichtung der neuen Garage im hinteren Bereich des Grundstücks ersetzt zu bekommen. Dies verfolgte er schließlich nicht weiter, da sich die Stadt bzw. deren Haftpflichtversicherung darauf berief, dass ein Amtshaftungsanspruch wegen des Verweisungsprivilegs aus § 839 Satz 2 BGB nachrangig sei (vgl.
Haftung / weitere Beteiligte / Architekt u. Genehmigungsbehörde / vorrangige Haftung des Architekten
).
Hinweis
Die Entscheidung des OLG geht zu weit. Das Bauamt hat offenbar geschafft, die Folgen einer Rücknahme des begünstigenden Erstbescheides durch die Drohkulisse zu umgehen. Dieses Verhalten wird durch das OLG in zweifelhafter Weise unterstützt. Unseres Erachtens hätte eine Haftung des Architekten nur dann in Betracht kommen können, wenn die Ermessensentscheidung des Bauaufsichtsamts fehlerhaft war.

Dem Architekten bleibt in entsprechenden Fällen nahezu allein noch die nachhaltige und dringende Aufklärung des Bauherrn, um im Vorfeld die Haftungsrisiken zu mindern; - s. a. Beschränkung der Haftungsrisiken im Rahmen genehmigungsfähiger Planung? unter Tips & Mehr. Darauf weist auch das OLG hin.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck