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Honorar oberhalb der Mindestsätze ohne schriftliche Honorarvereinbarung?

Honorar oberhalb der Mindestsätze kann der Architekt gemäß § 4 Abs. 1 HOAI nur bei schriftlicher Honorarvereinbarung bei Auftragserteilung verlangen; nach Ansicht des OLG Karlsruhe widerspricht es in besonders gelagerten Einzelfällen dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Auftraggeber sich auf die fehlende Schriftform für die Honorarvereinbarung oberhalb der Mindestsätze beruft.

Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Ist die HOAI anwendbar, ergibt sich das Honorar des Architekten in erster Linie aus einer im Rahmen der HOAI-Vorschriften getroffenen Honorarvereinbarung.

Voraussetzung einer wirksamen Honorarvereinbarung ist u.a. die Einhaltung der Mindestsätze und Höchstsätze.

Beispiel
(nach OLG Karlsruhe , Urt. v. 16.07.1992 - 9 U 179/91)
Zwei Architekten machen dem Bauherrn nach Vorgesprächen ein schriftliches Vertragsangebot mit einer Honorarvereinbarung oberhalb der Mindestsätze. Das Vertragsangebot ist von den Architekten unterzeichnet. Nach Eingang beim Bauherrn bittet sich dieser gewisse Bedenkzeit aus. Zwei Wochen später schickt der Bauherr den Vertrag unterzeichnet zurück, allerdings mit einem Nachtrag, wonach die Architekten nach einer festgelegten Bausumme von DM 250.000,00 abrechnen sollen. Der Vertrag wird von den Architekten darauf hin nicht noch einmal gegengezeichnet. Das Bauvorhaben wird durchgeführt, die Architekten erbringen ihre Leistungen. Nach den tatsächlichen Kosten des Bauvorhabens entsprechend der Kostenermittlungen ergibt sich, dass auch die Abrechung auf der Basis der festgelegten DM 250.000,00 oberhalb der Mindestsätze liegt. Der Bauherr beruft sich nunmehr auf die Unwirksamkeit der mindestsatzüberschreitenden Honorarvereinbarung und meint, die Architekten könnten lediglich die Mindestsätze verlangen, § 4 Abs. 1 HOAI.
 
Das OLG Karlsruhe sieht das anders. Richtig möge zwar sein, dass hier die Schriftform nicht erfüllt  sei, da die Architekten das geänderte Angebot nicht mehr gegengezeichnet hätten. Das Gericht will den Bauherrn jedoch an der Vereinbarung festhalten, obwohl diese den Formerfordernissen der HOAI, § 4 Abs. 1 nicht entspricht. Es verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Bauherr aus der für ihn nur vorteilhaften Abänderung des Vertragsangebotes der Architekten den weiteren Vorteil ziehen würde, dass die Honorarvereinbarung nicht nur seinen Gunsten verändert sondern ganz entfallen würde.
 
Hinweis
Das vorliegende Urteil ist eines der wenigen bekannten, die dem Bauherrn eine Berufung auf die Nichteinhaltung von Formvorschriften der HOAI gemäß Treu und Glauben versagen. Da die Formvorschriften der HOAI oftmals ihren Zweck – Schutz des Bauherrn – verfehlen, sollte nach diesseitiger Ansicht von den Gerichten häufiger der Grundsatz von Treu und Glauben auf Einzelfälle angewandt werden können (vgl. auch LG Oldenburg, Urteil vom 04.03.2005 zum Verzicht auf das Schriftformerfordernis bei besonderen Leistungen).


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