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Muss Architekt Kenntnisse über erforderliche Lage und Tiefe von Bodenproben haben?

Jedenfalls bei einem komplexen Bauprojekt können von dem Architekten keine Kenntnisse über die erforderliche Lage und Tiefe von Bodenproben erwartet werden.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Sind neben dem Architekten noch weitere Beteiligte für einen Schaden verantwortlich, so bestimmt sich die Haftung eines jeden nach seinen ihn im Verhältnis zu den anderen treffenden Pflichten.

Zur Abgrenzung der Pflichten von Architekt und Bodenmechaniker.
Beispiel
(nach LG Flensberg , - 2 O 305/17)
Ein Bauherr lässt einen neuen Handelsmarkt nebst Parkplatz errichten. Das Gelände, auf dem der Handelsmarkt nebst Parkplatz errichtet werden soll, fällt in einer Richtung steil ab. Um eine hinreichend große und ebene Parkplatzfläche herzustellen, wurde das Gelände teilweise aufgeschüttet. Die Sicherung des Hangs erfolgt auf der Grundlage eines Bodengrundgutachtens als Gabionenstützwand. Nachdem diese Stützwand einstürzt, nimmt der Bauherr sowohl den Bodengrundgutachter als auch den mit Leistungsphasen 1-9 beauftragten Architekten in Haftung. Nach den Feststellungen eines Sachverständigen ist Ursache des Einsturzes, dass die Baugrundaufschlüsse weder an den erforderlichen Stellen noch in ausreichender Tiefe vorgenommen worden sind.

Das Landgericht Flensburg spricht die Architekten von einer Haftung frei: Selbst wenn die zu erbringende Objektplanung auch die Stützwand betraf, musste den Architekten der Fehler des Baugrundgutachtens nicht auffallen. Ein Architekt dürfe sich grundsätzlich auf die Fachkenntnisse eines Sonderfachmanns verlassen. Eine Kontrollpflicht des Architekten gegenüber dem Sonderfachmann bestehe nur insoweit, als die hierfür erforderlichen Kenntnisse auch von einem Architekten zu erwarten seien. Hier sei zu berücksichtigen, dass Kenntnisse über den Baugrund und Bodenmechanik nicht zu den Fähigkeiten gehören, die von einem Architekten üblicherweise zu erwarten seien.

Das Gericht stellt allerdings auch klar: Der Architekt dürfe ein erstelltes Bodengutachten nicht ungeprüft an die weiteren Beteiligten weiterleiten; vielmehr habe er diese Unterlagen zu studieren und Nachfragen zu stellen, soweit hierin Unklarheiten oder Widersprüche enthalten sein oder sich ihm Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Ergebnisse aufdrängen müssten.
 
Hinweis
Hier stellt sich die Frage, ob der seitens des Sachverständigen gegenüber den Baugrundgutachtern beanstandete Fehler, die Probebohrungen nicht auch unterhalb der Stützwand vorgenommen zu haben, den Architekten hätte auffallen müssen. Tatsächlich befanden sich die Probebohrungen weitgehend nicht im Verlaufe des Bauwerkes und teilweise bis zu 10 m davon entfernt liegend. Der Bauherr meint, dies habe den Architekten auffallen müssen. Eine 8 m hohes und aus gefüllten Steinkörben bestehendes Bauwerk trage offensichtlich extrem hohe vertikale Lasten in den direkt unter dem Bauwerk befindlichen Boden ein.

Das Gericht kommt – sachverständig beraten – zu einer anderen Entscheidung. Nach Aussage des Sachverständigen hätte ein grober und damit für die Architekten erkennbarer Fehler vorgelegen, wenn  die Bodenuntersuchungen, die allein für das Gebäude bzw. den Parkplatz vorgenommen wurde, ohne weitere Überprüfung auf den Bereich der Stützwand übertragen worden wären. Ein Blick auf die Lage der Bohrungen ergebe hier aber, dass diese nicht an vollkommen falscher Stelle erfolgt sein. Zumindest 2 der Bohrungen befinden sich etwa im Verlauf der Stützwand an deren seitlichen Enden. Außerdem sei es bei einer Stützwand so, dass nicht ausschließlich vertikale Lasten wirken, sondern erhebliche Schubkräfte von der Seite aus dem Hang kommen.

Bis zu welcher Tiefe gebohrt werden müsse, sei eine noch weniger den allgemeinen Kenntnissen des Architekten unterliegende Frage. Der Architekt sei nicht verpflichtet, etwa die Tiefe der Bohrungen mit der zugrunde zulegenden Setzungeinflusstiefe zu vergleichen.


 

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck