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Mitverarbeitete Bausubstanz: In einzelnen Leistungsphasen unterschiedlich zu berücksichtigen?

Hat der Architekt oder der Ingenieur bei den Grundleistungen einzelner Leistungsphasen vorhandene Bausubstanz nicht technisch oder gestalterisch mitverarbeitet, ist es nicht angemessen, diese Bausubstanz insoweit bei den anrechenbaren Kosten zu berücksichtigen.
Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Steht fest, daß die HOAI anwendbar ist und liegt eine nach der HOAI wirksame Honorarvereinbarung nicht vor, ermittelt sich das Honorar des Architekten direkt nach den Vorgaben der HOAI.

Im System der HOAI stellen die anrechenbaren Kosten eine der Grundlagen zur Berechnung der Honorars dar.
Beispiel
(nach BGH , Urt. v. 27.02.2003 - VII ZR 11/02-, BauR 2003, 745)
Ein Architekt wurde mit Leistungen für die Erweiterung und den Umbau eines Krankenhauses beauftragt. Nach Abschluss der Leistungen verlangt der Architekt restliches Honorar. Das Resthonorar ergibt sich nach den Berechnungen des Architekten insbesondere aus dem Umstand, dass der Architekt für sämtliche von ihm erbrachten Leistungsphasen (1 bis 6) anrechenbare Kosten zu Grunde legte, die unter Berücksichtigung der vorhandenen Bausubstanz ermittelt worden waren. Der Bauherr hingegen meint, eine Berücksichtigung der vorhandenen Bausubstanz sei bei den Leistungsphasen 5 und 6 unangemessen.

Der BGH gibt dem Bauherrn recht. Zunächst stellt der BGH (vgl. auch unter Honoraranspruch / .. / vorhandene Bausubstanz: Vereinbarung des angemessenen Umfangs) fest, dass das Schriftformerfordernis in § 10 Abs. 3 a HOAI keine Anspruchsvoraussetzung sei; viel mehr könne der Architekt oder Ingenieur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 HOAI auch dann die anrechenbaren Kosten unter Berücksichtigung der vorhandenen Bausubstanz ermitteln, wenn eine schriftliche Vereinbarung fehle. Über die Frage des Umfanges der mitverarbeiteten Bausubstanz habe ggf. das Gericht zu entscheiden (nicht der Architekt).

Der BGH bestätigt sodann die Auffassung des Berufungsgerichtes, das die vorhandene Bausubstanz allerdings bei solchen Leistungsphasen, bei denen Sie nicht technisch oder gestalterisch mitverarbeitet worden sei, nicht zu berücksichtigen sei. Für den vorliegenden Fall stützt sich der BGH auf die Feststellungen des Berufungsgerichtes, dass die vorhandene Bausubstanz bei den Grundleistungen der Phasen 5 und 6 eben nicht technisch oder gestalterisch mitverarbeitet worden sei.

Der BGH stellt in seinem Urteil ausdrücklich fest, dass mit der vorliegenden Entscheidung für § 10 Abs. 3 a das sonst für die HOAI geltende Prinzip der aufwandsneutralen Anrechenbarkeit von Kosten aufgegeben worden sei. Der BGH meint, der Verordnungsgeber der HOAI habe in § 10 Abs. 3 a „noch hinreichend deutlich“ zum Ausdruck gebracht, das Prinzip der aufwandsneutralen anrechenbaren Kosten zu verlassen. Der Systembruch möge zwar bei der praktischen Anwendbarkeit der Honorarregelungen zu Verständnis- und Anwendungsschwierigkeiten führen. Das bedeute jedoch nicht, dass die Leistungen der Architekten und Ingenieure bei der Bewertung der Mitverarbeitung vorhandener Bausubstanz unberücksichtigt bleiben müssen, wie unter Hinweis auf die Systemwidrigkeit von Teilen des Schriftrums vertreten wurde.
Hinweis
Im weiteren setzt sich der BGH noch mit der Frage auseinander, ob die unterschiedliche Einbeziehung von anrechenbarer Bausubstanz in verschiedenen Leistungsphasen auch zu einer Abweichung von dem weiteren Grundsatz, dass anrechenbare Kosten für alle von ihr erfassten Leistungsphasen (vgl. z.B. § 10 Abs. 2 HOAI) einer Kostenermittlung einheitlich zu Grunde zu legen sind, führen könne. Diese Frage wird durch den BGH nicht abschließend beantwortet.

Architekten und Innenarchitekten werden sich zukünftig darauf einzustellen haben, dass sie insbesondere bei Leistungen des raumbildenden Ausbaus sowie bei Umbauleistungen nicht mehr ohne weiteres in sämtlichen Leistungsphasen die anrechenbaren Kosten unter Berücksichtigung der mitverarbeiteten Bausubstanz ermitteln können; viel mehr hat für die einzelnen Leistungsphasen der Nachweis zu erfolgen, dass die folgende Bausubstanz tatsächlich gestalterisch oder technisch mitverarbeitet wurde.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck