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Kostenüberschreitung: auf welchen Zeitpunkt ist zur Schadensermittlung abzustellen?

Ob einem Auftraggeber im Rahmen einer Kostenüberschreitung ein Schaden entstanden ist, ermittelt sich durch den Vergleich der Vermögenslage des Auftraggebers, wenn die Pflichtverletzung unterblieben wäre, mit der Vermögenslage, wie sie durch die Pflichtpflichtverletzung entstanden ist; Zeitpunkt für den Vergleich ist auch bei lang andauernden Prozessen die letzte mündliche Verhandlung.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Ein Sonderbereich der Architektenhaftung stellt die Haftung für Bausummenüberschreitungen dar.

Steht eine Haftung des Architekten wegen Bausummenüberschreitung dem Grunde nach fest, so bereitet die Feststellung des Schadens oft Probleme.
Beispiel
(nach OLG München , - Urteil vom 20.11.2018 – 28 U 705/15Bau BGH Beschluss vom 23.09.2020 - VII ZR 252/18 - NZB zurückgewiesen)
Im Rahmen eines Bauvorhabens aus dem Jahr 1990 ist es nach Vortrag des Auftraggebers zu einer erheblichen Kostenüberschreitung gekommen. Der Auftraggeber ermittelt Gesamtkosten für das Gebäude in Höhe von rund Euro 3,53 Mio.. Der Auftraggeber wirft dem Architekten vor, ihn nicht rechtzeitig und ausreichend über die wachsenden Kosten unterrichtet zu haben, hätte er diese Kosten gekannt, hätte er das Bauvorhaben nicht durchgeführt. Mit einer Klage macht der Auftraggeber im Jahre 2001 Schadensersatz gegenüber dem Architekten in Höhe von DM 800.000,00 geltend.
 
In zweiter Instanz entscheidet das OLG München im Jahre 2018, dass der Anspruch gegenüber dem Architekten nicht bestehe. Ob und inwieweit der Architekt seine Pflichten verletzt habe, könne dahinstehen, denn jedenfalls sei ein Schaden nicht entstanden. Zur Ermittlung, ob dem Auftraggeber durch Pflichtverletzungen des Architekten ein Schaden entstanden sei, müsse untersucht werden, wie der Auftraggeber stehen würde, wenn die Pflichtverletzung unterblieben wäre. Diese Situation sei dann in einem zweiten Schritt damit zu vergleichen, wie der Auftraggeber mit Pflichtverletzung stehe. Bei der Durchführung des Vermögensvergleiches sei – auch bei lang andauernden Prozessen – auf eine Betrachtung zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Das OLG München zieht entsprechend ein Sachverständigengutachten zum Stichtag Ende 2016 heran; dieses kommt unter Berücksichtigung der Ertragswertermittlung auf einen Mindestwert von Euro 4,3 Mio. für das Gebäude. Damit sei dem Auftraggeber ein Schaden nicht entstanden.
Hinweis
Das Urteil – obwohl sicherlich nicht rechtsfehlerhaft – mutet im Ergebnis gleichwohl befremdlich an: Gerade die letzten 15 Jahre haben gezeigt, wie unberechenbar sich Immobilienwerte verhalten können. Für Auftraggeber ist es mithin jedenfalls bei lang andauernden Prozessen – die heute häufig die Regel sind – eher ein Lotteriespiel, ob sie am Ende einen Schaden nachweisen und den Prozess gewinnen können oder eben nicht.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck