https://www.baunetz.de/recht/Eingeschlafene_Vertragsbeziehung_stillschweigend_einvernehmliche_Vertragsbeendigung__44244.html


Eingeschlafene Vertragsbeziehung: stillschweigend einvernehmliche Vertragsbeendigung?

Allein daraus, dass der Architekt die Bauüberwachung nicht mehr wahrnimmt und der Auftraggeber ihn nicht mehr hinzuzieht, kann eine stillschweigende Vertragsbeendigung - in Gestalt einer einseitigen Auftraggeberkündigung oder in Gestalt einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung - nicht entnommen werden.
Hintergrund
Haben Architekt und Bauherr einen Vertrag geschlossen, prägt dieser wesentlich das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien.

Eine vorzeitige Vertragsbeendigung hat erhebliche Auswirkungen auf die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien.

Den Parteien steht jederzeit eine einvernehmliche Beendigung des Vertrages offen.
Beispiel
(nach OLG Düsseldorf , Urt. v. 14.09.2001 - 22 U 38/01 BauR 2002,336)
HOAI für den Neubau eines Einfamilienwohnhauses beauftragt. 1998 traten im Sockelbereich der Außenwände des Erdgeschosses Feuchtigkeitserscheinungen auf. Der wegen fehlerhafter Bauleitung in Anspruch genommene Architekt verteidigte sich mit dem Argument, dass der Architektenvertrag vor Ausführung der einschlägigen Arbeiten bereits Ende 1994 beendet worden sei, die Bauleitung also nicht mehr geschuldet gewesen sei.

Der Architekt wurde mit seinem Einwand nicht gehört. Zwar kann eine konkludente (stillschweigende) Kündigung des Auftraggebers dann vorliegen, wenn er nach außen hin zum Ausdruck bringt, dass er das Bauvorhaben mit dem Auftragnehmer nicht fortführen will. Das kann dadurch geschehen, dass er einen anderen Architekten mit der Abwicklung des Bauvorhabens beauftragt oder die ausstehenden Leistungen nach vorheriger Ankündigung selbst ausführt und den Auftragnehmer nicht mehr hinzuzieht (BGH WM 1972,1025,1026). Auch ist es möglich, dass die Parteien nachträglich einzelne Leistungen einvernehmlich aus dem Vertrag herausnehmen. Darin allerdings, dass der Architekt die Aufgaben der Bauüberwachung schließlich nicht mehr wahrgenommen hat, kann keine einvernehmliche Entbindung des Architekten von den Aufgaben der Bauüberwachung erblickt werden. Das gilt nach Ansicht des Gerichtes auch in Verbindung mit dem weiteren Umstand, dass der Auftraggeber, den Architekten seit 1994 nicht mehr hinzugezogen hat. Der Architekt hat aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtungen von sich aus die Bauüberwachung durchzuführen und darf nicht die Aufforderung des Auftraggebers, den Verpflichtungen nachzukommen, abwarten. Daran ändert auch nichts, wenn der Auftraggeber einzelne Bauleistungen selbst vergibt und selbst Bauunternehmer –laienhaft- einweist.
Hinweis
Häufig stellt sich die Problematik im Bereich der Leistungsphase 9. Eine „Vogel – Strauß – Taktik“ erweist sich als gefährlich. Der Architekt läuft dabei gegebenenfalls auch Gefahr, seinen Versicherungsschutz wegen bewusster Pflichtwidrigkeit zu verlieren. Dem Architekten wir in der Regel anzuraten sein, mit dem Auftraggeber eine einvernehmliche Vertragsbeendigung ausdrücklich herbeizuführen. Wenn nichts anderes vereinbart gilt, findet grundsätzlich § 649 Satz 2 BGB Anwendung – Vergütung für nicht erbrachte Leistungen (BGH, Urt. v. 17.03.1974 - VII ZR 35/73 -, BGHZ 62, 208; vgl. auch BGH, Urteil vom 04.06.1973, VII ZR 113/71, BauR 1973, 319 (für VOB/B Vertrag) und OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.01.1992, 9 U 209/90, BauR 1994,116,118).

Kontakt
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Kanzlei:
Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck