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Mindestsatzunterschreitungen: Wann sind sie zulässig ?

Nach den Vorschriften der HOAI dürfen Mindestsätze grundsätzlich nicht unterschritten werden, entsprechende Vereinbarungen sind unwirksam; von diesem Grundsatz gibt es – inzwischen – allerdings nicht wenige Ausnahmen.

Hintergrund
Architektenhonorare unterschreiten oftmals – gewollt oder ungewollt – die eigentlich zwingenden HOAI-Mindestsätze. Unabhängig davon, ob ein Architekt Leistungen mindestsatzunterschreitend anbieten oder ob er sich gegen eine Mindestsatzunterschreitung zur Wehr setzen will, wird er gut daran tun, genaue Kenntnisse von den Fallgruppen zu haben, in denen Mindestsatzunterschreitungen zulässig sind oder jdfs. im Ergebnis von der Rechtsprechung akzeptiert werden. Zu bedenken gilt, dass unzulässige Mindestsatzunterschreitungen Verstöße gegen Standes- und Wettbewerbsrecht darstellen können (vgl. Berufs- u. Standesrecht / .. / Unterschreitung d. HOAI-Mindestsätze)
Hinweis
An Ausnahmen sind insbesondere zu nennen:

- Ausserhalb des Anwendungsbereiches der HOAI (vgl. Honoraranspruch / Anwendbarkeit der HOAI) ist eine freie Honorarvereinbarung zulässig, somit auch mindestsatzunterschreitende Honorarvereinbarungen.

- Die HOAI lässt selber Mindestsatzunterschreitungen in Ausnahmefällen zu, insbesondere gem. § 4 II HOAI (vgl. Honoraranspruch / Umfang gem. Honorarvereinbarung / Ausnahmefall gem. § 4 II HOAI), aber auch gem. § 4 a HOAI oder gem. § 16 III HOAI.

- Eine mittelbare, zulässige HOAI-Mindestsatzunterschreitung wird praktisch dadurch herbeigeführt, dass der Bauherr bestimmte „entbehrliche“ Leistungen (oft Lph 1, 2) dem Architekten nicht überträgt und die Leistungen Dritten überträgt oder selber übernimmt (aber Vorsicht: Leistungsphase 1 nicht übertragen: Mindestsatzunterschreitung?)

- Eine mittelbare Unterschreitung von HOAI-Mindestsätzen wird weiter durch die Rechtsprechung im Ergebnis akzeptiert, soweit diese weitreichende Leistungen des Architekten als honorarlose Akquisitionsleistungen ansieht (vgl. hierzu Vertrag / Zustandekommen des Vertrages / Akquisition).

- Mit Urteil vom 22.05.1997 Honoraranspruch / .. / Grundsatzurteil)stellte der BGH eine neue Fallgruppe auf, bei welcher sich der Architekt an einer mindestsatzunterschreitenden Pauschalhonorarabrede festhalten lassen muss. Ein Architekt verhalte sich widersprüchlich, wenn er zunächst ein Honorar vereinbart, welches die Mindestsätze unterschreitet, später aber nach den Mindestsätzen abrechnen wolle. Dieses widersprüchliche Verhalten stehe nach Treu und Glauben einer Geltendmachung der Mindestsätze entgegen, sofern der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen dürfte und er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden könne. Mit dieser neuen „Treu und Glauben“-Rechtsprechung war nicht nur der HOAI-Grundsatz der zwingenden Mindestsätze nicht unerheblich eingeschränkt, sondern auch nicht wenig Unsicherheit darüber hervorgerufen, wann die vom BGH vorgegebenen Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt seien (Wann ist ein Vertrauen schutzwürdig? Wann hat sich jemand in einer Weise eingerichtet, dass ihm die Zahlung der Mindestsätze nicht zugemutet werden kann?). Zwischenzeitlich liegen nunmehr einige Urteile vor, die allerdings nicht völlig einheitlich entscheiden (vgl. Honoraranspruch / .. / Bindung an Mindestsatzunterschreitung).

- Nach einer Rechtsprechung der Instanzgerichte, ist – wenn Architekt und Bauherr eine mindestsatzunterschreitende Pauschalhonorarabrede getroffen haben – die Abrechnung des Architekten auf der Grundlage dieser Pauschalhonorarabrede und die Zahlung des vom Architekten abgerechneten Honorars durch den Bauherrn als Erlassvertrag anzusehen; danach hat der Architekt in Folge der Abrechnung dem Bauherrn einen möglichen Anspruch auf weiteres Honorar wegen Mindestsatzunterschreitungen erlassen, er kann sich auf die Mindestsätze später zur Forderung weiteren Honorars nicht mehr stützen (Honoraranspruch / .. / Erlassvertrag)Im übrigen können nach allgemeiner Rechtsprechung die Parteien nach Beendigung des Vertrages eine mindestsatzunterschreitende Vereinbarung über das Honorar wirksam treffen.

- Zu einer "Mindestsatzunterschreitung" kann es kommen, wenn die Parteien im Vertrag eine Baukostenobergrenze festgelegt haben und diese durch den Architekten überschritten wurde. Nach BGH, Urt. v. 23.01.2003 und 13.02.2003 (vgl. Honoraranspruch / .. / Begrenzung auf Kostenrahmen)führt die Haftung des Architekten zu einer Begrenzung der anrechenbaren Kosten (unabhängig von den tatsächlichen) auf die Baukostenobergrenze und damit zu einer Begrenzung seines Honorars;

- Schließlich ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung auch die Bindungswirkung der Schlussrechnung im Ergebnis dazu führen kann, dass der Architekt an einem mindestsatzunterschreitenden Honorar festgehalten wird; denn die Bindungswirkung der Schlussrechnung entfällt nicht etwa deshalb, weil in der Schlussrechnung ein mindestsatzunterschreitendes Honorar abgerechnet wurde (Honoraranspruch / .. / mindestsatzunterschreitende Schlußrechnung)

- Eine Art unechte - aber faktische - Mindestsatzunterschreitung lässt sich durch einfaches Weglassen einer Nebenkostenvereinbarung erzielen.


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