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Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen: Auswirkungen auf Rechte und Pflichten des Architekten?

Am 01.05.2000 ist das sogenannte Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen (ZBG) in Kraft getreten. Es erweitert insbesondere die Pflichten des Architekten bei der Betreuung des Bauherrn im Rahmen der Leistungsphasen 6-9.

Hintergrund
Die Bauwirtschaft lahmt seit Jahren. Der Gesetzgeber meinte nunmehr, die Initiative ergreifen zu müssen, um den kränkelnden Patienten etwas aufzubauen. Die weit in das Bauvertragsrecht eingreifenden Korrekturen haben insbesondere zum Zweck, die Zahlungen an beauftragte Bauunternehmer zu beschleunigen und damit deren Liquidität zu gewährleisten. Das Ziel soll insbesondere erreicht werden durch

- die Entbehrlichmachung einer Mahnung
- die Erhöhung des Verzugzinses
- einen Anspruch auf Abschlagszahlungen
- die Beschränkung des Abnahmeverweigerungsrechts
- sowie durch Verfahren, die die Abnahmewirkungen auch ohne tatsächliche Abnahme herbeiführen.

Für den Architekten bringt das Gesetzt mehrererlei Konsequenzen. Einerseits kann der Architekt - da auch der Architektenvertrag ein Werkvertrag ist - die vorgesehenen Änderungen insbesondere im Rahmen der Durchsetzung seines Honoraranspruchs teilweise selber nutzen. Wesentlicher ist jedoch, dass der Architekt genau Kenntnisse des geänderten Rechts und seiner Auswirkungen auf den Bauvertrag haben muss, um eine sachgerechte Beratung und Betreuung des Bauherrn bei der Vergabe und bei der Überwachung der Bauunternehmerleistungen sicherzustellen. Schließlich kommen Architekten als Gutachter in dem neu eingeführten Verfahren zur Erstellung der sog. Fertigstellungsbescheinigung gem. § 641a BGB in Betracht.

Für eine genauere und abschließende Auslegung der einzelnen Vorschriften bleibt die Kommentierung und Rechtsprechung der kommenden Jarhre abzuwarten.
Hinweis
I. Überblick über den Inhalt des Gesetzes

Das Gesetz enthält zwei Änderungen im allgemeinen Teil des BGB´s (gilt nicht nur für den Werkvertrag) im Hinblick auf bei Geldschulden zu zahlende Verzugszinsen. Darüberhinaus bestimmt es einige nicht unerhebliche Änderungen im Werkvertragsrecht (§§ 631 ff.) des BGB´s. Zu bemerken ist, dass die vorgenommenen Korrekturen des Gesetzes keine zwingenden Regeln aufstellen, d. h. die neuen Bestimmungen können ggf. in Verträgen abgeändert werden; ob und inwieweit dies auch in AGB´s der Fall sein kann, wird erst die Rechtsprechung erweisen.

Ziel der folgenden Ausführungen ist es nicht, eine abschließende, umfassende Erläuterung vorzunehmen. Hierzu muss der Gesetzestext selbst und die demnächst erscheinenden Kommentierungen zum Gesetzestext studiert und ggf. Rechtsrat eingeholt werden.

Zu den einzelnen Regelungen:

1.
Gem. § 284 III BGB (jetzt § 286 BGB [vgl. zum neuen Recht Schuldrechtsreform 2002]) kommt der Schuldner einer Geldforderung i. d. R. 30 Tage nach Fälligkeit und nach Zugang einer Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung in Verzug.

2.
Gem. § 288 I BGB ist eine Geldschuld während des Verzuges nunmehr mit 5 % (nach ab dem 01.01.2002 geltendem Recht: 8 %) über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank zu verzinsen (am 19.10.2000 z. B.: Basiszinssatz: 4,26 zzgl. 5 % = 9,26 %). Der Basiszinssatz ist bei aus Tageszeitungen sowie unter www.bundesbank.de zu erfahren. Früher betrug der Verzugszins i. d. R. lediglich 4 %.

3.
Gem. § 632 a BGB kann der Unternehmer vom Besteller für "in sich abgeschlossene Teile des Werks" Abschlagszahlungen verlangen. Ebenso kann er für erforderliche Stoffe oder Bauteile, die eigens angefertigt oder angeliefert sind, Abschlagszahlungen verlangen; letzteres wird allerdings nach Auslegung des Gesetzestextes wohl auch nur möglich sein, wenn die Baustoffe und Bauteile in sich abgeschlossene Teilleistungen darstellen.

Der Begriff der "in sich abgeschlossenen Teile des Werks" ist der VOB/B (vgl. § 12 Nr. 2 a a. F., § 12 Nr. 2 n. F.) entlehnt. Die dortige Kommentierung nimmt an, dass in sich abgeschlossene Teile der Leistung vorliegen, wenn sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als selbständig und von den übrigen Teilleistungen aus demselben Bauvertrag unabhängig anzusehen sind, sie sich also ihrer Gebrauchsfähigkeit abschließend für sich beurteilen lassen, und zwar sowohl in technischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung. Nicht hierunter fallen z. B. eine Betondecke oder auch verschiedene Stockwerke eines in Auftrag gegebenen Rohbaus, u. U. aber z. B. Parkettverlegearbeiten, Dachdeckerarbeiten, Fliesenarbeiten.

Weitere Voraussetzung für den Abschlagszahlungsanspruch ist, dass die erbrachten Leistungen vertragsgemäß, d. h. grundsätzlich mängelfrei, erbracht sind. Der Anspruch auf Abschlagszahlung besteht darüberhinaus gem. § 632 a Satz 3 nur, wenn dem Besteller Eigentum an den Teilen des Werks, an den Stoffen oder Bauteilen übertragen oder Sicherheit hierfür geleistet wird. Wenn - wie oft - der Besteller Eigentümer des Grundstücks ist, auf welchem das Bauwerk errichtet wird, erhält er mit Einbau des Teilwerks i. d. R. automatisch Eigentum an diesem (womit letztere Voraussetzung erfüllt ist).

Nach früherer Rechtslage gab es einen gesetzlichen Anspruch auf Abschlagszahlungen in einem BGB-Werkvertrag nicht.

4.
Gem. § 640 I Satz 2 BGB kann wegen "unwesentlicher" Mängel die Abnahme durch den Bauherrn nicht mehr verweigert werden. Auch diese neue Regelung im BGB ist der VOB/B, dort § 12 Ziffer 3, entnommen worden. Für die Frage, ob ein wesentlicher Mangel vorliegt, sind als Kriterien Art, Umfang und Auswirkung des Mangels insbesondere auf seine Gebrauchstauglichkeit, der Grad der Funktionsbeeinträchtigung, Umfang und Gewicht der optischen Beeinträchtigung, u. U. aber auch Höhe der Mängelbeseitigungskosten zu berücksichtigen. Letztlich stellt sich die Frage, ob dem Bauherr die Hinnahme der bisherigen Leistung zuzumuten ist. Nach altem BGB-Recht konnte der Bauherr schon wegen unwesentlicher Mängel die Abnahme verweigern.

5.
Gem. § 640 I Satz 3 steht es der Abnahme gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist. Verpflichtet ist der Besteller zur Abnahme des Werks gem. § 640 I 1 und 2, wenn das Werk vertragsgemäß und frei von wesentlichen Mängeln (s.o. früher: frei von Mängeln) hergestellt ist.

Nach Ablauf treten bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch ohne tatsächliche Abnahme und ggfs. gegen den Willen des Bauherrn die Abnahmewirkungen ein, nämlich insb. die Fälligkeit der Vergütung, der Beginn des Laufs der Gewährleistungsansprüche, der Übergang der Gefahr, die Umkehr der Beweislast. Gem. § 641 IV ist die Vergütung des Unternehmers vom Zeipunkt des Zeitablaufs an zu verzinsen. Zu beachten ist, dass ein Vorbehalt wegen bekannter Mängel durch den Besteller nicht bis zum Fristablauf erklärt werden muss, um einen Verlust der Gewährleistungsrechte zu vermeiden (vgl. die Formulierung in § 640 II BGB, die klarstellt, dass sich das Erfordernis des Vorbehalts nur auf eine tatsächliche Abnahme bezieht). Unklar aber von erheblicher Bedeutung ist, ob der Vorbehalt der Vertragsstrafe bis zum Fristablauf erklärt werden muss, um zu verhindern, dass der Vertragsstrafenanspruch gem. § 341 III BGB entfällt. Die Frage wird durch das Gesetz nicht geklärt, im Parallelfall des § 12 Nr. 5 I VOB/B wird angenommen, dass der Vorbehalt bis zum Ablauf der dortigen Frist von 12 Tagen erklärt werden muss. Entsprechend wird es dem Besteller dringend anzuraten sein, den Vorbehalt der Vertragsstrafe bis zum Ablauf einer durch den Unternehmer gesetzten Frist zu erklären.

Im Grunde regelt § 640 I Satz 3 nichts anderes als die unberechtigte Abnahmeverweigerung durch den Auftraggeber. Denn setzt der Unternehmer eine Frist, obwohl der Besteller wegen nicht unwesentlicher Mängel zur Abnahmeverweigerung berechtigt ist, so treten die Abnahmewirkungen nicht ein. Nach altem Recht traten im Falle einer unberechtigten Abnahmeverweigerung die Abnahmewirkungen, u. a. die Fälligkeit des Werklohns, im Zeitpunkt der unberechtigten Abnahmeverweigerung ein; nach neuem Rechte bedarf es hierzu nun zusätzlich des Ablaufs einer durch den Unternehmer bestimmten angemessenen Frist. Klagt der Unternehmer nach Ablauf der Frist auf Werklohn, so muss er die Voraussetzungen der Fälligkeit seiner Vergütung darlegen und ggf. beweisen, nämlich die vertragsgemäße Fertigstellung des Werks und den Ablauf einer angemessen gesetzten Frist.

6.
Der neue § 641 a BGB führt die sogenannte Fertigstellungsbescheinigung ein. Die Fertigstellungsbescheinigung enthält eine Bestätigung, dass das versprochene Werk frei von Mängeln ist, die der Besteller gegenüber dem Gutachter behauptet hat oder die für den Gutachter bei einer Besichtigung feststellbar sind. Ein Gutachter kann auch mit der Überprüfung eines Aufmaßes oder einer Stundenlohnabrechnung beauftragt werden.

Voraussetzungen und Verfahren der Erstellung der Fertigstellungsbescheinigung sind in § 641 a BGB im einzelnen und nicht unkompliziert geregelt. Insoweit wird auf den Gesetzestext verwiesen. Nach derzeitiger Version wird ein Gutachter die Fertigstellungsbescheinigung - im Gegensatz zu § 640 I 2 BGB - nicht erteilen dürfen, wenn das Werk unwesentliche Mängel hat. Liegt die Fertigstellungsbescheinigung vor, so treten - mit gewissen Ausnahmen - die Abnahmewirkungen (s.o. Zif. 5) ein (s. aber folgender Absatz).

Zu bemerken ist, dass nach bisheriger Auslegung des Gesetzestextes kaum angenommen werden kann, dass das Gutachten in Form der Fertigstellungsbescheinigung für ein späteres Gerichtsverfahren absolute Verbindlichkeit besitzt. Vielmehr wird der Unternehmer, der z.B. seinen Werklohn einklagt, vor Gericht beweisen müssen, dass er ein jedenfalls (unklarer Gesetzestext) von wesentlichen Mängeln freies und vertragsgemäßes Werk fertiggestellt hat, dem Besteller wird der Gegenbeweis offen bleiben müssen. Der Unternehmer kann allerdings seinen Anspruch zunächst im Rahmen eines sog. Urkundenprozesses (ein spezielles Gerichtsverfahren, bei welchem als Beweismittel nur Urkunden zugelassen sind) geltend machen; dort hat er aufgrund der Bescheinigung, die als Urkunde gilt, gute Erfolgsaussichten. Gewinnt der Unternehmer jedoch aufgrund der - möglicherweise unrichtigen - Fertigstellungsbescheinigung im Urkundenprozess, so erhält er nur ein Vorbehaltsurteil, welches der Besteller im Nachverfahren angreifen kann. Im Nachverfahren gelten wieder die normalen Beweisregeln, d.h. dem Besteller bleibt nunmehr die Möglichkeit offen, die Fehlerhaftigkeit der Bescheinigung nachzuweisen und das Vorbehaltsurteil zu kassieren.

7.
In § 641 III BGB ist nunmehr durch den Gesetzgeber die bereits übliche Rechtsprechung normiert worden, nach welcher ein Besteller bei Vorliegen von Mängeln nach Abnahme die Zahlung eines angemessenen Teils der Vergütung verweigern kann, mindestens in Höhe des Dreifachen der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten.

8.
Weitere Änderungen hat der Gesetzgeber hinsichtlich des Rechtes des Unternehmers, Sicherheitsleistungen durch den Besteller gem. § 648 a BGB zu fordern, vorgenommen sowie mit § 641 II BGB hinsichtlich der Fälligkeit der Vergütung eines Subunternehmers (auch durch den Bauträger beauftragter Unternehmer).

9. Zeitliche Anwendbarkeit der neuen Regelungen

Die Frage, ab welchem Zeitpunkt und für welche Fälle die oben besprochenen neuen Regelungen zur Anwendung kommen, wird in Artikel 229 § 1 EGBGB geregelt. Danach gilt § 284 III auch für solche Geldforderungen, die vor dem 01.05.2000 entstanden sind (der höhrer Zinssatz läuft aber erst seit dem 01.05.2000). Vor dem 01.05.2000 zugegangene Rechnungen lösen die Wirkungen des § 284 III allerdings nicht aus. § 288 ist auf alle Forderungen anzuwenden, die ab dem 01.05.2000 fällig werden.

§§ 632 a, 640, 641 a und 648 a in der jeweils ab dem 01.05.2000 geltenden Fassung gelten grundsätzlich nicht für Verträge, die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden sind. § 641 III und § 648 a V Satz 3 sind auch auf vorher abgeschlossene Verträge anzuwenden. § 640 gilt für solche Verträge, die auch vor dem 01.05.2000 abgeschlossen wurden, mit der Maßgabe, dass der Lauf der darin bestimmten Frist erst mit dem 01.05.2000 beginnt.


II. Auswirkungen auf Rechte und Pflichten des Architekten

Das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen kann Auswirkungen haben auf die Rechtspflichten des Architekten in dreierlei Hinsicht:

- Da der Architektenvertrag auch ein Werkvertrag ist, ist zu fragen, ob und inwieweit die beschriebenen Regelungen für den Architektenvertrag anwendbar und praktikabel sind;
- Da der Architekt im Rahmen der Leistungsphasen 6-9 den Bauherrn in baurechtlichen Fragen zu betreuen hat, muss er die den BGB-Bauvertrag betreffenden Änderungen und deren Konsequenzen kennen;
- Schließlich kommt der Architekt als Gutachter im Rahmen der Erstellung der Fertigstellungsbescheinigung gem. § 641 a in Betracht.

1. Auswirkungen auf Honoraransprüche des Architekten gegen den Bauherrn

Die in § 284 III, § 288 BGB eingeführten Bestimmungen sind ohne weiteres auf Geldforderungen anzuwenden, die der Architekt gegen seinen Bauherrn geltend macht. Da für den Beginn der 30-Tage-Frist der Eingang der Rechnung des Architekten maßgeblich ist, kommt es darauf an, dass der Architekt diesen Eingang später ggf. nachweisen kann. Ist ein Streit über die Frage des Eingangs absehbar, sollte der Architekt sicherere Mittel zur Zustellung wählen, z. B. persönliche Übergabe durch Boten oder unter Zeugen, per Post oder per Fax mit anschließender Nachfrage und Bestätigung des Eingangs, auf das Mittel Einschreiben/Rückschein ist kein sicherer Verlass.

Die Bestimmung der Abschlagszahlung in § 632 a BGB hat für die Honorarforderung des Architekten kaum Auswirkungen, da ein Anspruch auf Abschlagszahlung bereits in § 8 HOAI geregelt ist. § 632 a hat zudem weitergehende Voraussetzungen als § 8 HOAI. Soweit § 8 HOAI zusätzlich eine (prüfbare) Abschlagsrechnung fordert, wäre diese Voraussetzung voraussichtlich auch nicht über die Anwendbarkeit des § 632 a BGB zu umgehen.

Die Vorschrift gem. § 640 I Satz 2, dass wegen unwesentlicher Mängel die Abnahme nicht mehr verweigert werden kann, kommt auch dem Architekt zu Gute. Der Architekt hat grundsätzlich einen Anspruch auf Abnahme, wenn er seine Leistung vertragsgemäß fertiggestellt hat, d. h. diese abnahmefähig ist. Die Abnahmefähigkeit kann nunmehr wegen unwesentlicher Mängel nicht mehr verneint werden. Allerdings ist zweifelhaft, ob dem Architekten diese Änderung hilft; wahrscheinlich wird sich der frühere Streit, ob eine Leistung (unwesentliche) Mängel hatte, nunmehr auf den Streit verlagern, ob eine Leistung wesentliche Mängel hat.

Die Regelungen des § 640 I Satz 3 wird ebenfalls auf den Architektenvertrag anwendbar sein. Auf Grund des Urteils des BGH vom 30.09.1990 war dem Architekten geraten worden, entweder eine ausdrückliche Abnahme oder eine ausdrückliche Verweigerung der Abnahme durch den Bauherrn herbeizuführen (vgl. Haftung / .. / 30ig-jährige Verjährung bei fehlender Abnahme). Findet eine ausdrückliche (und nachweisbare) Abnahme durch den Bauherrn statt, kann der Architekt auf eine Fristsetzung gem. § 640 I Satz 3 BGB verzichten. Verweigert der Bauherr ausdrücklich eine Abnahme, so ist fraglich, ob die Fristsetzung deshalb entbehrlich wird; dies wird erst die zukünftige Rechtsprechung erweisen. Deshalb ist dem Architekten bei einer ausdrücklichen Verweigerung der Abnahme zu raten, zusätzlich die Frist gem. § 640 I Satz 3 BGB zu setzen. Jedenfalls muss er nach § 640 I Satz 3 vorgehen und eine angemessene Frist setzen, wenn der Bauherr die Leistungen des Architekten weder ausdrücklich abnimmt, noch eine Abnahme ausdrücklich verweigert. Bei der Fristsetzung ist wiederum darauf zu achten, dass der Nachweis des Zugangs sichergestellt wird.

Gemäß § 641 III fußt ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht des Bauherrn wegen Mängeln am Architektenvertrag in Höhe des mindestens 3-fachen der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten nunmehr auf einer gesetzlichen Regelung.

Fraglich ist, ob über Architektenleistungen eine "Fertigstellungsbescheinigung" gem. § 641 a BGB ausgestellt werden kann. Grundsätzlich ist diese Regelung zwar auch auf den Architektenvertrag anwendbar, sie passt in ihrer näheren Ausgestaltung allerdings nicht auf die "geistige Leistung" des Architekten und wird deshalb kaum praktische Bedeutung für Architektenleistungen erlangen können.

2. Auswirkungen auf die Pflichten des Architekten, der Lph. 6-9 übernommen hat

Der BGH hat in früherer Rechtsprechung einmal ausgeführt, dass der Architekt sachkundiger Berater und Betreuer auf dem Gebiet des Bauwesens sei; dabei müsse dieser nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts, des BGB und der entsprechenden Vorschriften der VOB/B, besitzen. Zur Bewältigung der typischen Leistungen, die der Architekt im Rahmen der Vergabe und Objektüberwachung zu erbringen hat und die auch ihren Niederschlag in den Leistungsbeschreibungen des § 15 II HOAI gefunden haben, gehören tatsächlich erhebliche baurechtliche Kenntnisse; wie anders sollte ein Architekt dem Bauherrn bei der Gestaltung von Bauverträgen zur Seite stehen können, wie sollte er Gewährleistungsfristen auflisten, wie eine wirksame Rechnungskontrolle durchführen können?

Entsprechend sind Kenntnisse der neuen Regelungen, die das Bauwerkvertragsrecht entscheidend beeinflussen, unbedingt für Architekten erforderlich, die Leistungen aus den Bereichen der Vergabe und Objektüberwachung übernehmen. Vorwegzunehmen ist, dass der Gesetzgeber bei der Änderung des BGB-Werkvertragsrecht aus der VOB/B entnommen hat; insoweit kann der Architekt seine Kenntnisse der VOB/B nunmehr ebenfalls teilweise auf die neuen Regelungen übertragen.

Im einzelnen:

Im Rahmen der Rechnungsprüfung muss der Architekt zukünftig auch bei BGB-Bauwerkverträgen unter den Voraussetzungen des § 632 a BGB Abschlagsforderungen der Bauunternehmer berücksichtigen, selbst wenn weder Abschlagszahlungen noch die VOB/B vereinbart war. Früher durfte der Architekt bei reinen BGB-Werkverträgen Abschlagszahlungen an BGB-Werkunternehmer nicht freigeben, es sei denn, anderes war ausdrücklich vereinbart. In jedem Fall zu beachten hat der Architekt, dass Abschlagszahlungen nur insoweit in Betracht kommen, als die Leistung vertragsgerecht, d. h. mängelfrei ist; ansonsten steht dem Bauherrn ein Zurückbehaltungsrecht i. d. R. in 3-facher Höhe der Mängelbeseitigungskosten zu (§ 641 III ist direkt nicht auf Abschlagszahlungen anwendbar).

Im Rahmen der Abnahme der Bauunternehmerleistungen bei einem BGB-Werkvertrag wird der Architekt zukünftig die neuen Regelungen zu berücksichtigen haben. Anerkannt ist, dass der Architekt die technische Abnahme für den Bauherrn durchführt (vgl. § 15 II Nr. 8 HOAI; die rechtsgeschäftliche Abnahme, welche die Abnahmewirkungen z. B. Fälligkeit der Vergütung und Gewährleistung, auslöst, hat der Bauherr selber auszuführen, es sei denn er beauftragt und bevollmächtigt den Architekten hierzu ausdrücklich (vgl. Vertrag / .. / Abnahme). Durch die technische Abnahme hat der Architekt allerdings die Grundlage für die Frage zu schaffen, ob der Bauherr zur Abnahme verpflichtet ist oder ob er die Abnahme verweigern darf. Während der Architekt hierzu bei einem BGB-Werkvertrag früher ermitteln musste, ob das Werk des Bauunternehmers mängelbehaftet oder mängelfrei ist, muss er nunmehr zwischen unwesentlichen und wesentlichen Mängeln unterscheiden. Nur wenn wesentliche Mängel vorliegen, kann er den Bauherrn zur Abnahmeverweigerung raten. Da die Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Mängeln erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte, ist meines Erachtens dem Architekten zu raten, den Bauherrn insoweit nur mit aller Vorsicht zu beraten. In schwierigen und streitanfälligen Angelegenheiten kann der Architekt dem Bauherrn möglicherweise dazu raten, mit dem Bauunternehmer die Erstellung eines Schiedsgutachtens für die Frage der Wesentlichkeit der Mängel zu vereinbaren.

Zu beachten für den objektüberwachenden Architekten im Rahmen der Abnahme ist auch § 640 I Satz 3 BGB. Da der Ablauf der durch den Bauunternehmer gem. § 640 I Satz 3 BGB gesetzten angemessen Frist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (insbesondere mangelfreies Werk) auch ohne oder gegen den Willen des Bauherrn zu einer Abnahme und damit zu den Abnahmewirkungen führt, wird von dem objektüberwachenden Architekten zu erwarten sein, dass er hierüber, d. h. insbesondere über mögliche Abnahmewirkungen, den Bauherrn informiert. Wie oben dargestellt, ist davon auszugehen, dass jedenfalls einige der Abnahmewirkungen nach Ablauf einer gem. § 640 I Satz 3 BGB gesetzten Frist eintreten, insbesondere Übergang der Leistungs- und Vergütungsgefahr, Beweislastumkehr, Beginn der Gewährleistungsansprüche, Fälligkeit der Vergütung. In § 640 II ist bestimmt, dass der Bauherr für Mängel, die er im Zeitpunkt des Ablaufs der Frist kennt, keinen Vorbehalt vorbringen muss (Absatz II bezieht sich nur auf I Satz 1). Fraglich ist allerdings, ob der Bauherr dazu verpflichtet ist, sich eine verwirkte Vertragsstrafe bis spätestens zum Zeitpunkt des Ablaufes der Frist vorzubehalten, ohne Gefahr zu laufen, dass er seine Vertragsstrafenansprüche verliert (entsprechendes gilt im Rahmen der fiktiven Abnahme bei § 12 Nr. 5 VOB/B). Da anerkannt ist, dass der Architekt den Bauherrn im Rahmen der Abnahme darauf aufmerksam machen muss, dass dieser (eine Erklärung durch den Architekten reicht jdfs. ohne ausdrückliche Vollmacht nicht! vgl. Vertrag / .. / Vorbehalt d. Vertragsstrafe) den Vorbehalt der Vertragsstrafe rechtzeitig erklärt, wird man es nun auch als Aufgabe des Architekten auffassen müssen, den Bauherrn darüber aufzuklären, dass er spätestens bis zum Ablauf einer gem. § 640 I Satz 3 BGB durch den Bauunternehmer gesetzten Frist den Vorbehalt einer verwirkten Vertragsstrafe zu erklären hat.

Die Regelung des § 640 I Satz 3 BGB wird im übrigen vom Architekten im Rahmen der Auflistung der Gewährleistungsfristen (diese beginnen mit Ablauf der Frist) sowie im Rahmen der Rechnungsprüfung (Fälligkeit des Schlusszahlungsanspruches) zu berücksichtigen haben.

Das nunmehr in § 641 III BGB normierte Recht des Bestellers, wegen Mängel Werklohn in Höhe der dreifachen Mängelbeseitigungskosten zurückzubehalten, hatte der Architekt - insbesondere auch im Rahmen der Rechnungsprüfung - schon vor Gesetzesänderung einzubeziehen.

Wird eine Fertigstellungsbescheinigung gem. § 641 a erstellt, so sollte der Architekt den Bauherrn über die möglichen Konsequenzen (Klage im Urkundenverfahren, ect.) unterrichten. Muss eine Abnahme (-Gleichstellung) gem. § 641 a auf Grund der vom Gutachter ausgestellten Fertigstellungsbescheinigung angenommen werden, so sind die dadurch ausgelösten Abnahmewirkungen (s. oben: Vergütungsfälligkeit, Gewährleistungsbeginn, etc.) vom Architekten im Rahmen seiner Leistungen zu berücksichtigen. Auch hier hat er - wie bei der Abnahmegleichstellung gem. § 640 I Satz 3 - den Bauherrn vorsorglich darauf aufmerksam zu machen, dass spätestens bis zum Zugang der Fertigstellungsbescheinigung Vorbehalte wegen verwirkter Vertragsstrafen nachweisbar erklärt werden müssen. Zu beachten ist, dass § 641 a auch bei VOB/B-Verträgen anwendbar sein wird.

3. Auswirkungen für einen Architekten, der als Gutachter eine Fertigstellungsbescheinigung erstellt

Architekten können als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige im Rahmen des Verfahrens zur Erstellung einer Fertigstellungsbescheinigung tätig werden. Gem. § 641 a II Nr. 2 BGB können Architektenkammern angerufen werden, um einen Gutachter zu benennen. Fortbildungsveranstaltungen der Kammern für Gutachter, die im Rahmen des § 641 a BGB tätig werden sollen, sind jedenfalls angekündigt.

Es soll hier nicht weiter auf die Einzelheiten des nicht unkomplizierten Verfahrens zur Erstellung der Fertigstellungsbescheinigung, welches zudem zwingend einzuhalten ist, eingegangen werden. Das Lesen des Gesetzestextes gibt hier schon einen ersten Eindruck. Im einzelnen werden sich hier Auslegungs- und Abgrenzungsfragen stellen. Eine und die meines Erachtens entscheidende Schwäche des § 641 a soll hier aber deutlich angesprochen sein: Der wesentliche Unterschied der Fertigstellungsbescheinigung zu herkömmlichen Gutachten eines Privatgutachters oder auch eines Gutachters im Beweissicherungsverfahren ist derjenige, dass der Guterachter einer Fertigstellungsbescheinigung nicht nur über Sach- sondern auch über Rechtsfragen zu entscheiden hat (die Entscheidung über Sach- und Rechtsfragen geht zudem noch in eine Urkunde ein, welche im Rahmen des Urkundenverfahren die schnellere Erlangung eines Titels ermöglicht). Die im Rahmen der Fertigstellungsbescheinigung zu entscheidenden Rechtsfragen betreffen auch nicht einfache und schlichte Fallgestaltungen, sondern nicht mehr und nicht weniger als eine u. U. äußerst schwierige und komplizierte Vertragsauslegung; der Sachverständige muss im Rahmen der Fertigstellungsbescheinigung prüfen, ob die hergestellte Leistung den vertraglichen Vereinbarungen entspricht. Seitens der Literatur werden bereits Bedenken geäußert, ob dieses Verfahren überhaupt rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen kann. Meines Erachtens bleibt jedenfalls festzustellen, dass einem Architekten, der nicht gleichzeitig Jurist ist, ausdrücklich abzuraten ist, als Gutachter zur Erstellung von Fertigstellungsbescheinigungen tätig zu werden. Für fehlerhafte Beantwortung von Rechtsfragen wird der Gutachter ggf. in Haftung genommen. Und die Risiken, dass der Gutachter eine Rechtsfrage (über die sich möglicherweise anschließend Gerichte instanzenweise die Haare raufen) falsch beantwortet, ist erheblich.

Sollte ein Architekt gleichwohl Aufgaben als Gutachter im Rahmen der Erstellung der Fertigstellungsbescheinigung gem. § 641 a BGB übernehmen, so sollte er sich jedenfalls vorher an seine Haftpflichtversicherung wenden, um dort einen ausreichenden Deckungsschutz sicherzustellen.


III. Schlussbemerkung

Das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen wird zunehmend - und nicht zu unrecht - kritisiert. Viele Regelungen sind unklar und verfehlen voraussichtlich ihren Zweck. Das Verfahren zur Erstellung der Fertigstellungsbescheinigung ist äußerst kompliziert, befrachtet den Gutachter mit erheblichen Haftungsrisiken, bleibt aus rechtsstaatlicher Hinsicht zweifelhaft und wird voraussichtlich kaum zur Beschleunigung fälliger Zahlungen beitragen können.

Allerdings werden uns die neu geschaffenen Regelungen möglicherweise auch gar nicht lange Sorgen bereiten; denn der Gesetzesgeber ist dabei, dass gesamte Bauvertragsrecht zu reformieren. Es bleibt abzuwarten, was von den neuen Regelungen bei einer etwaigen Novelierung des Bauvertragsrechts übrigbliebe.

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