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Eintragung in Architektenliste als „freischaffend“ oder „angestellt“?

Wer seinen Beruf als Geschäftsführer in einer GmbH ausübt, an der er zwar zu 25 % beteiligt ist, deren Anteile aber mehrheitlich von berufsfremden Personen gehalten werden, kann nicht „eigenverantwortlich“ und demnach auch nicht „freischaffend“ als Architekt tätig sein.
Hintergrund
Das Berufs- und Standesrecht befasst sich mit Vorschriften und Bedingungen, die den Rahmen für die Berufsausübung des Architekten bilden.

Die jeweiligen Landesarchitektengesetze schützen die Berufsbezeichnung der Architekten.
Beispiel
(nach OVG Lüneburg , Urt. v. 17.08.2005 - 8 LA 243/04 –)
Ein Architekt ist in der niedersächsischen Architektenliste als „angestellt“ eingetragen. Nunmehr übernimmt er einen Geschäftsführerposten in einer GmbH. An dieser GmbH ist er zu 25 % beteiligt. Die weiteren 75 % liegen in den Händen berufsfremder Dritter. Deren Beteiligung von 75 % reicht unter anderem aus, um den Geschäftsführer aus wichtigem Grunde abzuberufen. Der Architekt bedarf des Weiteren nach der Satzung der GmbH in vielen Fällen seiner Tätigkeit der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, unter anderem bereits bei Anschaffungen und Kreditaufnahmen, die einen Wert von € 5.000,00 überschreiten. Nach den Regelungen des GmbH-Gesetzes ist er an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden. Die Sozialversicherungsträger haben den Architekten als sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten eingestuft. Der Architekt kriegt als Geschäftsführer ein festes Gehalt.
Die niedersächsische Architektenkammer nimmt die Aufnahme des Geschäftsführerpostens durch den Architekten zum Anlass, diesen in der Architektenliste nicht mehr als „angestellt“, sondern nunmehr als „freischaffend“ zu führen. Der Architekt klagt gegen die Architektenkammer mit der Forderung, ihn wieder als „angestellt“ einzutragen.
Das OVG Lüneburg gibt dem Architekten Recht. Es stellt zunächst fest, dass nach niedersächsischem Architektengesetz als „freischaffend“ nun eingetragen werden könne, wer eigenverantwortlich und unabhängig den Beruf des Architekten ausübe. Eine eigenverantwortliche Tätigkeit in diesem Sinne komme selbstverständlich auch als Gesellschafter einer Gesellschaft, auch einer Kapitalgesellschaft, in Betracht. Als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft müsse für eine eigenverantwortliche Tätigkeit aber gewährleistet sein, dass der Architekt dort ebenso wie ein „unmittelbar selbständig“ tätiger Architekt seinen Beruf in einem Maße eigenverantwortlich ausübt, dass es gerechtfertigt sei, den Zusatz „freischaffend“ zu führen. Der Architekt müsse sich mit anderen Worten der Kapitalgesellschaft bedienen, um auf diese Weise mittelbar selbständig berufstätig zu sein (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 04.09.2000 – 1 A 303/00 –).
Im Weiteren hebt das OVG auf die konkreten Verhältnisse der hier betroffenen Gesellschaft ab und führt aus, dass der Architekt im Rahmen seiner Geschäftsführerposition in der Gesellschaft erheblichen Einschränkungen unterliege (siehe oben im Sachverhalt). Des Weiteren sei er auch von den Sozialversicherungsträgern als Angestellter angesehen worden. Er habe am wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit in der Gesellschaft nicht vorrangig über seinen gesellschaftsrechtlichen Gewinnanteil, sondern über ein festes Gehalt teil.

Darüber hinaus bezieht sich das Gericht auf die Voraussetzungen, unter denen Kapitalgesellschaften eine Eintragung in die Architektenliste erreichen könnten; diese Voraussetzungen seien für die vorliegend betroffene Kapitalgesellschaft nicht eingehalten. Auch dies spreche dafür, dass es sich bei dem Architekten nicht um einen eigenverantwortlich tätigen und damit freischaffenden Architekten handele. Insoweit verweist das Gericht auch darauf, dass es widersprüchlich sei, wenn der Kläger sich als „freischaffender“ Architekt in der Gesellschaft selbständig gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 4 Niedersächsisches Architektengesetz haftpflichtversichern müsse.
Hinweis
Das Urteil ist ausführlich begründet und interessant zu lesen (der volle Text ist zu finden unter www.dbovg.niedersachsen.de unter Entscheidungen). Unter Berücksichtigung der geschilderten Besonderheiten der Gesellschaft erscheint es auch gerechtfertigt zu sein, den klagenden Architekten hier nicht als „freischaffend“ zu qualifizieren. Die Zuordnung zu den Qualifizierungen „angestellt“ oder „freischaffend“ ist allerdings im Einzelfall schwierig und kann sich schon bei Verschiebung einiger Merkmale anders ergeben. Insbesondere wird nach Auffassung des Verfassers die Frage der Beteiligung in der Gesellschaft bzw. der „Macht“, die die Beteiligung nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages inne hat, zu beurteilen sein. Auch eine Minderheitsbeteiligung kann, wenn ihr nach den Vorschriften des Gesellschaftsvertrages ein weitgehendes Vetorecht in sämtlichen Fragen eingeräumt ist, erhebliche „Macht“ im Gesellschaftsgefüge besitzen.
In jedem Einzelfall sollte geprüft werden, ob eine Gesellschafter/Geschäftsführerposition sich hinreichend qualifiziert für eine Eintragung als „freischaffend“. Im engen Zusammenhang mit dieser Frage wird immer die Frage der Sozialversicherungspflicht eines angestellten Gesellschafter-Geschäftsführers stehen.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck