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Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen den Architekten = Beginn der Verjährung des Deckungsanspruchs gegen den Versicherer?

Unterlässt es ein Architekt ein unter anderem gegen ihn eingeleitetes Beweissicherungsverfahren seinem Haftpflichtversicherer anzuzeigen und wird er später in Anspruch genommen, dann begründet die Einleitung des Beweisverfahrens nicht notwendig die Fälligkeit des Deckungsanspruchs gegen den Versicherer, der sich mithin nicht in jedem Fall auf Verjährung berufen kann.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Soweit ein Architekt eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, besteht Haftpflichtversicherungsschutz für seine freiberufliche Tätigkeit nach Maßgabe des Versicherungsvertrages.

Liegt ein Versicherungsfall vor, so hat der Architekt zur Wahrung seiner Ansprüche bestimmte formelle Verfahren, u.a. Anzeigepflichten, zu beachten.
Beispiel
(nach BGH , Urt. v. 09.06.2004 - IV ZR 115/03)
Der Bauherr beantragte gegen den mit Planung und Überwachung beauftragten Architekten und drei Bauausführende die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens mit dem Ziel, Durchfeuchtungsschäden und die Zuordnung von deren Ursachen zu Planungs- und Bauausführungsmängeln zu ermitteln. Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam in einem Gutachten und Ergänzungsgutachten zu der Feststellung von Durchfeuchtungsschäden und dafür ursächliche Mängel sowohl in der Planung als auch in der Bauausführung. Gut drei Jahre später wurde der Architekt auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er schaltete dann erst seine Versicherung ein. Die berief sich auf Verjährung nach § 12 VVG (Versicherungsvertragsgesetz – für den Deckungsanspruch zwei Jahre ab Schluss des Jahres, in dem der Anspruch gegen den Versicherungsnehmer erhoben wird) und Verletzung der Anzeigeobliegenheit, § 5 Nr. 2 AHB. Zu recht nach den ersten beiden Instanzen, zu unrecht nach dem BGH, wobei der BGH nur über die Verjährungsthematik entscheidet.
Der BGH meint feststellen zu können, dass ein ernsthaftes Geltendmachen von Ansprüchen des Bauherrn gegen den Architekten in der Einleitung des Beweisverfahrens nicht vorliege. Entscheidend ist, dass sich der Gläubiger entschlossen habe, Schadensersatzansprüche gerade gegen den Versicherungsnehmer geltend zu machen und dass er diesen Entschluss in einer Art und Weise zu erkennen gibt, die als ernstliche Erklärung der Inanspruchnahme vom Versicherungsnehmer verstanden werden kann. Gerichtliche Geltendmachung (Antrag auf Prozesskostenhilfe, Mahnverfahren, Klage, Streitverkündung) genügen, was dagegen für das selbständige Beweisverfahren nicht generell beantwortet werden könne. Das beruhe darauf, dass die Gründe, aus denen heraus es vom Geschädigten angestrengt wird, unterschiedlich sein können.
Besteht nach Lage der Dinge kein Zweifel daran, dass der Geschädigte allein den Versicherungsnehmer für einen eingetretenen Schaden verantwortlich machen will, und dient das selbständige Beweisverfahren lediglich dem Zweck, die Schadenshöhe festzustellen, so kann und muss der Versicherungsnehmer die Einleitung des Verfahrens auch nach Ansicht des BGH als ernstliche Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gegen ihn verstehen.
Anders sei es aber dann, wenn - wie im entschiedenen Fall - mehrere Schädiger in Betracht kommen, das Schadensbild unklar ist und der Geschädigte sich mit dem selbständigen Beweisverfahren erst Klarheit darüber verschaffen will, welche Schäden eingetreten sind, was zur Schadensentstehung geführt hat und wer jeweils die Verantwortung dafür trägt.
Dass der Gläubiger erkennbar eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Versicherungsnehmer erwägt oder für möglich erachtet, reicht für die Fälligkeit des Anspruchs auf Versicherungsleistungen – hier den Anspruch des Architekten gegen seinen Versicherer auf Deckungsschutz - noch nicht aus. Die Anzeigeobliegenheit, § 5 AHB, betrifft auch Fälle vor der Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers. Die Regelung kann nach der Entscheidung des Gerichts nicht im Zusammenhang mit der Frage der Fälligkeit und Verjährung des Anspruchs auf Deckungsschutz herangezogen werden.
Hinweis
Der BGH hat im übrigen der Vorinstanz aufgegeben u.a. zu klären, ob ein Versicherungsausschluss wegen Obliegenheitsverletzung vorliegt, vgl. sogenannte Relevanzrechtsprechung. Der Architekt ist daher noch nicht auf der sicheren Seite (vgl. Haftung/Haftpflichtversicherungsschutz/formelles Verfahren / Anzeigepflicht ). Das Urteil des BGH sollte auf keinen Fall dazu verleiten, mögliche Ansprüche des Bauherrn zur Vermeidung einer negativen Risikoeinstufung mit drohender Kündigung des Versicherungsverhältnisses der Versicherung nicht zu melden.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck