https://www.baunetz.de/recht/Die_Zerstoerung_eines_Urheber-Werks_ist_am_Entstellungsverbot_gemaess_14_UrhG_zu_messen._6495762.html


Die Zerstörung eines Urheber-Werks ist am Entstellungsverbot gemäß § 14 UrhG zu messen.

Die Vernichtung eines urheberrechtlich geschützten Werkes stellt eine „andere Beeinträchtigung" im Sinne des § 14 UrhG dar. Bei der Prüfung, ob die Vernichtung geeignet ist, die berechtigten persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden, ist eine umfassende Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werkes vorzunehmen.


Hintergrund
Werke des Architekten sind urheberrechtsschutzfähig.

Aus dem Urheberrecht leiten sich u.a. Persönlichkeitsrechte sowie das Änderungsverbot ab.
Beispiel
(nach BGH , Urt. v. 21.02.2019 - I ZR 98/17)
Der Betreiber der Kunsthalle Mannheim schließt im Jahre 2006 einen Vertrag mit einer Künstlerin zur Realisierung einer multimedialen und multidimensionalen Rauminstallation für den sogenannten Athene-Trakt; letzterer stellt ein mehrgeschossiges Gebäude dar, welches die Kunsthalle Mannheim (den Billing-Bau) mit dem Mitzlaff-Bau verbindet. Das Werk umfasst verschiedene Installationen auf allen 7 Ebenen des Athene-Trakts, die durch vertikal angeordnete kreisförmige Öffnungen in allen Geschossdecken vom Fundament bis zum Dach miteinander verbunden sind. Im Vertrag wird das Werk unter anderem als „permanente Rauminstallation“ bezeichnet.

Im Jahre 2012 beschloss der Betreiber der Kunsthalle Mannheim den Mitzlaff-Bau abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Der Athene-Trakt sollte weitgehend entkernt, das Werk der Künstlerin vollständig entfernt werden. Gegen die Entfernung wendet sich nunmehr die Künstlerin unter Berufung auf ihr Urheberrecht. Der Betreiber der Kunsthalle argumentiert, die vollständige Zerstörung eines etwaig urheberrechtlich geschützten Bauwerkes greife nach überwiegender Ansicht ohnehin nicht in das Urheberrecht ein (vergleiche z.B. LG München, Urteil vom 08.12.1981).

Der BGH folgt der Argumentation des Kunsthallen-Betreibers zunächst nicht. Abweichend von einer lange als herrschend angesehenen Ansicht stellt der BGH klar, dass auch die Zerstörung eines urheberrechtlich geschützten Werkes unter § 14 UrhG und dem darin geregelten Entstellungsverbot falle. Bei der Prüfung ob die Vernichtung geeignet sei, die berechtigten persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden, sei entsprechend eine umfassende Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werkes vorzunehmen. Bei der Interessensabwägung sei auf Seiten des Urhebers zu berücksichtigen, ob es sich bei dem vernichteten Werk um das einzige Vervielfältigungsstück des Werkes handele, oder ob von dem Werk weitere Vervielfältigungsstücke existierten. Ferner sei zu berücksichtigen, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweise und ob es ein Gegenstand der zweckfreien Kunst sei oder als angewandte Kunst einem Gebrauchszweck diene.

Auf Seiten des Eigentümers könnten, wenn ein Bauwerk oder Kunst in oder an einem solchen betroffen ist, bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung von Bedeutung sein. Bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken werden die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstückes oder Gebäudes den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werkes in der Regel vorgehen, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt. Im Rahmen der Interessenabwägung kann sich auswirken, ob der Eigentümer dem Urheber Gelegenheit gegeben hat, das Werk zurückzunehmen oder – wenn dies aufgrund der Beschaffenheit des Werkes nicht möglich ist – Vervielfältigungsstücke hiervon anzufertigen.

Unter Berücksichtigung vorstehend dargestellter Wertungskriterien kommt der BGH am Ende doch zu dem Ergebnis, dass der Künstlerin ein Anspruch auf Unterlassung gegenüber der Kunsthalle nicht zusteht. Der BGH folgt dabei der Vorinstanz, die bereits festgestellt hat, dass nicht angenommen werden könne, dass die Kunsthalle sich mit der Aufnahme des Werkes und der damit verbundenen Vereinbarung jeder späteren Neufestlegung der Nutzung des Grundstückes begeben wollte, auch wenn das Werk als „permanente Installation“ bezeichnet worden sei. Die Installation habe auch keine herausragende kunsthistorische Bedeutung und die Reputation der Künstlerin erleide durch die Vernichtung keinen Schaden.


Hinweis
Die Künstlerin hatte zusätzlich argumentiert, für den Umbau des Athene-Trakts habe ohnehin keine Notwendigkeit bestanden, weil allein der Mitzlaff-Bau sanierungsbedürftig sei. Hierzu stellte der BGH allerdings fest, dass nach seiner Rechtsprechung im Rahmen des § 14 UrhG nicht geprüft werde, ob andere Planungsalternativen zu einer geringeren Beeinträchtigung der Interessen des Urhebers geführt hätten. Zwar müsse der Eigentümer eines urheberrechtlich geschützten Bauwerkes bei dessen Veränderung grundsätzlich eine, den betroffenen Urheber in seinen urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen möglichst wenig berührende Lösung, suchen. Habe er sich jedoch für eine bestimmte Planung entschieden, so gehe es im Rahmen der Interessenabwägung nur noch darum, ob dem betroffenen Urheber die geplanten konkreten Änderungen des von ihm geschaffenen Bauwerkes zuzumuten seien. Ob daneben noch andere, den Urheber gegebenenfalls weniger beeinträchtigende Lösungen denkbar seien, sei hierfür nicht von entscheidender Bedeutung.

Der BGH verwies schließlich darauf, dass ein Künstler bzw. ein Architekt, welcher der Zerstörung seines Werkes vorbeugen wolle, eine Erhaltungspflicht des Eigentümers entweder schuldrechtlich vereinbaren oder auf der Einräumung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit im Sinne des § 1090 BGB bestehen könne.


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