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Mündlicher Bedenkenhinweis ausreichend, wenn für AG Tragweite der Nichtbefolgung des Hinweises erkennbar


Ein durch den Architekten an den Auftraggeber gerichteter Bedenkenhinweis kann auch in mündlicher Form ausreichend sein, wenn für den Auftraggeber die Tragweite der Nichtbefolgung des Hinweises erkennbar war.


Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Eine Haftung des Architekten kann aufgrund besonderer Umstände eingeschränkt oder ausgeschlossen sein.

Eine Einschränkung oder ein Ausschluß der Haftung kann sich ergeben, wenn der Bauherr auf eigene Gefahr handelt.
Beispiel
(nach OLG München, Urteil vom 27.02.2019 – 13 U 1219/17 Bau; BGH, Beschluss vom 10.02.2021 – VII ZR 60/19 NZB zurückgewiesen , )
Ein Architekt wird mit der Planung eines Ärztehauses beauftragt. Die Planung des Architekten enthält u. a. eine Anordnung von Stellplätzen in der Tiefgarage, welche die höchstzulässige Rettungsweglänge überschreitet. Eine Umplanung wird erforderlich. Der Auftragnehmer nimmt den Architekten auf Schadensersatz in Anspruch.

Das OLG München weist die Schadensersatzklage des Auftraggebers ab. Nach Vernahme des Geschäftsführers der Auftraggeberin sowie mehrerer Zeugen kommt das OLG zu folgendem Schluss: Der Geschäftsführer hatte in einer gemeinsamen Besprechung zu der Anordnung der Tiefgaragen-Stellplätze selber in einer Skizze die Überschreitung der zulässigen Rettungsweglänge vorgeschlagen. Der Architekt habe dem Geschäftsführer daraufhin mitgeteilt, dass es eines Abweichungasntrages bedürfe und dass es nicht sicher sei, ob dieser erfolgreich sei. Der Geschäftsführer habe sich gleichwohl dafür entschieden, es zu versuchen. Nachdem der Abweichungsantrag abgelehnt worden sei, habe der Architekt Kompensationsmöglichkeiten vorgeschlagen, und zwar insbesondere den Einbau einer Sprinkleranlage oder die Ablösung weiterer Stellplätze.

Vor dem Hintergrund dieses Sachverhaltes sieht das OLG München keine Pflichtverletzung des Architekten. Insbesondere genüge auch ein mündlicher Bedenkenhinweis, da der Auftraggeber die Tragweite der Nichtbefolgung des Hinweises erkennen konnte. Dass es zu einer gewissen Verzögerung kommen könnte, habe der Auftraggeber mit seiner Zustimmung, es einmal mit dem Abweichungsantrag zu versuchen, in Kauf genommen. Eine weitere Verzögerung sei lediglich dadurch entstanden, dass der Auftraggeber sich hier zwischen den Kompensationsmöglichkeiten, die der Architekt vorgeschlagen hatte, nicht entscheiden konnte.
Hinweis
Es ist allgemein anerkannt, dass Bedenkenhinweise auch mündlich erteilt werden können. Es kommt mithin nicht auf die Form des Bedekenhinweises, sondern auf dessen Inhalt an. Der Inhalt – das hat die Rechtsprechung insbesondere gegenüber Architekten immer wieder klargestellt – muss so beschaffen sein, dass der Bauherr über sämtliche Risiken des mit dem Bedenkenhinweis versehenen Vorgehens so ausreichend und detailliert aufgeklärt wird, dass er die Tragweite seiner Entscheidung und eine Nichtbefolgung des Hinweises erkennen kann.

Hier stand entsprechend dem beklagten Architekten das Glück gleich zweimal zur Seite: Durch Zeugenaussagen konnte er nachweisen, dass er Bedenken mündlich angemeldet hatte. Weiter reichte dem OLG München Art und Umfang des Bedenkenhinweises, nämlich hier der Hinweis, dass die Erteilung einer Abweichung unsicher sei (das OLG Nürnberg hat in seinem Urteil vom 16.06.2021 darauf hingewiesen, dass alleine die Kenntnis eines Befreiungserfordernisses jedenfalls bei Laien-Bauherrn zur Enthaftung nicht ausreicht).

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck