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Kann „Freier Mitarbeiter“ HOAI-Mindestsätze fordern?

Die HOAI findet auch auf das Vertragsverhältnis eines „Freien Mitarbeiters“ Anwendung, sofern das Vertragsverhältnis nicht auf Grund seiner tatsächlichen Durchführung als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis anzusehen ist; entsprechend kann auch der HOAI-Mindestsatz gefordert werden.
Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Zu beachten ist, dass die für selbständig tätige Architekten geltenden Voraussetzungen für Honoraransprüche nicht ohne weiteres auf sog. freie Mitarbeiter anwendbar sind.
Beispiel
(nach OLG Frankfurt , Urt. v. 14.03.2002 - 15 U 180/99, BauR 2002, 1874)
Eine Architektin arbeitete als „Freie Mitarbeiterin“ in einem Planungsbüro. Dieses beauftragte sie mit Architektenleistungen für ein Bauvorhaben. Später machte die Architektin für ihre Leistungen den HOAI-Mindestsatz geltend. Das Planungsbüro meint, es sei eine monatliche Vergütung von DM 4.000,00 vereinbart worden, im übrigen könne sich die Architektin als „Freie Mitarbeiterin“ nicht auf die HOAI-Mindestsätze berufen.

Das OLG Frankfurt gibt der Klage der Architektin weitgehend statt. Die Architektin habe Architektenleistungen erbracht, diese Architektenleistungen seien auf der Grundlage der HOAI abzurechnen. Richtig sei zwar, dass ein Architekt, der Architektenleistungen in einem Vertragsverhältnis erbringt, welches als Arbeitnehmer- oder arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis anzusehen sei, diese nicht entsprechend der Vorschriften der HOAI abrechnen könne. Hier sei aber das Vertragsverhältnis der Architektin nicht als Arbeitnehmer- oder arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis einzuordnen. Dass die Architektin eine „Freie Mitarbeiterin“ gewesen sei, spiele keine Rolle, denn die HOAI sei auch auf „Freie Mitarbeiter“-Verhältnisse anzuwenden.

Das Vertragsverhältnis der planenden Architektin sei nicht als Arbeitnehmer- oder arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis zu qualifizieren, da die Architektin ihre Leistungen weder in persönlicher noch wirtschaftlicher Abhängigkeit erbracht habe, und daher nicht sozial schutzbedürftig sei. Es fehle bereits an einer hinreichenden inhaltlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses. Es sei völlig offen, welche konkrete Leistungen die Klägerin für die behaupteten DM 4.000,00 monatlich habe erbringen sollen. Ebenso wenig seien Regelungen für Urlaubs- oder Ausfalltage in Folge von Krankheit getroffen worden.

Die Architektin sei weder weisungsgebunden gewesen, noch in den Betrieb des Planungsbüros eingegliedert. Ein Arbeitsplatz im Büro habe offensichtlich für die Architektin nicht zur Verfügung gestanden. Alleine durch die Tatsache, dass die Architektin zur Sicherung ihrer Existenz eine Zeit lang auf die Einkünfte aus dem Planungsbüro angewiesen war, werde keine wirtschaftliche Abhängigkeit geschaffen, die ein arbeitnehmerähnliches Arbeitsverhältnis nahe lege. Die Architektin konnte jederzeit andere Aufträge bearbeiten und sich damit ihre Existenz anderweitig sichern. Entscheidend gegen den Status einer Arbeitnehmerin bzw. einer arbeitnehmerähnlichen Person spreche zuletzt auch, dass die Architektin für ihre Tätigkeit haften und das Gewährleistungsrisiko übernehmen sollte. Die Architektin sollte ihre eigene Haftpflichtversicherung abschließen.
Hinweis
Die Beschäftigung von „Freien Mitarbeitern“ in Architektenbüros ist weit verbreitet. Im Hinblick auf die tatsächliche Durchführung dieser „Freier Mitarbeiter“-Verhältnisse dürfte kaum eine denkbare Variante fehlen. Entsprechend muss jedes „Freies Mitarbeiter“-Verhältnis einzeln betrachtet werden.

Je größer die wirtschaftliche oder sogar persönliche Abhängigkeit (insbesondere Weisungsgebundenheit) der „Freien Mitarbeiter“ geht, desto eher muss auf Grund der derzeitigen Gesetzeslage von einem Arbeitnehmerverhältnis oder jedenfalls einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis ausgegangen werden. In diesen Fällen – Stichwort: Scheinselbständigkeit (s. hierzu Sonderthema / Scheinselbständigkeit) – müssen Arbeitgeber die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, Lohnsteuer und die Gewährung von Arbeitnehmerschutzrechten (z.B. Kündigungsschutz, Mutterschutz) vergegenwärtigen.

Wird das Vertragsverhältnis des „Freien Mitarbeiters“ nicht als Arbeitnehmer- oder arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis einzuordnen sein, so hat – wie obiges Urteil zeigt – der Arbeitgeber eine Abrechnung des „Freien Mitarbeiters“ auf der Grundlage der HOAI zu akzeptieren. Einen „freien Mitarbeiter“, welchem weder der Status des Arbeitnehmers (der arbeitnehmerähnlichen Person) noch die Abrechnung nach HOAI zuzubilligen ist, wird es wohl in Zukunft kaum mehr geben.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck