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Integration der Fachplanung: Was hat der Architekt zu leisten?

Hat ein Architekt Kenntnis davon, dass der Tragwerksplaner nicht die ihm obliegende Gesamtstatik erstellt hat und integriert er diese dementsprechend nicht in seine Ausführungsplanung, ist diesselbe mangelhaft.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In den Leistungsphasen 1 - 5 führen Planungsfehler zu einer Haftung des Architekten.

Im Rahmen der Lph 5 ist zur Vermeidung einer Haftung vor allem auf eine vollständige Ausführungsplanung zu achten.
Beispiel
(nach OLG München , - 13.12.2017 Az. 27 U 4877/16 Bau; BGH, Beschluss vom 02.07.2020 – VII ZR 23/18 NZB zurückgewiesen)
Gegenstand eines Bauvorhabens ist die Aufstockung eines zweigeschossigen, im Stahlcontainersystem errichteten Firmengebäudes in Stahl-Leichtbauweise mit Pultdach. Für das bestehende Containersystem lag eine Typenstatik der Herstellerfirma vor. Diese Typenstatik enthielt jedoch keine konkreten Angaben zur Tragfähigkeit der Containerdecke des 1. OG, auf das die weitere Aufstockung erfolgen sollte. Die Firma, die seinerzeit die beiden Geschosse im Stahlcontainersystem errichtet hatte, wies in einem gesonderten Schreiben darauf hin, dass die vorliegende Typenstatik im Übrigen im Zusammenhang mit einer Aufstockung in einer anderen Bauweise (hier Stahl-Leichtbauweise mit Pultdach) keine Gültigkeit mehr besitze; dieses Schreiben erhielt auch der Architekt, der die Planung für die Aufstockung in der Stahl-Leichtbauweise mit Pultdach erstellt hatte.

Der vom Bauherrn beauftragte Statiker fertigte ungeachtet dessen keine neue Statik an, sondern übernahm die bestehende Typenstatik. Der Architekt unterließ es, für die von ihm geplante Stahl-Leichtbauweise mit Pultdach eine gesonderte, in seine Ausführungsplanung zu integrierende Statik anzufordern. Aufgrund der nicht vorhandenen bzw. fehlerhaften Statik kam es zu erheblichen Mängeln; im Hinblick auf die ehemalige Decke über dem 1. OG kam es zu Durchbiegungen und Schwingungen. Die Unterdimensionierung konnte nur durch die Ertüchtigung der Zwischendecke 1. OG/2. OG in Form eines Rückbaus und der Durchführung von Ertüchtigungsmaßnahmen behoben werden. Für die entstehenden Mehrkosten nimmt der Bauherr den Architekten in Haftung.

Das OLG München erkennt eine fehlerhafte Ausführungsplanung des Architekten und spricht dem Bauherrn den Haftungsanspruch zu. Zwar sei im Grundsatz davon auszugehen, dass der Architekt nicht für Bereiche, die dem Sonderfachmann in Auftrag gegeben wurden, hafte, wenn die das Gebiet des Sonderfachmanns betreffenden konkreten, fachspezifischen Fragen nicht zum Wissensbereich des Architekten gehörten. Ein Architekt müsse einen Sonderfachmann im Allgemeinen nicht überprüfen, sondern dürfe sich grundsätzlich auf dessen Fachkenntnisse verlassen. Auch statische Spezialkenntnisse würden von einem Architekten nicht erwartet. Es sei entscheidend darauf abzustellen, ob dem Architekten sich Bedenken aufdrängen mussten (OLG Köln , Urt. v. 10.03.1987).

Hier sei eine Haftung des Architekten zu bejahen. Aufgrund des Schreibens der Firma R sei dem Architekten bekannt gewesen, dass die Typenstatik Geltung nur für den Fall hatte, dass das bestehende Containersystem weitergenutzt würde. Nach seinen Plänen sollte jedoch das bestehende Gebäude in Leichtbauweise mit einem Pultdach aufgestockt werden. Aufgrund u.a. dieser Hinweise hätte der Architekt beim Fachplaner konkret nachfragen müssen, ob dieser eine zusätzliche Statik erstellt habe und gegebenenfalls auf die Erstellung einer solchen Statik hinwirken müssen.


Hinweis
Der Architekt hat im Prozess vorgetragen, der Geschäftsführer der Auftraggeberin habe ihm bei den mündlichen Vertragsverhandlungen erklärt, er müsse sich um die Frage des Verkehrslasten nicht kümmern. Das OLG München sah hierin jedoch keinen Anlass, über eine etwaige Mitschuld des Auftraggebers nachzudenken. Es handele sich hierbei um Angaben eines Laien, die der Architekt als Fachmann nicht ungeprüft hätte übernehmen dürfen.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck