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Muss bauleitender Architekt Zementestrich nach Fertigstellung prüfen?

Ein zur Objektüberwachung verpflichteter Architekt hat sich nach Fertigstellung von Estricharbeiten vor Beginn der anschließenden Parkettverlegung zumindestens durch eine Gitterritzprüfung Gewissheit darüber zu verschaffen, ob der Estrichboden als Untergrund für den vorgesehenen Belag geeignet ist.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In der Leistungsphase 8 begründet die Verletzung u.a. von Überwachungspflichten oft eine Haftung des Architekten.

Geht aufgrund Baufortschritts die Möglichkeit zur Überwachung verloren, so verpflichtet dies den Architekten zu einer besonderen Kontrolle.
Beispiel
(nach OLG Oldenburg , Urt. v. 07.07.1999 - 2 U 98/99 -, Baurecht 1999, 1476)
Der auf einem neu eingebrachten Zementestrich verlegte Parkettboden löste sich ab. Ursächlich hierfür war eine zu geringe Härte an der Oberfläche des Estrichs sowie auch in tieferen Schichten. Die zu geringe Festigkeit beruhte auf einer zu raschen Austrocknung oder auf einem falschen Mischungsverhältnis des Estrichs. Der bauleitende Architekt wird für den Schaden, der durch das abgelöste Parkett entstanden ist, in Haftung genommen.

Das Gericht hält den Architekten für verantwortlich und gibt der Klage statt. Der Architekt habe seine Pflicht zur Objektüberwachung verletzt. Dabei könne dahinstehen, ob der Architekt schon während der Erstellung des Estrichs hätte anwesend sein oder durch Probeentnahmen sich von dem richtigen Mischungsverhältnis des Estrichs überzeugen müssen. Jedenfalls sei er verpflichtet gewesen, vor Beginn der Parkettverlegung sich zumindestens durch eine einfache Gitterritzprüfung Gewissheit darüber zu verschaffen, ob der Boden als Untergrund für den vorgesehenen Belag geeignet sei. Der Zeitpunkt der Fertigstellung des Estrichs vor Verlegung eines Belags stelle sich als typisch kritischer Bauabschnitt dar. Insbesondere bei baustellengemischtem Estrich komme es häufig zu Fehlern, weil dem Estrich zu viel Wasser beigemischt werde oder die Festigkeit des Estrichs durch zu rasches Austrocknen beeinträchtigt werde.
Hinweis
Das besprochene Urteil bestätigt die Rechtsprechung, dass der Architekt sich bei solchen Werkleistungen, deren Mangelfreiheit bei weiterer Ausführung des Bauvorhabens nicht mehr oder nur erschwert festgestellt werden kann, rechtzeitig genug von der Mangelfreiheit dieser Leistungen zu überzeugen hat. Unterlässt er diese Prüfung und stellt sich später heraus, dass die betroffene Leistung mangelhaft war, so haftet der Architekt nicht ohne weiteres für die mangelhafte Leistung selbst (im oben besprochenen Fall der Estrich), jedenfalls aber für solche Schäden, die durch die mangelhafte Leistung (Estrich) an Folgeleistungen (hier Parkettboden) entstanden sind.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck