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Entstellung eines urheberrechtlich geschützten Bauwerks (hier Moschee) durch Anbringung eines Vordachs

Die Anbringung eines Vordaches an eine Moschee kann als Eingriff in den geistig-ästhetischen Gesamteindruck des Werkes zu eine Entstellung führen.

Hintergrund
Werke des Architekten sind urheberrechtsschutzfähig.

Voraussetzung dafür, dass einem bestimmten Werk Urheberrechtsschutz zuerkannt werden kann, ist, dass das Werk eine persönliche geistige Schöpfung darstellt.
Beispiel
(nach Landgericht Köln , Urt. v. 20.10.2022 - 14 O 12/22; OLG Köln, Urt. v. 02.06.20233 - 6 U 162/22)
Die Bauherrin und Besitzerin einer Moschee, welche 2018 fertiggestellt wurde, lässt nachträglich westlich vom Eingangsbereich ein den gesamten westlichen Teil der Fassade einnehmendes Vordach aus Metall und Glas errichten. Der Architekt, nach dessen Plänen die Moschee errichtet wurde, verlangt Beseitigung des Vordachs. Die Anbringung des Vordach verletze sein Urheberrecht.

Das Landgericht Köln gibt der Klage statt und verurteilt die Bauherrin, das Vordach wieder zu beseitigen. Zunächst stellt das Landgericht Köln fest, dass nach den seitens der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen bei der zu bewertenden Moschee insgesamt und auch isoliert für den hier betroffenen Teilabschnitt der Außenwand mit Eingangsbereich ein urheberrechtsschutzfähiges Werk der Baukunst vorliege. Im Hinblick auf die Bedienung westlicher Formensprache und unter Berücksichtigung eines Vergleiches mit anderen Moscheebauten liege eine hinreichende Individualität des Bauwerkes vor. Diese Gestaltung sei auch nicht durch technische Erwägungen bedingt. Vielmehr sei dem Gericht aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich, dass die Moschee in der hier maßgeblichen Außenansicht an der Seite des Eingangs geprägt sei durch eine rechteckige Formensprache ohne Ornamente oder ähnliche Verzierung. Dabei sei der von der Außenfassade hinausragende Eingangsbereich ein besonderes Gestaltungsmerkmal, das in Verbindung stehe mit dem Verzicht auf Fenster über diesem Eingang sowie zum Minarett hin sowie mit der Anordnung einer Vielzahl schmaler und hoher Fenster auf der anderen Seite. Die Moschee erscheine insgesamt und auch betreffend der hier relevanten Seite des Bauwerkes als einheitliche und zusammengehörende Gestaltung, welche auf der freien gestalterischen Entscheidung des Architekten beruhe. Schließlich bedürfe es auch kein im Vergleich zu anderen Bauwerken überragende Gestaltung, wie die Bauherrin es für erforderlich halte.

Das Anbringen des hier gegenständlichen Vordaches an die Fassade neben dem hervorragenden Eingang verletzt die Rechte des Architekten nach §§ 14, 39 UrhG. Bei der Frage, ob eine Verletzung der Rechte des Architekten vorliege, seien die gefährdeten Interessen des Urhebers mit den betroffenen Interessen der Bauherrin bzw. Besitzerin abzuwägen. Hierbei kämen zwei Aspekten besondere Bedeutung zu: Zum einen sei festzustellen, welchen Einfluss die Veränderung auf den künstlerischen Gesamteindruck des Werkes habe; beziehe sich die Änderung nur auf ganz untergeordnete Werkelemente oder sei sie sonst von nicht nennenswerter Relevanz für das gesamte Werk, komme ihr im Rahmen der Interessenabwägung auch weniger Gewicht zu. Umgekehrt führen erhebliche Änderungen im Gesamteindruck zu einer entsprechend schwerwiegenden Beeinträchtigung der Urheberinteressen. Des Weiteren sei auch im Falle betont künstlerischer Gestaltung der intendierte Gebrauchszweck maßgeblich zu berücksichtigen. Insbesondere bei öffentlichen Gebäuden könne der Eigentümer öffentliche Interessen an einer Änderung als zugleich eigene Interessen geltend machen.

Nach diesen Grundsätzen stelle die Anbringung des Vordaches ein hinreichend schwerwiegenden Eingriff in den geistig-ästhetischen Gesamteindruck des Werkes dar. Denn nicht nur konterkarikiere das Vordach die klare Formgebung des Eingangsbereiches und der gesamten Bauwerksseite; vielmehr komme hinzu, dass hier das neu angebrachte Vordach durch die Neigung einen unansehnlichen Kontrast zur rechtwinkligen Planung des Daches des hervorragenden Eingangs erzeuge.

Hinweis
Das Gericht weist weiter darauf hin: Die in praktischer Hinsicht durchaus nachvollziehbaren Gründe für die Anbringung des Vordaches durch die Besitzerin, nämlich für die Gemeindemitglieder einen Bereich vor dem Café zur Verfügung zu stellen, wo Heißgetränke zu konsumieren oder sonst zu verweilen sei, sei nicht so gewichtig, dass deshalb die Beeinträchtigung des geistig-ästhetischen Gesamteindrucks durch den Architekten hinzunehmen wäre.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck