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Nachbesserungsaufforderung bei Baukostenüberschreitung erforderlich, wenn Mangel noch nicht im Bauwerk verkörpert?

Ein Schadensersatzanspruch gegen den Architekten wegen Baukostenüberschreitung setzt, wenn sich der Mangel seiner Leistung noch nicht im Bauwerk verkörpert hat, voraus, dass ihm Gelegenheit zur Nachbesserung seines eigenen Werkes gegeben wird.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Ein Sonderbereich der Architektenhaftung stellt die Haftung für Bausummenüberschreitungen dar.

Werden Bausummen überschritten, so muß der Bauherr den Architekten i.d.R. zunächst zur Nachbesserung auffordern, bevor er Haftungsansprüche geltend machen kann.
Beispiel
(nach OLG Frankfurt , Urt. v. 20.11.2014 - 15 U 19/10)
Ein Bauherr erwirbt ein Grundstück und beauftragt einen Architekten mit den Leistungen Leistungsphasen 1 bis 9. Bei dem Grundstück handelt es sich um ein Hanggrundstück. Im Zuge der Planung des Bauvorhabens erstellt der Architekt eine Baukostenaufstellung mit Gesamtkosten von € 395.000,00. Nach Ausschreibung der Bauleistungen ergeben sich aufgrund der Hanglage Mehrkosten bei den Erd- und Rohbauarbeiten. Der Architekt erstellt eine neue Baukostenschätzung von € 455.000,00, welche vom Bauherrn unterschrieben wird. Aufgrund unter anderem eines unsachgerechten Aushubs der Baugrube und entsprechender Erdrutsche werden weitere Aushubarbeiten durch Nachbarn per einstweiliger Verfügung stillgelegt. Aufgrund hiernach erforderlicher Sicherungs- und Verbauarbeiten sollen entsprechend eines Angebotes Mehrkosten von rund 51.000 € entstehen. Der Bauherr entschließt sich zum Abbruch des Bauvorhabens, lässt die Baugrube wieder verfüllen und verkauft das Grundstück. Im Folgenden macht der Bauherr Schadensersatz unter anderem gegenüber dem Architekten wegen Baukostenüberschreitung in Höhe der ihm für das Bauvorhaben entstandenen Aufwendungen sowie des Mindererlöses bei Verkauf des Grundstückes geltend; er habe nicht mehr als € 400.000 ausgeben wollen.

Das OLG Frankfurt kann bereits eine Pflichtverletzung wegen fehlerhafter Kostenermittlungen unter Berücksichtigung der dem Architekten einzuräumenden Toleranzen nicht erkennen. Das Gericht macht weiter darauf aufmerksam, dass einem Schadensersatzanspruch des Bauherrn darüber hinaus entgegenstehe, dass der Bauherr dem Architekten vor der von ihm getroffenen Entscheidung, das Bauvorhaben abzubrechen, eine Frist zur Nacherfüllung nicht gesetzt habe. Zwar setze nach der Rechtsprechung des BGH ein Schadensersatzanspruch gegen den Architekten wegen Baukostenüberschreitung nicht voraus, dass ihm Gelegenheit zur Nachbesserung seines eigenen Werkes gegeben werde, wenn sich der Mangel seiner Leistungen bereits im Bauwerk verkörpert habe; dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, was sich bereits daraus ergebe, dass der Architekt nach Bekanntwerden der erhöhten Kosten für die Sicherung der Baugrube im Einvernehmen mit dem Bauherrn planerisch tätig geworden sei, um die Kosten des Bauvorhabens zu reduzieren und auf seinen Änderungsbauantrag unter Verzicht auf ein zweites Untergeschoss eine Baugenehmigung erteilt wurde. Sofern der Bauherr mit dieser geänderten Planung und vorgesehenen Durchführung des Bauvorhabens nicht einverstanden gewesen wäre, hätte er dem Architekten erneut Gelegenheit zur Nachbesserung geben müssen, planerische Überlegungen zur Reduzierung der Baukosten anzustellen.


Hinweis
Hat sich ein Mangel im Bauwerk verkörpert, so ist dem Architekten grundsätzlich Gelegenheit zur Nachbesserung schon deshalb nicht mehr zu gewähren, weil eine etwaige Nachbesserung des Architekten (fehlerfreie Planung/Ausschreibungs/Objektüberwachung) gar nicht mehr möglich ist bzw. jedenfalls den Mangel nicht entfallen lässt. Bei Baukostenüberschreitungen ist die Sache allerdings etwas diffiziler: Wenn die Pflichtverletzung des Architekten nicht bereits deshalb eingetreten ist, weil bereits die irreversibel entstandenen Kosten eine Baukostenüberschreitung darstellen, ist theoretisch Nachbesserung in Form von Kostensenkung denkbar. Allerdings wird durch die Nachbesserung das Werk bzw. Bauwerk möglicherweise nicht unerheblich verändert und es stellt sich berechtigt die Frage, ob eine solche Veränderung dem Bauherrn überhaupt zumutbar ist ( OLG Naumburg , Urt. v. 17.07.2007). Für die Frage der Zumutbarkeit dürfte die Anschlussfrage erheblich sein, wie der Bauherr wohl, wenn er die Baukostenüberschreitung und die hierdurch erforderliche Änderung rechtzeitig gekannt hätte, reagiert hätte. Im vorliegenden Fall konnte der Bauherr jedenfalls offenbar nicht glaubhaft darlegen, dass er das Bauvorhaben – gegebenenfalls zu den reduzierten Kosten ohne 2. Untergeschoss – überhaupt erst gar nicht begonnen hätte.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck