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Objektbetreuer und Bauunternehmer: Keine Gesamtschuldner!

Dem Architekten, der vom Bauherrn wegen einer Pflichtverletzung in der Leistungsphase 9 auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, steht – mangels Gesamtschuldverhältnisses – kein Ausgleichsanspruch gegenüber dem mangelhaft leistenden Bauunternehmer zu.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Sind neben dem Architekten noch weitere Beteiligte für einen Schaden verantwortlich, so bestimmt sich die Haftung eines jeden nach seinen ihn im Verhältnis zu den anderen treffenden Pflichten.

Zur Abgrenzung der Pflichten von Architekt und Bauunternehmer.
Beispiel
(nach BGH , Urt. v. 01.12.2022 - VII ZR 90/22)
Ein Architekt wird mit den Leistungsphasen 1-9 Objektplanung Hochbau für den Bau eines Einfamilienhauses beauftragt. In dem Architektenvertrag wird auch eine Teilabnahme nach Abschluss der Objektüberwachung, Leitungsphase 8, vorgesehen. Nach Fertigstellung werden die Werkleistungen der beteiligten Bauunternehmer sowie auch die Leistungen des Architekten aus den Leistungsphasen 1-8 durch den Bauherrn abgenommen. In der darauf folgenden Zeit tauchen Feuchtigkeitserscheinungen in dem Gebäude an verschiedenen Stellen auf. Mehr als 5 Jahre später nimmt der Bauherr den Architekten auf Schadensersatz in Anspruch.

Obgleich Ansprüche des Bauherrn wegen Pflichtverletzungen des Architekten im Hinblick auf die entstandenen Feuchtigkeitsschäden aus den Leistungsphasen 1-8  aufgrund des Ablaufes von 5 Jahren nach Abnahme bereits verjährt seien, haftet der Architekt hier wegen einer Pflichtverletzung aus der Leistungsphase 9. Der Architekt hatte in der Leistungsphase 9 unterlassen, die aufgetretene Feuchtigkeit sachverständig untersuchen zu lassen mit der Folge, dass darauf bezogene Gewährleistungsansprüche gegenüber den Bauunternehmern nicht mehr durchsetzbar waren. Die Haftpflichtversicherung des Architekten gleicht entsprechend den entstandenen Schaden in Höhe von rund Euro 190.000,00 an den Bauherrn aus.

Nunmehr macht die Haftpflichtversicherung (aus abgetretenem Recht) Ausgleichsansprüche gegenüber denjenigen Bauunternehmern, die die Feuchtigkeitsmängel verschuldet hatten, geltend. Die Versicherung beruft sich hierzu auf ein zwischen dem Architekten und dem Bauunternehmern bestehendes Gesamtschuldverhältnis.

Der BGH weist die Klage ab. Ein Gesamtschuldnerausgleichsanspruch des Architekten gegen den bauausführenden Unternehmer bestehe mangels Gesamtschuldverhältnis nicht, wenn dem Bauherrn einerseits Schadensersatzansprüche gegen den Architekten wegen Verletzung der vertraglich vereinbarten Objektbegehungspflicht (Leistungsphase 9) und ihm andererseits Mängelansprüche gegen den bauausführenden Unternehmer wegen diesem zuzurechnender Mängel des Bauwerks zustehen. Voraussetzung einer gesamtschuldnerischen Haftung sei, dass zwischen den Haftenden aufgrund der Gleichstufigkeit der Verpflichtungen eine Tilgungsgemeinschaft bestehe. Sie fehle, wenn der Leistungszweck der einen gegenüber der anderen Verpflichtung nachrangig sei. Hier sei der Schadensersatzanspruch gegen den Architekten nicht vor Eintritt der Verjährung der gegen den Beklagten zu 2 gerichteten Mängelansprüche entstanden. Es fehle mithin an der geforderten Gleichstufigkeit.

Hinweis
Da in den letzten Jahren zunehmend wirksam Teilabnahmeverpflichtungen des Bauherrn nach Leistungsphase 8 vereinbart und auch durchgeführt wurden und da zudem durch die BGB Novelle 2018 mit § 650s BGB eine gesetzlich normierte Teilabnahmeverpflichtung des Bauherrn geschaffen wurde, wird es möglicherweise in Zukunft häufiger zu der hier vorgefundenen Konstellation kommen: Dass nämlich Ansprüche sowohl gegenüber den Bauunternehmern auch als auch gegenüber dem Architekten aus den Leistungsphasen 1-8 (bzw. aus den bis zum Zeitpunkt der letzten Bauunternehmerabnahme gemäß § 650s BGB erbrachten Leistungen) verjährt sind und entsprechend eine Haftung des Architekten lediglich aus Leistungen im Anschluss an die Teilabnahme in Betracht kommt.


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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck