https://www.baunetz.de/recht/Gilt_der_Architekt_als_berechtigt_fuer_den_Bauherrn_auf_eine_Behinderungsanzeige_des_Unternehmers_eine_geaenderte_Ausfuehrung_anzuweisen__644650.html


Gilt der Architekt als berechtigt, für den Bauherrn auf eine Behinderungsanzeige des Unternehmers eine geänderte Ausführung anzuweisen?

Im Einzelfall kann der bauleitende Architekt aus Sicht des Bauunternehmers berechtigt sein, auf die Behinderungsanzeige des Unternehmers eine technisch korrekte Änderung der Werkleistung anzuweisen.

Hintergrund
Haben Architekt und Bauherr einen Vertrag geschlossen, prägt dieser wesentlich das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien.

Die Befugnisse des Architekten, den Bauherrn gegenüber Dritten, beispielsweise Bauunternehmern, zu vertreten, richtet sich nach der ihm erteilten Vollmacht.

Wird ein Architekt nicht ausdrücklich, z.B. im Vertrag, bevollmächtigt, so kann er u.U. gleichwohl im Rahmen einer sog. "originären Vollmacht" zur Vertretung des Bauherrn berechtigt sein.
Beispiel
(nach KG Berlin , Urt. v. 29.04.2008 - 7 U 108/07)
Der Bauunternehmer soll eine 8 cm starke Dämmung im Boden des Dachgeschosses einbringen. Er meldet Behinderung an, weil die Dämmung wegen der bestehenden Aufbauhöhen nicht eingebaut werden könne. Der bauleitende Architekt weist den Bauunternehmer darauf hin an, eine 3 cm starke Dämmung einzubauen. Der Bauunternehmer kommt dieser Anweisung nach und rechnet (günstiger) ab. Der Bauherr zahlt. Als der Bauherr später erfährt, dass nicht die geschuldete Dämmung eingebaut worden ist, nimmt er Bauunternehmer und Architekt in Anspruch. Das Gericht urteilt, dass der Bauunternehmer nicht wegen fehlerhafter Ausführung haftet, weil er davon habe ausgehen können, dass der Architekt bevollmächtigt gewesen sei, die Änderung vorzunehmen. Der Bauunternehmer habe von einer entsprechenden Berechtigung des Architekten ausgehen können, weil sich die Thematik auf einem im Übrigen rein technischen Niveau bewegt habe. Auch die technische Lösung, die der Architekt angewiesen habe, sei – sachverständig bestätigt – in Ordnung gewesen. Hinzu komme, dass der Architekt auch bereits in der Vergangenheit vereinzelt unwidersprochen Nachträge ausgelöst habe. Keine Rolle spiele nach Ansicht des Gerichtes, dass der Bauherr die Schlussrechnung des Bauunternehmers mit u. a. günstigeren Kosten für die geringere Dämmung gezahlt habe. Dem Bauherrn sei nicht zuzumuten, dieses zu überblicken.
 
Dagegen haftet der Architekt, weil er ohne Rücksprache mit dem Bauherrn den Bauunternehmer zur Änderung der Leistung angewiesen hat. Der Architekt kann sich in dem Zusammenhang nicht auf die Einhaltung technischer Bedingungen stützen.


Hinweis
Das Gericht argumentiert in allen Bereichen und wirft ein Stück weit die Rechtsscheingrundsätze durcheinander. Es besteht ein Unterschied zwischen Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass Gerichte auch durchaus dazu geneigt sind, Bauunternehmer "zu retten". Grundsätzlich hätte sich der Bauunternehmer nicht darauf ausruhen können, dass der Architekt ihn auf seine Behinderungsanzeige anweist, eine andere Ausführung vorzunehmen. Daran ändert auch nichts, dass es sich im Wesentlichen um technische Details handelt. Das Gericht rettet allerdings die Angelegenheit dadurch, dass der Architekt auch an anderer Stelle bereits Nachträge ausgelöst hat, was jedenfalls vom Bauherrn geduldet wurde (Duldungsvollmacht). Dieses wirkt sich letztendlich für den Architekten problematisch aus, weil er nun allein gegenüber dem Bauherrn haftet, ohne Rückgriff beim Unternehmer nehmen zu können (anders beim bloßen Bauleitungsfehler). Von der Berufshaftpflichtversicherung dürfte der Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Architekten gedeckt sein. Anders kann es sein bei einem Anspruch eines Bauunternehmers gegen den Architekten wegen Vertretung ohne Vertretungsvollmacht.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck